Hotmelt-Verfahren

Zuverlässiger Schutz für empfindliche Elektronik

Elektronische Baugruppen müssen vor Feuchtigkeit, Staub und mechanischer Belastung geschützt werden. Hotmelt bietet guten Schutz und flexible Formgebung, stellt jedoch hohe Anforderungen an Materialauswahl, Prozesskontrolle und Fertigungstechnik.

Moderne Hotmelt-Anlagen und -Materialien sorgen für flexible Verarbeitung
Moderne Hotmelt-Anlagen und -Materialien sorgen für flexible Verarbeitung und hohe Qualität bei der Ummantelung elektronischer Komponenten.
Hotmelt umhüllt elektronische Baugruppen zuverlässig und schützt sie vor mechanischen und umweltbedingten Belastungen.

Coburg im Februar 2025: Zwei Verletzte, als ein Linienbus ohne Fahrer aber mit 21 Passagieren an Bord trotz angezogener Handbremse plötzlich beschleunigt und erst an einer Böschung wieder zum Stehen kommt. Der Fahrer war ausgestiegen, um eine Fehlermeldung zu überprüfen. Die Ursache: Ein Defekt in der Fahrzeugelektronik.

Elektronische Komponenten steuern, regeln, messen und kommunizieren in Fahrzeugen, Maschinen, Haushaltsgeräten und industriellen Anlagen. Gleichzeitig sind sie vielfältigen Belastungen ausgesetzt: Feuchtigkeit, Staub, Temperaturschwankungen, Vibrationen, mechanischen Schocks oder chemischen Einflüssen. Ohne geeigneten Schutz drohen Ausfälle, Kurzschlüsse, Korrosion oder mechanische Beschädigungen – mit gravierenden Folgen für Funktion, Lebensdauer und Zuverlässigkeit der Endprodukte.

Schutzverfahren im Überblick

Für Elektronik-Produzenten stellt sich daher die zentrale Frage: Wie lässt sich Elektronik wirtschaftlich und effektiv gegen diese Einflüsse absichern, ohne dabei die Fertigungsprozesse unnötig zu verkomplizieren oder die Kosten zu sprengen?

Zu den wichtigsten Verfahren zum Schutz elektronischer Baugruppen zählen:

  • Vergießen (Potting): Hierbei werden elektronische Bauteile vollständig mit Gießharzen wie Epoxid, Polyurethan oder Silikon umhüllt. Potting bietet exzellenten Schutz gegen Feuchtigkeit, Chemikalien, mechanische Einwirkungen und Temperaturschwankungen. Die Harze sorgen zudem für elektrische Isolation und können thermisch leitfähig eingestellt werden.
    • Vorteile: Höchster Schutz, sehr langlebig.
    • Nachteile: Lange Aushärtezeit, erschwerte Reparatur.
  • Conformal Coating (Schutzlackierung): Dünne Lackschichten werden durch Sprühen, Tauchen oder selektives Dispensen auf die Leiterplatte aufgebracht. Diese Methode schützt vor Feuchtigkeit, Staub und Korrosion, erhält jedoch die Zugänglichkeit der Bauteile für spätere Reparaturen. Die Schutzwirkung ist begrenzt, insbesondere gegen starke mechanische Beanspruchung oder vollständiges Eintauchen in Flüssigkeiten.
    • Vorteile: Geringe Kosten, einfache Nacharbeit.
    • Nachteile: Begrenzter Schutz, nicht für extreme Beanspruchung.
  • Kleben und Abdichten: Klebstoffe dienen zur Fixierung und Abdichtung einzelner Komponenten oder Steckverbindungen. Sie bieten gezielten Schutz, sind aber kein vollumfänglicher Ersatz für umfassende Schutzverfahren.
    • Vorteile: Flexibel einsetzbar, schnelle Anwendung.
    • Nachteile: Lokaler Schutz, keine Ganzheitlichkeit.
  • PUR-Verguss: Polyurethan-Systeme bieten eine kostengünstige Alternative insbesondere bei großen Stückzahlen und für Anwendungen, bei denen eine flexible Anpassung der Materialeigenschaften (von weich bis schlagzäh) gewünscht ist. Sie eignen sich gut für das Ausfüllen feiner Spalten und bieten zuverlässigen Schutz bei geringen Verarbeitungstemperaturen.
    • Vorteile: Preisgünstig, variable Eigenschaften.
    • Nachteile: Geringere Festigkeit, mögliche Feuchtigkeitsaufnahme.

