Weißer Roboter Frau mit digitalen Kugel Verbindung Hologramm 3D-Rendering

Schon heute erleichtern Algorithmen den Alltag in der SMT-Welt. Durch die steigenden Datenmengen wird der Einsatz von KI zunehmend ­notwendig, um aus den Rohdaten entsprechende Rückschlüsse ziehen zu können. (Bild: sdecoret – Adobe Stock)

Künstliche Intelligenz hat auch in der SMT-Welt Einzug gehalten: Verborgene KI-Algorithmen erleichtern uns schon heute die Erstellung von Inspektionsprogrammen oder erhöhen die Aussagekraft von Messungen. Durch den Einsatz von 3D-Messystemen sind die Datenmengen in der SMT-Fertigung zudem dramatisch gestiegen. Nur durch den Einsatz von KI lassen sich diese Datenmengen beherrschen und sinnvoll nutzen. KI ermöglicht eine unbeaufsichtigte Prozesskontrolle und -regelung. Dabei unterstützt sie Technolog*Innen und Personal und setzt damit Ressourcen für die wichtigen Ziele zur Erreichung einer effizienten Fertigung frei – aber das ist nicht alles.

Warum benötigen wir KI in der Elektronikfertigung?

In der Elektronikfertigung werden die Strukturen und Bauteile immer kleiner und die Prozesse immer sensitiver. Gleichzeitig träumen Unternehmen von der vollautomatischen, bedienerlosen Fertigung. Die Ziele sind längst gesteckt und die Roadmaps erstellt. In naher Zukunft soll die Elektronikfertigung ein menschenleerer Ort werden.

Wie lassen sich diese steigenden Prozessanforderungen und komplette Automatisierung miteinander verbinden? Die Antwort heißt KI. Sie wurde erdacht, um menschliches Verhalten und Entscheidungen zu simulieren. In der Vergangenheit gelang dies nur mit der Hilfe von Super-Rechnern. Heute geben uns die verfügbare Rechnerleistung und intelligente Anwendungsstrategien neue Möglichkeiten, die KI nah am Fertigungsprozess einzusetzen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Wo der Mensch aufgrund des Zeitdrucks nach Gefühl und Erfahrung entscheiden muss, beruht die KI-Entscheidung auf harten Fakten und Messwerten. Die KI kann die menschliche Entscheidung zwar nur nachahmen, aber dies binnen Sekunden unter der Berücksichtigung einer Großzahl von Daten.

Was sind die Vor- und Nachteile der KI?

Im Gegensatz zu so mancher Utopie soll die KI die Menschen unterstützen – nicht ersetzen. Der Mensch bleibt die finale Instanz und behält die Entscheidungshoheit. Aber den Weg zu dieser Entscheidung soll die KI erleichtern. Deshalb liegen die Vorteile der KI auf der Hand:

  • Bei detailorientierten Aufgaben mit vielen Faktoren behält die KI die bessere Übersicht.
  • Die KI kann größere Datenmengen in kürzester Zeit verarbeiten.
  • Die Ergebnisse sind konsistent, da die KI frei von äußeren Einflüssen, wie Tageszeit, Motivation, Erschöpfungsgrad, persönliche Präferenzen, etc. entscheidet.
  • Ferner ist eine KI 24 Stunden und 7 Tage pro Woche verfügbar und aktiv. Sie schafft also dem Experten den Raum für die wichtigen Dinge und Entscheidungen.

Um die KI richtig zu nutzen, bedarf es allerdings eines differenzierten Blicks auf diese Technologie. Alexa erinnert uns manchmal an den Computer bei Raumschiff Enterprise, aber ganz so selbstständig und fehlerfrei sind die heutigen KIs noch nicht. Sie haben auch Schwächen und Nachteile:

  • Die Einführung einer KI bedeutet zusätzlichen Aufwand in Form von Hardware und Software, sowie durch die Betreuung von Experten. Dies verursacht Kosten. Allerdings spart diese Investition an anderer Stelle Geld.
  • Die finale Instanz ist weiterhin der Prozessexperte. Das heißt: Für die Nutzung der KI und die Validierung von Ergebnissen benötigt es ein umfassendes Prozesswissen. Der Arbeitsplatz der Ingenieure und Technologen ist also weiterhin sicher.
  • Die KI kennt nur die Szenarien und Datenmuster, die ihr eingelernt wurden. Tritt ein neuer, unbekannter Effekt auf, wird dieser nicht erkannt oder führt zu ungewollten Ergebnissen.
  • Die KI ist kein Mensch. Ihr fehlt die Fähigkeit zur Verallgemeinerung. Das heißt, die KI kann ein erworbenes Wissen nicht ohne Weiteres auf einen anderen Prozess anwenden.

Betrachtet man die Vor- und Nachteile künstlicher Intelligenz, so werden die Potenziale dieser Technologie offenbar und die Ängste vor Arbeitsplatz- und Kontrollverlust schnell relativiert. Am Ende ist die KI schlicht und einfach ein weiteres nützliches Werkzeug in unserem Arbeitsumfeld.

KI in der SMT

Nun stellt sich die Frage, warum benötigen wir überhaupt KI in der SMT-Welt und wo sollen wir diese sinnvoll einsetzen? Hierzu ein simples Beispiel aus der Inspektionswelt. Aus Gewohnheit sprechen wir in der SMT-Welt immer noch von der Inspektion von Baugruppen: Inspektion der Lötpaste nach dem Druck, Inspektion von Bauteilen nach der Bestückung und Inspektion von Bauteilen und deren Lötstellen nach dem Lötprozess. Allerdings wird seit 18 Jahren – mit der Einführung des ersten 3D-Messsytems für Lötpasten – nicht mehr inspiziert, sondern gemessen. Dieses kleine Detail war ein Paradigmenwechsel in dieser Industrie! Denn bei der Inspektion gibt es nur zwei Zustände, um eine Fertigung zu regeln: Gut und schlecht! Ein Messsystem misst und gibt Werte zur Regelung des Fertigungsprozesses. Im Klartext: Statt der Regelgröße Verschrottungsfaktor nutzen wir Prozesstoleranzen.

