
Damit die Halbleiterfertigung in Europa und Deutschland wettbewerbsfähig bleibt, sind Investitionen nötig. (Bild: Maxence Pira @ Unsplash)
Im Anbetracht des globalen Material- und Halbleitermangels begann der ZVEI sein Pressegespräch zur Zukunftsstrategie und Marktentwicklung Halbleiter mit den Basics der Halbleiterfertigung. Stephan zur Verth, Vorsitzender der ZVEI-Fachgruppe Halbleiter-Bauelemente, erklärte das die Halbleiterfertigung umfangreich sei und die Entwicklung und Fertigung mehrere Jahre dauern kann (siehe Bildergalerie). Außerdem können Hersteller auf erhöhte Kapazitäten nur verzögert reagieren, da es zur Erweiterung der Reinräume bis zu 24 Monate braucht. Noch kosten- und zeitintensiver wäre gar der Bau einer neuen Fertigungsanlage.
Generell ist der Halbleiter aber weiter auf einem positiven Kurs. „Weltweit wächst der Halbleitermarkt im laufenden Jahr zwischen 21 und 27 Prozent auf 533 bis 559 Milliarden US-Dollar“, sagte zur Verth. Das sei vor allem zurückzuführen auf die Digitalisierung sowie die grüne Transformation mit ihrer großen Nachfrage nach CO2-mindernden Technologien.
Auch der europäische Markt entwickelt sich 2021 sehr gut. Dieser wächst im laufenden Jahr um rund 20 Prozent auf 45 Milliarden Dollar. Ähnlich ist die Entwicklung in Deutschland: Hier verzeichnet der Markt ebenfalls ein hohes Umsatzwachstum von etwa 20 Prozent auf 14 Milliarden Dollar. Die Prognose des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie für den Halbleitermarkt fällt deshalb optimistisch aus: „Im kommenden Jahr erwarten wir weltweit eine Umsatzsteigerung in der Spanne von vier bis zehn Prozent auf 556 bis 615 Milliarden Dollar“, prognostiziert zur Verth. Für Europa geht der Verband von einem Wachstum von acht Prozent auf 49 Milliarden Dollar aus.
Entwicklung des weltweiten Halbleitermarkts

Von der Idee zum fertigen Chip kann es mehrere Monate dauern, die Zeit kann sich allerdings auch merkbar erhöhen, wenn auch noch die Produktentwicklung hinzukommt bzw. ein Chip-Design notwendig ist. Infolgedessen können Halbleiterhersteller oft nur zeitverzögert reagieren. Das Schaffen neuer Kapazitäten ist aber oft auch nicht möglich, denn es würde bis zu 24 Monate dauern, bis neue bzw. zusätzliche Kapazitäten verfügbar wären. (Bild: ZVEI)

Aufgrund der verschiedenen Anforderungen der einzelnen Anwendungen sind verschiedene Strukturgrößen nötig. Nur so können die Anforderungen optimal bedient werden. Da Europa stark vom Automotive- und Industrial-Sektor geprägt ist, kommen hier vor allem Strukturgrößen zwischen 65 – 800 nm sowie < 65 nm zum Einsatz. Dagegen werden Strukturgrößen < 40 nm eher in der von Consumer-Elektronik geprägten asiatischen Industrie gebraucht. Aufgrund dieser vielfältigen Einsatzgebiete ist auch noch keine Technologie vom Markt verschwunden. (Bild: ZVEI)

In Europa orientiert sich leading edge am realen Bedarf und damit am Automotive-Markt. Durchschnittlich befinden sich 960 Halbleiter im Auto, wobei die Strukturgrößen von 16 nm bis >1 µm reichen – abhängig von der Anwendung. (Bild: ZVEI)

In Europa gehen 63 Prozent aller produzierten Halbleiter in den Automotive- (37 Prozent) und Industrial-Sektor (26 Prozent). Mit 5 Prozent spielt die Konsumer-Elektronik nur eine geringe Rolle am europäischen Markt. (Bild: ZVEI)

Im weltweiten Vergleich liegt der Produktionsanteil Europas bei rund 8 Prozent und damit nur auf Platz 6 im weltweiten Vergleich. Dementsprechend abhängig ist Europa bei den Halbleitern vom Rest der Welt. Die EU hat deshalb das Ziel gesetzt, den europäischen Anteil an der weltweiten Halbleiterproduktion auf 20 Prozent zu erhöhen. Ein hoch ambitioniertes Ziel... (Bild: ZVEI)