Jedes dieser Verfahren hat spezifische Vor- und Nachteile, die je nach Anwendungsfall und Anforderungen abzuwägen sind.

Als besonders effektive Methode, um elektronische Komponenten vor mechanischen und umweltbedingten Belastungen zu schützen, hat sich in den letzten Jahren das Hotmelt-Verfahren etabliert, auch als Niederdruckspritzguss oder Hotmelt Moulding bekannt. Im Kern handelt es sich um ein Spritzgussverfahren, bei dem thermoplastische Klebstoffe (meist auf Basis von Polyamid oder Polyolefinen) unter niedrigem Druck und bei moderaten Temperaturen (typisch 180–230 °C) verarbeitet werden. Die Elektronik wird dabei in ein speziell gefertigtes Werkzeug eingelegt und anschließend mit dem aufgeschmolzenen Hotmelt-Material umspritzt. Die Verarbeitung erfolgt bei Drücken von 4–10 bar, was die empfindlichen Bauteile schont und eine schnelle, stressfreie Umhüllung ermöglicht.

Hotmelt: Vorteile & Einsatz

Eine präzise Werkzeugkonstruktion ermöglicht die optimale Formgebung und den Schutz empfindlicher Elektronik durch das Hotmelt-Verfahren

Ein wesentlicher Vorteil des Hotmelt-Verfahrens liegt in der Kombination von Schutz und Formgebung in einem einzigen Prozessschritt: Das Material übernimmt nicht nur die Funktion eines Gehäuses, sondern schützt die Elektronik gleichzeitig zuverlässig vor Feuchtigkeit, Staub, Chemikalien, Vibrationen und mechanischen Belastungen. Die resultierende Ummantelung ist formstabil, flexibel anpassbar und kann konstruktive Aufgaben wie Zugentlastung, Knickschutz oder Berührschutz übernehmen. Durch die niedrigen Verarbeitungstemperaturen und -drücke ist Hotmelt besonders für sensible Komponenten, Stecker, Sensoren, Kabelkonfektionen und Leiterplatten geeignet, bei denen klassische Hochdruck-Spritzgussverfahren zu Schäden führen würden.

Hotmelt punktet zudem mit kurzen Zykluszeiten, schneller Aushärtung und vergleichsweise geringen Werkzeugkosten (ab ca. 5.000 €), was für die Wirtschaftlichkeit auch bei mittleren Stückzahlen sorgt. Ein weiterer Pluspunkt ist die Umweltfreundlichkeit: Moderne Hotmelt-Granulate sind lösemittelfrei, vielfach aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt und lassen sich sortenrein verarbeiten. Die Materialeigenschaften – wie Härte, Flexibilität, Temperaturbeständigkeit, Haftung oder Wasseraufnahme – können gezielt an die jeweilige Anwendung angepasst werden.

Typische Einsatzgebiete für das Hotmelt-Verfahren sind:

Lacon Electronic ist in der Lage, den gesamten Hotmelt-Prozess von der Entwicklung über die Fertigung bis zur Endprüfung aus einer Hand abzudecken.
  • Kabelkonfektionen und Steckverbindungen, die mechanisch beansprucht und vor Feuchtigkeit geschützt werden müssen.
  • Sensoren und elektronische Baugruppen im Automotive-, Defense- und Maschinenbaubereich, die extremen Umweltbedingungen ausgesetzt sind.
  • Miniaturisierte Elektronikeinheiten, bei denen eine platzsparende, individuelle Gehäuseform gefordert ist.
  • Anwendungen mit Anforderungen an hohe Schutzarten (bis IP69), etwa in der Landtechnik, Medizintechnik oder Gebäudetechnik.

