Weißes Elektroauto mit eingestecktem Ladekabel, Hinweis auf CHARGETEC Konferenz am 27.–28. Mai 2025 im SZ-Tower München zur Ladeinfrastruktur

Bidirektionales Laden, China-Konkurrenz und Ladeinfrastruktur zählen zu den aktuellsten Themen in der Elektromobilität. Darüber gesprochen wird im Mai auf der nächsten Chargetec-Konferenz. Wir haben vorab Experten aus dem Fachbeirat zu ihrem Standpunkt zu diesen Themen gefragt – und teilweise gegensätzliche Antworten erhalten. (Bild: Ultima Media Germany)

Im Vorfeld der 5. Chargetec Konferenz, die am 27. und 28. Mai 2025 im SZ Hochhaus in München stattfindet, haben wir mit ausgewählten Sprechern und Mitgliedern des Fachbeirats über zentrale Themen der Ladeinfrastruktur gesprochen. Die Fachkonferenz beleuchtet unter anderem bidirektionales Laden, automatisiertes und induktives Laden, Hochleistungs- und Megawattladen sowie regulatorische Rahmenbedingungen.

Um ein aktuelles Meinungsbild aus der Praxis zu erhalten, haben wir vier profilierte Branchenstimmen befragt:

  • Dr. Lioudmila Simon, VP eMobility Innovation bei E.ON Group Innovation,
  • Thomas Nindl, Managing Director bei Brusa Elektronik,
  • Peter Gresch, Inhaber von PGUB Management Consultants und Vorsitzender des Fachbeirats,
  • sowie Marcel Hessel, Head of Charging bei MAN Truck & Bus.

Alle vier erhielten dieselben Fragen – ihre Antworten zeichnen ein vielschichtiges Bild von Chancen, Herausforderungen und notwendigen Veränderungen im Bereich Ladeinfrastruktur und Elektromobilität.

Bidirektionales Laden: Hoffnungsträger mit Hürden

Bidirektionales Laden bezeichnet die Fähigkeit von Elektrofahrzeugen, nicht nur Strom aus dem Netz zu beziehen, sondern bei Bedarf auch wieder ins Netz zurückzuspeisen – eben in zwei Richtungen. Damit wird das Fahrzeug zur aktiven Komponente im Energiesystem – ein Zwischenspeicher und Energiemanager auf Rädern. Bei den Befragten herrscht Einigkeit darin, dass bidirektionales Laden grundsätzlich enormes Potenzial hat – in technischer wie energiewirtschaftlicher Hinsicht. Marcel Hessel (MAN Truck & Bus) sieht darin eine „Schlüssel-Technologie zur Entlastung der Stromnetze“, insbesondere im Bereich schwerer Nutzfahrzeuge. Lioudmila Simon (E.ON Group Innovation) spricht von einer „Schwarmbatterie“ aus tausenden vernetzten Fahrzeugen, mit der „Megawattstunden Speicherkapazität entstehen könne – ein enormer Hebel.“ So lässt sich die Strom flexibel puffern und das Netz stabilisieren.

Auch Thomas Nindl (Brusa Elektronik) betont die Relevanz – allerdings aus der Perspektive des kabellosen Ladens. Ein durchgängig verbundenes Fahrzeug, das automatisch Energie aufnimmt oder abgibt „wie es das Netz zulässt beziehungsweise verlangt“, sei aus seiner Sicht der nächste logische Schritt in der Mobilitätsentwicklung.

Deutlich kritischer äußert sich dagegen Peter Gresch (PGUB Management Consultants): Er bezweifelt, dass sich bidirektionales Laden im großen Maßstab durchsetzen wird. Zwar nennt auch er konkrete Vorteile – etwa Vehicle to Home (V2H)-Anwendungen mit PV-Strom oder das Netzdienstleistungspotenzial via Vehicle to Grid (V2G) –, warnt aber vor hohen Investitionen, einem höheren Batterieverscheiß durch das ständige Laden und Entladen sowie einer zu geringen Verfügbarkeit der benötigten Technik. Seine Skepsis gründet auf realwirtschaftlichen Hürden: „Für viele Verbraucher rechnet sich das noch nicht – weder technisch noch finanziell.“ Zusätzlich fehlen „immer noch etliche Regularien, was viele Verbraucher noch zögern lässt und eine Massenadaption verzögert bzw. verhindert.“ Er kommt daher zu dem Schluss: „Ich bin eher skeptisch, dass sich das bidirektionale flächendecken durchsetzen und auf Dauer wirklich benötigt wird zum Beispiel zur Netzstabilisierung.“

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Megawatt-Charging, bidirektionales Laden, smarte Netze – die Ladeinfrastruktur der Zukunft nimmt Formen an. Auf der Chargetec 2025 diskutieren in München am 27. und 28. Mai 2025 Branchenführer die entscheidenden Trends, Herausforderungen und Innovationen. Was Besucher erwartet.

Die Elektromobilität nimmt immer mehr Fahrt auf. Analysten erwarten bis 2025 europaweit einen elektrischen Marktanteil von 15 bis 20 Prozent. Doch was nützt eine große Vielfalt an E-Fahrzeugen, wenn sie nicht entsprechend und flächendeckend geladen werden können? Buchen Sie ein Ticket und informieren Sie sich auf der 5. ChargeTec vom 27. bis 28. Mai 2025 in München über die Bedeutung der Ladeinfrastruktur für die Umsetzung einer weitgehend CO2-neutralen Mobilität. Mit dem Code "82510120-AE15" sparen Sie zudem 15% auf den regulären Preis.

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China: Wettbewerbsdruck oder Innovationsmotor für die Elektromobilität?