Wenn man davon ausgeht, dass sich der weltweite Halbleitermarkt bis 2030 auf eine Billion US-Dollar verdoppelt, muss Europa seine Investitionen ebenfalls verdoppeln, nur um die 8 Prozent Marktanteil zu halten. Will man den Marktanteil auf 20 Prozent ausbauen, müssen sich die Produktionskapazitäten um den Faktor 5 erhöhen. Sollten andere Marktteilnehmer ebenfalls ihre Investitionen erhöhen, steigt dieser Faktor entsprechend. Länder wie Südkorea beispielsweise investieren bereits Milliardensummen in die Halbleiterbranche. (Bild: ZVEI)

Nach dem starken Rückgang 2019, bedingt durch gesamtwirtschaftliche Unsicherheiten und zurückgehende Anwendungen für Speicher, hat sich der Halbleitermarkt wieder erholt und soll in diesem Jahr ein Gesamtvolumen von mindestens 533 Milliarden US-Dollar erreichen. Für 2022 prognostiziert der ZVEI ein Wachstum zwischen 4 und 10 Prozent. (Bild: ZVEI)
Europa stark bei Leistungs- und Smart-Power-Bauelementen
Europas Halbleiterindustrie wächst vor allem in den Bereichen Automotive und Industrial. Gerade dort können Hersteller wie Infineon und NXP ihre Stärken im Bereich der Leistungselektronik bzw. bei Konnektivitätslösungen ausspielen. In diesen Bereichen sind auch nicht zwingend kleine Strukturgrößen < 10 nm nötig, vielmehr bieten hier größere Technologieknoten verschiedene Vorteile, weshalb auch noch keine Strukturgröße gänzlich vom Markt verschwunden ist.
Rund 23 Prozent aller Chips werden in Fabriken in China produziert, allerdings handelt es sich hierbei größtenteils nicht um chinesische Firmen. Am Standort Europa werden nur 8 Prozent gefertigt, während in den USA rund 10 Prozent der weltweiten Chips erzeugt werden.
Auf der anderen Seite werden weltweit 50 Prozent aller Chips von US-Unternehmen designt und entwickelt. Dagegen werden nur 5 Prozent aller Chips von chinesischen Unternehmen designt und entwickelt. Europa besitzt mit einem Anteil von 9 Prozent aktuell noch einen nahezu doppelt so hohen Anteil wie China.
Halbleiter-Standort Europa sichern und ausbauen
Um den Standort Europa bzw. Deutschland zu sichern und stärken, fordert der ZVEI, die Forschung und Entwicklung in kritischen Zukunftsmärkten auszubauen sowie eigenes Schlüssel-IP zu entwickeln. Zudem sollen zusätzliche Fertigungskapazitäten aufgebaut werden, ausgelegt für Leading-Edge-Technologie. Diese soll sich aber am realen Bedarf orientieren. Für den aktuellen Versorgungsengpass gibt es laut zur Verth keine kurzfristige politische Lösung. Allerdings müssen globale Wertschöpfungsnetzwerke erhalten werden, wobei die Industrie für eine resiliente Gestaltung sorgen muss. Weiterhin fordert der ZVEI eine schnelle Notifikation des Projektes IPCEI Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie, um 2022 bereits Projekte beginnen zu können und um Vorbereitungen für weitere IPCEI nach 2025 zu forcieren. Zur Verth steht dem Projekt positiv gegenüber: „Der ZVEI hat von Beginn an am IPCEI mitgearbeitet und setzt sich momentan dafür ein, dass das Projekt Fahrt aufnimmt. Vorhaben wie IPCEI, der European Chips Act, die europäische Industrieallianz für Prozessoren und Halbleitertechnik müssen schnellstmöglich angegangen werden, damit wir in Deutschland und Europa ein attraktives Investitionsklima gestalten können.“
Trotz Halbleitermangel und Coronapandemie ist der Markt aber dennoch in Bewegung. Gerade bei den Fusionen und Übernahmen der letzten Jahre macht sich das bemerkbar. Gerade 2020 kam es zu mehreren Firmenübernahmen:
- ADI kauft Maxim (20,9 Milliarden US-Dollar)
- AMD erwirbt Xilinx (35 Milliarden US-Dollar)
- Nvidia will ARM übernehmen (40 Milliarden US-Dollar, Übernahme noch nicht freigegeben)
2019 zählten die Übernahmen von Cypress durch Infineon (10 Milliarden US-Dollar) sowie Symantec durch Broadcom (10 Milliarden US-Dollar) zu den größten Transaktionen. 2021 bezahlte Renesas rund 5,9 Milliarden US-Dollar und ist damit die bisher teuerste Firmenakquise für dieses Jahr. (prm)
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