Wo ist nun der Zusammenhang zur KI? Ganz einfach: Wo man vorher nur einen Wert mit zwei Zuständen hatte, bekommt man jetzt eine Vielzahl von Messwerten, die verarbeitet und bewertet werden müssen.

Zur Veranschaulichung betrachten wir ein Beispiel in Zahlen. Annahme: Wir fertigen eine Baugruppe mit 7.500 Anschlussflächen, auf die 1.500 Bauteile bestückt werden. Das ergibt pro Baugruppe 126.000 Messwerte und Inspektionsergebnisse. Nehmen wir nun einen typischen Linientakt von 20 Sekunden pro Baugruppe an, erhalten wir bereits 378.000 Werte pro Minute und 22.680.000 Werte pro Stunde. Bei diesen Datenmengen geht niemand entspannt für eine Stunde in die Mittagspause. Da hilft auch kein Statistik-Tool – die Datenmenge ist einfach zu groß.

Tabelle Aznahl der Messerwerte in der SMT-Linie
Tabelle Aznahl der Messerwerte in der SMT-Linie (Bild: Koh Young Europe)

Datenaufbereitung per Multi-Layer in neuronalen Netze

Hier kommt nun die Multi-Layer-Datenaufbereitung von neuronalen Netze ins Spiel. Die KI ist in der Lage, die Essenz der wichtigen Informationen in Echtzeit aus den Daten zu extrahieren. Statt der Masse von 22 Millionen Werten betrachten sie nur noch die Trends und Anomalien. Der Prozess wird dadurch für den Experten transparent und bewertbar, da in einer Stunde Abwesenheit wahrscheinlich nur fünf Anomalien und eine Prozess-Drift aufgetreten sind. Wobei die Prozess-Drift in der Regel schon von der KI automatisch kompensiert wurde.

Ein Beispiel für eine solche KI ist der Koh Young Process Optimizer, kurz KPO. Hier sammelt ein au-tarkes System die Daten der 3D-Messung und verknüpft diese mit den Produktionsparametern. Je nach Applikation läuft der KI-Engine auf dem KSmart-Server sowie lokal auf der K-box und bereitet die Daten mittels neuronaler Netzwerke auf. Der Diagnose-Engine detektiert Anomalien und ermittelt deren Ursprung, während der Prozess-Engine den laufenden Prozess modelliert, überwacht und mittels Parameterkontrolle die Produktionsmaschinen nachregelt. Dies funktioniert derzeit für zwei Produktionsschritte auf der SMT-Linie: den Lötpastendruck und die Bauteilbestückung.

Koh Young Process Optimizer (KPO) im Video

Im zweiten Schritt modelliert die KI-Engine ein Regressionsmodell des laufenden Druckprozesses. Anhand des Modells kann die KI dann den Output für die Veränderung der Druckparameter Rakeldruck, Druckgeschwindigkeit und Trenngeschwindigkeit vorhersagen. Das Modell dient nun als Normal für die Anomalie-Detektion. Jedes Ergebnis wird von da an mit dem Normal verglichen. Weichen Ergebnisse mehr als die erwartete Prozessstreuung ab, stuft die KI sie als Anomalie ein. Dies geschieht für jedes einzelne Pad. Das Ergebnis ist eine grafische Verteilung der Anomalien im Druckbild. Die KI vergleicht die Verteilungsmuster mit bekannten Effekten sowie Fehlerbildern für Störungen im Druckprozess. So kann die KI die Ursachen aufgrund der spezifischen Datenmuster schnell zuordnen.

Diese Analyse kopiert die Vorgehensweise eines erfahrenen Druckexperten. Nur dass dieser Analysen und Entscheidungen nicht in Sekundenbruchteilen fällt. Die KI erledigt dies in Echtzeit und auf allen Produktionslinien gleichzeitig. Dabei ist die Anomalie eine Störung, die keinen Einfluss auf die Parametrierung des Druckprozess hat. Deshalb muss die KI diese erkennen, damit nicht fälschlicherweise ein gut laufender in einen instabilen Prozess geregelt wird.

Arten von KI
Das Entstehen einer künstlichen Superintelligenz wird die Menscheit verändern – aber es wird nicht so bald geschehen. Hier sind die Arten von KI, die zu dieser neuen Realität führen könnten. (Bild: https: //www.computerweekly.com/de/definition/Kuenstliche-Intelligenz-KI)

Zusammenfassung

Die KI ist bereits ein nützlicher Helfer in der SMT-Welt. In der optischen Inspektion und Messung hilft sie Prozesse zu vereinfachen und die Qualität der Messung zu erhöhen. In der Echtzeitkontrolle ist die KI unverzichtbar, da sonst die hohe Anzahl an Messdaten und Produktionsparametern nicht verarbeitet werden könnte. Dabei kann die künstliche Intelligenz die gleichen Entscheidungen treffen und Eingriffe vornehmen wie ein erfahrener Experte. Allerdings ersetzt die KI den Experten keinesfalls, denn sie ist nicht unfehlbar. Jedoch setzt sie Ressourcen frei, indem sie den Experten und das Personal mit schnellen Analysen in Echtzeit unterstützt.

Axel Lindloff
(Bild: Koh Young Europe)

Axel Lindloff

Pre-Sales / Senior Application Engineer bei Koh Young Europe in Alzenau

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