Die Einführung des Hotmelt-Verfahrens in die Fertigung stellt Unternehmen vor spezifische Herausforderungen. Zunächst ist eine sorgfältige Auswahl und Qualifizierung der Hotmelt-Materialien erforderlich – Faktoren wie Feuchtegehalt, Viskosität, Haftung, Temperatur- und Medienbeständigkeit müssen exakt auf die Elektronik und den Einsatzzweck abgestimmt werden. Die Werkzeugkonstruktion verlangt hohe Präzision, um eine optimale Formgebung, Entlüftung und Entformung zu gewährleisten. Die Prozessparameter – Materialtemperatur, Fülldruck, Vergusszeit, Werkzeugtemperatur und Abkühlphase – müssen exakt kontrolliert und dokumentiert werden, um gleichbleibend hohe Qualität zu erzielen.

Engineering und Qualitätssicherung

Die mehrstufige Qualitätssicherung sorgt für die gleichbleibend hohe Produktqualität im Hotmelt-Prozess.

Spezialisierte EMS-Dienstleister wie Lacon Electronic verfügen daher über modernste Fertigungsanlagen, die eine flexible Verarbeitung unterschiedlichster Hotmelt-Werkstoffe ermöglichen, etwa Polyamid, Polyolefin, Polyester oder Polyurethan. Die Anlagen erlauben kurze Rüstzeiten, schnelle Materialwechsel und eine präzise Steuerung aller Prozessparameter. Für die Qualitätssicherung sind mehrstufige Prüfverfahren unerlässlich: Bereits vor dem Verguss werden Material und Werkzeug auf Kompatibilität geprüft, während des Prozesses werden Temperatur, Druck und Fließverhalten kontinuierlich überwacht, und nach dem Verguss erfolgt eine optische und gegebenenfalls gewichtsgesteuerte Kontrolle der fertigen Teile. Nur durch diese lückenlose Überwachung lassen sich Fehler frühzeitig erkennen und eine gleichbleibend hohe Produktqualität ermöglichen.

Darüber hinaus ist eine enge Verzahnung von Engineering, Werkzeugbau, Fertigung und Qualitätssicherung erforderlich. Die Entwicklung kundenspezifischer Lösungen beginnt mit einer Machbarkeitsanalyse und der Auswahl geeigneter Materialien, gefolgt von der Konstruktion individueller Werkzeuge und der Definition aller Prozessparameter. Im laufenden Betrieb müssen die Anlagen regelmäßig gewartet, die Mitarbeiter geschult und die Prozesse kontinuierlich optimiert werden, um auch bei wechselnden Anforderungen und Stückzahlen flexibel und effizient produzieren zu können.

Lacon Electronic ist so in der Lage, den gesamten Prozess von der Entwicklung über die Fertigung bis zur Endprüfung aus einer Hand abzudecken. Das Unternehmen verfügt über langjährige Erfahrung in der Auswahl und Verarbeitung unterschiedlichster Schutzverfahren – von der Schutzlackierung über den Gießharzverguss bis hin zum Hotmelt-Moulding. Modernste Lackieranlagen ermöglichen die präzise und selektive Beschichtung auch komplexer Baugruppen, während Hotmelt-Anlagen flexibel für unterschiedliche Materialien und Geometrien ausgelegt sind. Die Einhaltung relevanter Normen (z. B. IPC-Standards) und ein umfassendes Qualitätsmanagement sichern eine konstant hohe Produktqualität. Kunden profitieren von einer durchgängigen Prozesskette, die von der Beratung und Materialauswahl über den Prototypenbau bis zur Serienfertigung reicht, ergänzt durch innovative Prüf- und Testverfahren zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit und Langlebigkeit der Elektronik. So bietet Lacon Electronic eine neutrale, leistungsfähige Plattform für den umfassenden Schutz elektronischer Komponenten – unabhängig davon, ob Hotmelt, Conformal Coating oder andere Verfahren zum Einsatz kommen.

Der Autor

Ralf Gadow, Abteilungsleiter Fertigungsbereich Elektronik - THT, Lacon Electronic, Karlsfeld