AEK 2025: Zwischen Vision und Verantwortung

Die Zukunft der Künstlichen Intelligenz in der Auto-Industrie

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Armin Prommersberger, CTO bei Harman, forderte auf dem AUTOMOBIL- ELEKTRONIK Kongress 2025 mehr Mut zu Nutzerzentrierung, kürzeren Entwicklungszyklen und empathischer Fahrzeugsoftware: „Wahrscheinlich bauen wir keine Maschinen mehr – wir bauen Roboter.“
Armin Prommersberger, CTO bei Harman, war einer von vielen Redner, die auf dem AUTOMOBIL-ELEKTRONIK Kongress 2025 KI zum Thema machten. Die Ansichten und Konsequenzen bezüglich der Technik unterschieden sich jedoch.

Auf dem AUTOMOBIL-ELEKTRONIK Kongress 2025 war KI eines der zentralen Themen und trat dabei vielschichtig auf: als Treiber technischer Innovation, als Risiko und als Schlüssel zu neuen Fahrzeugkonzepten. Was die Speaker zu dem Thema sagten.

Natürlich, so möchte man sagen, hat sich das Thema Künstliche Intelligenz (KI) auf dem Automobil-Elektronik Kongress 2025 (AEK 2025) als eines der dominierenden herauskristallisiert. Aktuell kommt man an KI einfach nicht vorbei. Aber wie sieht ihre Zukunft im Auto aus? Auf jeden Fall vielschichtig: Sie wurde nicht nur als technologische Grundlage softwaredefinierter Fahrzeuge behandelt, sondern auch als gesellschaftlich und sicherheitstechnisch relevantes Feld und sogar der Aspekt der Sicherheit kam zur Sprache. Chairman Ricky Hudi stellte klar: „Künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig. Und beeinflusst fast alles. Sowohl im Produkt selbst, als auch in den Entwicklungs-, Produktionsprozessen und über den gesamten Lebenszyklus hinweg.“

Das wurde auch in den Vorträgen deutlich. Nicht jeder hatte das Wort KI im Titel stehen, aber an der ein oder anderen Stelle streiften die Referenten das Thema dann doch.

Allgegenwart und Disruption: KI als Gamechanger

Dr. Salil Raje (AMD) formulierte es folgendermaßen: „Die nächste Grenze? Wird KI am Edge sein.“ Sie werde unser Leben grundlegend verändern – nicht abstrakt, sondern konkret im Auto. Armin Prommersberger von Harman brachte es auf den Punkt: „Wahrscheinlich bauen wir keine Maschinen mehr – wir bauen Roboter.“ Dr. Olaf Müller (BMW) betonte in seinem Vortrag „Architecture Paradigms for AI empowered Automotive Experiences“: „Fahrzeuge müssen sich zu intelligenten, ganzheitlichen Begleitern entwickeln.“ Nicht umsonst gilt KI als die transformativste Technologie der letzten 50 Jahre.

Video-Interview Dr. Olaf Müller, Leiter der AI-Architektur bei BMW

Im Interview auf dem AUTOMOBIL-ELEKTRONIK Kongress 2025 erklärt Dr. Olaf Müller, Leiter der AI-Architektur bei BMW, dass die rasante Entwicklung der KI-Technologie einen grundlegenden Wandel erfordert – insbesondere bei den Entwicklungsprozessen und der Rollenverteilung innerhalb des Unternehmens. Die klassische Fahrzeugentwicklung sei mit der Geschwindigkeit der heutigen KI-Entwicklung nicht mehr kompatibel. Künstliche Intelligenz werde langfristig nicht nur als Werkzeug genutzt, sondern definiere Prozesse und Kompetenzen neu. Auch die Zusammenarbeit mit externen Partnern befindet sich in einer Neuausrichtung, wobei Open-Source-Modelle eine zunehmend wichtige Rolle spielen.

BMW setzt auf eine breite Plattformstrategie und kontextbasierte Modelle, um KI-gestützte Nutzererlebnisse zu ermöglichen. Dabei geht es nicht darum, sich durch proprietäre Plattformen abzugrenzen, sondern um die bestmögliche Kundenerfahrung, auch durch branchenübergreifende Kooperationen. Initiativen wie S-CORE zeigen, wie Open Source und gemeinsame Standards konkret zum Einsatz kommen. Laut Müller sei nicht nur Technologie entscheidend, sondern ein umfassender Wandel in Denkweise und Unternehmenskultur.

KI im Fahrzeug: Von Assistenz zu Empathie

Und schon heute entwickeln sich KI-Systeme im Fahrzeug rasant weiter – vom einfachen Fahrassistenten hin zum empathischen Begleiter. Harman demonstrierte dies beispielsweise mit dem Avatar „Luna“, einem KI-gesteuerten Empfehlungssystem, das in Echtzeit auf zentralen Fahrzeugrechnern läuft und den Fahrer nicht nur versteht, sondern auch vorausschauend unterstützt. Die Idee: weg von isolierten Funktionen, hin zu einem ganzheitlichen Nutzererlebnis.

