
Intel hat laut Berichten massive Stellenstreichungen angekündigt. Rund 20 Prozent der Belegschaft sollen betroffen sein – eine Maßnahme mit tiefgreifenden Folgen. (Bild: Ken Wolter – Adobe Stock)
Der angeschlagene Chipriese Intel steht vor einem massiven Personalabbau. Wie Bloomberg unter Berufung auf einen Insider berichtet, plant das Unternehmen, rund 20 Prozent seiner Belegschaft zu entlassen. Die Ankündigung soll noch diese Woche erfolgen und wäre die erste große Restrukturierungsmaßnahme unter dem neuen CEO Lip-Bu Tan, der erst vor einem Monat sein Amt angetreten hat.
Umfassende Neuausrichtung unter Tan
Die geplanten Entlassungen sind Teil einer umfassenden Strategie zur Neuausrichtung des Unternehmens. Laut Bloomberg zielt die Maßnahme darauf ab, bürokratische Ineffizienzen abzubauen und die Betriebsabläufe zu rationalisieren. Die Entscheidung soll dazu beitragen, Managementstrukturen zu straffen und die Unternehmenskultur wieder stärker auf Innovation auszurichten.
Tan hatte bereits kurz nach seiner Amtsübernahme die Belegschaft auf "schwierige Entscheidungen" eingestimmt. Nach drei aufeinanderfolgenden Jahren mit Umsatzrückgängen und steigenden Verlusten will der neue Intel-Chef das Unternehmen grundlegend umkrempeln.
Nicht der erste Stellenabbau
Dies ist nicht der erste große Stellenabbau bei Intel in jüngster Zeit. Bereits im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen rund 15.000 Stellen gestrichen – etwa 15 Prozent der damaligen Belegschaft. Ende 2023 beschäftigte Intel noch 108.900 Mitarbeiter, deutlich weniger als die knapp 125.000 im Jahr zuvor.
Tiefgreifende Probleme bei Intel
Die Schwierigkeiten des Chipherstellers haben sich über viele Jahre hinweg aufgebaut. Intel versäumte es bereits kurz nach der Jahrtausendwende, konkurrenzfähige Chips für den lukrativen Markt der Smartphones und Tablets zu entwickeln.
Eine Analyse von SemiAnalysis geht noch weiter zurück und identifiziert einen kulturellen Wandel unter Paul Otellini, dem ersten nicht-technischen CEO von Intel, als Beginn des Niedergangs. Unter seiner Führung wurden technische Entscheidungen zugunsten politischer Machtspiele verdrängt. Die einst produktive "Andy-Grove-Kultur der konstruktiven Konfrontation" wich einem System von internen Machtkämpfen.
Auch in seinen Kernmärkten gerät Intel zunehmend unter Druck:
- Der Konkurrent AMD hat Intel technologisch überholt
- Qualcomm dringt mit alternativen Chip-Designs in den Server-Markt ein
- Bei KI-Chips konnte Intel nichts Konkurrenzfähiges anbieten, was zum Aufstieg von Nvidia führte
- Selbst bei der Fertigung, einem traditionellen Stärkebereich von Intel, hat das Unternehmen den Anschluss verloren
Der Verlust der Wettbewerbsvorteile
Intel profitierte jahrzehntelang von zwei entscheidenden Wettbewerbsvorteilen: seiner führenden Prozesstechnologie und der Dominanz der x86-Architektur. Beide Vorteile sind heute weitgehend verschwunden. Die x86-Architektur verliert an Bedeutung, da ARM-basierte Prozessoren in PCs und Servern zunehmend Marktanteile gewinnen. Apple hat mit seinen M-Chips gezeigt, dass ARM-basierte Prozessoren nicht nur energieeffizienter, sondern auch leistungsstärker sein können.
Im Datacenter-Bereich setzen große Cloud-Anbieter wie AWS, Google und Microsoft zunehmend auf eigene ARM-basierte Chips, was Intels traditionelle Dominanz bedroht.
Tans Strategie für die Zukunft
Lip-Bu Tan, ein erfahrener Branchenkenner, hat drei Hauptmaßnahmen identifiziert, um Intel wieder auf Kurs zu bringen:
- Verlorene Fachkräfte ersetzen und technische Talente zurückgewinnen
- Die Bilanz verbessern
- Fertigungsprozesse besser auf die Bedürfnisse potenzieller Kunden abstimmen
Eine zentrale Rolle spielt dabei die Zukunft von Intel Foundry Services. Die Analyse von SemiAnalysis betont die strategische Bedeutung dieses Geschäftsbereichs nicht nur für Intel, sondern für die gesamte westliche Welt, die sonst stark von TSMC abhängig wäre. Die Autoren empfehlen sogar drastische Maßnahmen wie den Verkauf der Produktgruppen, um sich auf das Foundry-Geschäft zu konzentrieren.
Marktreaktion auf die Intel Ankündigung
An der Börse wurden die Nachrichten über den geplanten Stellenabbau positiv aufgenommen. Die Intel-Aktie legte im vorbörslichen Handel an der NASDAQ zeitweise um 3,28 Prozent zu. Allerdings hat das Papier im laufenden Jahr bereits rund 60 Prozent an Wert verloren – in einem ansonsten freundlichen Marktumfeld für Halbleiterwerte.
Die Anleger hoffen nun, dass der neue CEO den dringend benötigten Turnaround einleiten kann, warnen jedoch gleichzeitig vor einem längeren Transformationsprozess. Tan selbst hat bereits angedeutet, dass die Wende Zeit brauchen wird.
Pat Gelsingers umstrittene Amtszeit und Entlassung
Lip-Bu Tan ist der Nachfolger von Pat Gelsinger, der nach einer kontroversen Amtszeit vom Intel-Vorstand entlassen wurde. Laut der Analyse von SemiAnalysis war diese Entscheidung äußerst problematisch, da Gelsinger gerade dabei war, wichtige strukturelle Probleme bei Intel anzugehen. Die Analyse bezeichnet die Entlassung Gelsingers als fatalen Fehler: "Der Vorstand hat leider die Nerven verloren, bevor der Beginn von Gelsingers Umkehrplan sichtbar wurde."
Gelsinger hatte in seiner letzten Vorstandssitzung einen aktualisierten Investitionsplan vorgestellt, der weiterhin erhebliche Investitionen in Intel Foundry Services vorsah. Der Vorstand war jedoch mit diesem Plan unzufrieden und entschied sich für seine Entlassung. Dabei hatte Gelsinger bereits begonnen, viele der strukturellen und kulturellen Probleme zu adressieren, die Intel seit Jahren plagten.
Unter Gelsingers Führung verfolgte Intel eine Strategie, die auf zwei Hauptpfeilern beruhte:
- Stärkung der Fertigungskapazitäten: Gelsinger wollte Intel als Auftragsfertiger (Foundry) für andere Chiphersteller etablieren, um die teuren Produktionsanlagen besser auszulasten.
- Technologische Aufholjagd: Nach Jahren des Rückstands gegenüber TSMC sollte Intel wieder zur technologischen Spitze aufschließen.
Allerdings hatte Gelsinger auch mit erheblichen Herausforderungen zu kämpfen:
- Die KI-Strategie mit Gaudi 3 und Falcon Shores war laut Analysten fehlerhaft, was Intel daran hinderte, vom boomenden Markt für generative KI zu profitieren.
- Nach dem Scheitern der Übernahme von Tower Semiconductor aufgrund regulatorischer Hindernisse fehlte ein Plan B für den Ausbau des Foundry-Geschäfts.
- Intel hatte einen schlechten Ruf im Kundenumgang entwickelt, während Konkurrent TSMC durch einen kundenorientierten Ansatz punktete.
Die Autoren der SemiAnalysis-Analyse beschreiben Gelsinger trotz seiner Schwächen als "qualifizierten Kandidaten, der den Job wollte" und kritisieren, dass der Vorstand ihm nicht genug Zeit gab, seine Strategie umzusetzen. Sie vermuten sogar, dass Intel heute "größtenteils schlechtere Optionen" hat als Gelsinger, der als Technologe die kulturellen und technischen Probleme des Unternehmens anging. Sein Nachfolger steht nun vor der Herausforderung, Intels Zukunft zu sichern – eine Geduld, die man Gelsinger nicht gewährt hatte.