Auch BMW verfolgt diese Vision. Dr. Olaf Müller betonte, dass Fahrzeuge zu intelligenten, adaptiven Begleitern werden müssen – ausgestattet mit GenAI und lokaler Wissensbasis. Der neue Assistent soll dabei argumentieren können, statt nur zu reagieren.

Im Bereich Fahrersicherheit präsentierte CorrActions eine KI-Lösung, die ganz ohne Kamera den kognitiven Zustand des Fahrers erkennt – etwa Müdigkeit, Ablenkung oder Alkoholeinfluss – allein anhand von Sensoren wie Sitz- oder Lenkradsignalen. Ziel sei es, Leben zu retten, bevor es kritisch wird.

Gleichzeitig arbeiten Bosch und Cariad an KI-basierten Umgebungsmodellen, um das automatisierte Fahren menschenähnlicher zu machen. Der Anspruch: „Code to Road in 12 Stunden.“ Horizon Robotics verfolgt mit Urban NOA in China einen ähnlichen Weg, kombiniert mit KI-Agentenlogik. Continental fokussiert auf autonome Trucks mit Service-orientiertem Geschäftsmodell.

Save the date: 30. Automobil-Elektronik Kongress

Save the Date! Der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK Kongress findet 2026 am 16. und 17. Juni statt.
Save the Date! Der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK Kongress findet 2026 am 16. und 17. Juni statt.

Am 16. und 17. Juni 2026 findet zum 30. Mal der Internationale Automobil-Elektronik Kongress (AEK) statt. Dieser Netzwerkkongress ist bereits seit vielen Jahren der Treffpunkt für die Top-Entscheider der Elektro-/Elektronik-Branche und bringt nun zusätzlich die Automotive-Verantwortlichen und die relevanten High-Level-Manager der Tech-Industrie zusammen, um gemeinsam das ganzheitliche Kundenerlebnis zu ermöglichen, das für die Fahrzeuge der Zukunft benötigt wird. Trotz dieser stark zunehmenden Internationalisierung wird der Automobil-Elektronik Kongress von den Teilnehmern immer noch als eine Art "automobiles Familientreffen" bezeichnet.

Sichern Sie sich Ihr(e) Konferenzticket(s) für den 30. Automobil-Elektronik Kongress (AEK) im Jahr 2026! Folgen Sie außerdem dem LinkedIn-Kanal des AEK und #AEK_live.

Im Channel zum Automobil-Elektronik Kongress finden Sie Rück- und Vorberichterstattungen sowie relevanten Themen rund um die Veranstaltung.

Auf dem AEK 2025 Dr. Olaf Müller, BMW: „Fahrzeuge müssen sich zu intelligenten, ganzheitlichen Begleitern entwickeln.“ (Bild: Matthias Baumgartner)
Dr. Olaf Müller, BMW: „Fahrzeuge müssen sich zu intelligenten, ganzheitlichen Begleitern entwickeln.“

KI in der Entwicklung: Automatisiert, datengetrieben, orchestriert

Auch bei der Fahrzeugsoftware selbst ist KI längst nicht mehr Beiwerk. Microsoft zeigte eindrucksvoll, wie Multi-Agenten-Systeme die komplette Entwicklungspipeline unterstützen können – von der Anforderungserhebung über automatisierte Codegenerierung bis hin zur Testabdeckung. Entscheidend sei dabei die Orchestrierung, wie Dr. Rupert Stützle betonte: Nicht die Agenten selbst seien die Herausforderung, sondern ihr Zusammenspiel. Ähnlich äußerte sich Magnus Östberg, CTO bei Mercedes-Benz: „Wer 100 Einzel-Agenten manuell steuert, wird nicht produktiver.“

Für Dr. Jim Walsh von GlobalLogic ist klar: Das klassische zeilenweise Programmieren stirbt aus. Stattdessen übernehmen KI-Systeme immer mehr die Rolle des aktiven Entwicklungspartners – mit dem Menschen als prüfender Instanz. Walsh betonte, dass generative KI heute vor allem dazu dienen sollte, die Qualität zu steigern – nicht um Kosten zu sparen.

Virtuelle Teststände gewinnen ebenfalls an Bedeutung. Anup Sable von KPIT wies darauf hin, dass sie reale Tests nicht ersetzen, sondern sinnvoll ergänzen. Frühzeitige, automatisierte Validierung kann Zeit sparen und Fehlerquellen minimieren.

Alles Infos zur Konferenz Automotive Software Strategy

Am 19. und 20. Mai 2026 findet in München die 6. Konferenz Automotive Software Strategy statt. Zu den Themen zählen unter anderem das Software-Defined Architectures, intelligentes Datensammeln sowie Safety&Security.

Weitere Informationen zur Automotive Software Strategy finden Sie hier.

Sicherheit und Vertrauen: Die Schattenseiten der KI

So viel Potenzial KI auch bietet, sie bringt auch neue Risiken mit sich. Max Cheng von VicOne warnte eindringlich vor den Angriffsflächen generativer KI. Rund 45 Prozent aller Vorfälle mit KI-Sicherheitsbezug lassen sich laut ihm auf fehlerhafte oder manipulierte Modelle zurückführen. Sein Appell: Nur weil man ein Modell herunterlädt, ist es noch lange nicht sicher.

Er und andere forderten daher eine neue Sicherheitsebene – mit einem sogenannten AI-Guardian zur Laufzeitüberwachung, kombiniert mit systematischen Penetrationstests. Auch GlobalLogic und AMD sehen hier dringenden Handlungsbedarf.

Ein weiteres Problem ist die fehlende Deterministik: KI-Modelle lernen zwar ständig weiter, was sie auf der einen Seite besser macht, aber auf der anderen Seite auch schwerer nachvollziehbar. In sicherheitskritischen Anwendungen kann das zum Problem erwachsen.

Dazu kommt der regulatorische Druck: Nach dem Unfall mit dem Xiaomi SU7 hat die chinesische Regierung klare Vorgaben für KI im Fahrzeug erlassen. Dr. Liming Chen von Horizon Robotics sprach von einem „Weckruf“, der das Vertrauen in automatisiertes Fahren neu justieren soll.

Dr. Jason Chen, CEO von VicOne: „Wenn KI autonom handelt, erweitert sie die Möglichkeiten – aber auch die versteckten Angriffsflächen.“
Dr. Jason Chen, CEO von VicOne: „Wenn KI autonom handelt, erweitert sie die Möglichkeiten aber auch die versteckten Angriffsflächen.“

Strategien für die sichere KI-Integration

Die sichere Integration von Künstlicher Intelligenz ins Fahrzeug erfordert ein Zusammenspiel aus technischer Infrastruktur, Softwarearchitektur und Kulturwandel. Dr. Olaf Müller (BMW) betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Edge-KI. Entscheidungen müssen dort getroffen werden, wo sie anfallen, nämlich im Fahrzeug selbst. Das sichere Zusammenspiel aus Datenschutz, geringer Latenz und Verfügbarkeit mache Edge-Systeme zur bevorzugten Option für viele KI-Anwendungen.

Plattformisierung und Modularität gelten als Hebel, um KI-Erlebnisse über Fahrzeugklassen und Regionen hinweg konsistent und austauschbar zu gestalten. Basisfunktionen wie Sprachassistenten oder Umgebungswahrnehmung sollen über sogenannte „Foundational Models“ realisiert werden, die flexibel integriert und ausgetauscht werden können – je nach Markt oder OEM-Vorgabe.

Ricky Hudi betonte, dass nur Unternehmen erfolgreich sein werden, „die Komplexität, Standardisierung und Zusammenarbeit beherrschen“. Genau dafür steht die Open-Source-Initiative S-CORE. Elf Branchengrößen haben sich zusammengeschlossen, um einen zertifizierbaren, lauffähigen Software-Stack bereitzustellen. Keine Konzeptfolien mehr, sondern produktiver Code. „Wir setzen auf produktiven Code – keine Konzeptfolien mehr“, betonte Magnus Östberg (Mercedes-Benz) und machte damit klar, dass es bei der KI-Transformation um konkrete Ergebnisse gehe, nicht um Strategie-PowerPoint.

Doch Technik allein reicht nicht. Erneut Armin Prommersberger (Harman) brachte es auf den Punkt: „Verhaltensweisen zu ändern ist viel schwieriger, als Technologie zu ändern.“ Die KI-Transformation braucht also auch einen Wandel in Denkweise, Struktur und Unternehmenskultur.

Vision: Das KI-Fahrzeug als lernender Begleiter

In der Vision vieler Kongressteilnehmer wird das Auto künftig mehr als nur Transportmittel sein – es wird zu einem intelligenten Partner. Yong Han von Geely sprach davon, dass Fahrzeuge zunehmend KI, Telematik und Big Data kombinieren, um nicht nur autonom zu fahren, sondern sich als Knotenpunkt eines vernetzten Mobilitätsökosystems zu positionieren.

Dr. Liming Chen (Horizon Robotics) ergänzte die Vision um eine kulturelle Dimension: Das Auto als „dritter Raum“, ein Ort zwischen Zuhause und Arbeit, der durch KI personalisiert und funktional erweitert wird. Smartification – so sein Fazit – ist keine Option mehr, sondern die nächste logische Evolutionsstufe der Mobilität.

Dr. Olaf Müller (BMW) beschrieb ein Fahrzeug, das situativ denkt und handelt, bis hin zur Idee, dass es selbstständig erkennt, wann es an der Zeit ist, Blumen für den Hochzeitstag zu besorgen. Für manch einen mag diese Idee gruselig klingen... Doch eines wurde auf dem AUTOMOBIL-ELEKTRONIK Kongress deutlich: KI ist auch im Auto nicht mehr aufzuhalten. Natürlich gibt es Aspekte der Sicherheit, die es zu berücksichtigen gilt. Und keiner kann heute sagen, wo genau wir in Zukunft den "intelligenten" digitalen Helfer im Auto haben werden. Aber klar ist, die Einsatzmöglichkeiten sind so vielfältig, dass KI kommen wird. Möglicherweise wird es auf dem nächsten AEK, immerhin das 30. Jubiläum, noch konkrete Informationen geben. Dieser findet am 16. und 17. Juni 2026 statt.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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