Beim Thema China zeigt sich eine bemerkenswerte Differenzierung unter den befragten Experten – sowohl in der Bewertung der Bedrohungslage als auch in den vorgeschlagenen Reaktionen.

Thomas Nindl sieht die Diskussion um Billigimporte aus China eher gelassen. Er hält staatliche Eingriffe für nicht notwendig, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Aus seiner Sicht sollte der Markt sich über Preis-Leistung regulieren: „Der Strom- und der Anschaffungspreis für ein Fahrzeug muss Kaufanreiz genug sein. Wenn beide Kosten im Vergleich zu Benzin/Diesel attraktiv sind, dann braucht es weder eine Kaufsubvention noch die Angst vor billigen Autos aus China.“

Auch Peter Gresch argumentiert grundsätzlich gegen protektionistische Maßnahmen. Für ihn ist klar, dass sich Märkte nicht durch Zölle oder Verbote abschotten lassen. Stattdessen müsse Europa durch eigene Stärke überzeugen – insbesondere durch innovative und CO₂-effiziente Fahrzeug- und Antriebskonzepte: „Wir müssen Innovationen nach vorne treiben, uns dem Wettbewerb stellen. An deutlicher CO₂-Reduktion führt – trotz kurzfristiger Gegenbewegungen – kein Weg vorbei.“ Gerade die deutschen und europäischen Automobilhersteller müssten wieder neuer, wettbewerbsfähige Fahrzeug- und Antriebsprojekte auflegen, damit sie und ihre Zulieferer wieder gestärkt werden.

Marcel Hessel lenkt den Blick auf unternehmerische Strukturen: Die Traton Group, zu der MAN gehört, habe aus der aktuellen Marktdynamik bereits konkrete Konsequenzen gezogen. Um schneller und effizienter auf globale Herausforderungen reagieren zu können, wurden F&E-Abteilungen der Marken zu einer markenübergreifenden Organisation zusammengeführt. Ziel sei es, mit dem modularen Traton System nachhaltige und vernetzte Transportlösungen kostengünstiger zur Marktreife zu bringen.

Lioudmila Simon legt den Fokus auf die Sicht der Endkunden. Elektromobilität müsse für diese vor allem durch Verlässlichkeit und Bezahlbarkeit überzeugen – unabhängig von der Herkunft des Fahrzeugs: „Vertrauen, weil wir uns mit Elektroautos auf die Verfügbarkeit von Ladestationen absolut verlassen müssen. Und Bezahlbarkeit, weil sowohl Fahrer von Elektroautos als auch Betreiber von Stationen möglichst geringe Kosten erwarten.“

The Automotive Battery Congress

Was braucht die Batterie der Zukunft für Elektrofahrzeuge? Antworten gibt es auf „The Automotive Battery“. Hier erfahren Sie die Details zur Veranstaltung.
Was braucht die Batterie der Zukunft für Elektrofahrzeuge? Antworten gibt es auf „The Automotive Battery“. Hier erfahren Sie die Details zur Veranstaltung.

Die Elektromobilität wird in den nächsten Jahren einer der Haupttreiber in der Automobilindustrie sein. Dabei spielt die Batterie eine der wichtigsten Rollen bei der weltweiten Verbreitung von Elektrofahrzeugen, wobei die entscheidenden Faktoren die Reichweite der Batterie, die Lademöglichkeiten und die Finanzierung der Produktionskosten sind. Alle diese Themen vereint die nächste Ausgabe der „The Automotive Battery“ vom 9. Juli bis 10. Juli 2025 in München. Mit dem Code "82510111-AE15" sparen Sie 15% auf den regulären Preis.

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Regulierung der Ladeinfrastruktur: Zwischen Flickenteppich und Reformstau

Nachdem die Antworten zum Thema China in mehrere Richtungen gingen, zeigt sich bei beim Thema Ladeinfrastruktur und Regularien wieder große Einigkeit unter den Experten. Die Kurzfassung: Der Handlungsbedarf ist hoch, die Herausforderungen klar benennbar.

So kritisiert Peter Gresch, PGUB Management Consultants, die aktuelle Lage als unübersichtlich und verbraucherunfreundlich. Besonders bemängelt er die Vielzahl an Ladekarten und Abrechnungssystemen, die für Nutzer intransparent und unpraktisch seien: „Für Europa brauchen wir einheitliche Rahmenbedingungen und Regelungen. Immer noch gibt es zu viele lokale, kommunale Ladelösungen […] und kein ‚Roaming‘ wie bei Mobiltelefonen mit einheitlicheren Tarifen und vorhersehbaren Kosten.“

Thomas Nindl, Brusa Elektronik, hebt hervor, dass es zum Thema Bidirektionalität bislang weder nationale noch internationale Regularien gibt – und fordert in diesem Zusammenhang auch eine Reduzierung der Roamingkosten: „Es gibt viele Ansätze zum Thema Bidirektionalität aber noch keine nationalen oder internationalen Regularien […]. Außerdem müssen die Roamingkosten der CPOs fallen, ähnlich wie bei den Mobilfunknetzbetreibern vor knapp zehn Jahren.“

Marcel Hessel, MAN Truck & Bus, formuliert bei der Frage nach dringend notwendige Änderungen gleich eine Reihe konkreter Anforderungen an die Politik. Dazu zählen unter anderem der vorausschauende Netzausbau, eine gesicherte Finanzierung der Schnellladeinfrastruktur für Lkw, Kaufförderungen für E-Lkw sowie Investitionssicherheit für Unternehmen. Besonders betont er die Bedeutung einer politischen Priorisierung: „Die neue Bundesregierung sollte den Aufbau von Ladeinfrastruktur in das ‚überragende öffentliche Interesse‘ stellen.“

Auch Lioudmila Simon, E.ON Group Innovation, fordert „verlässliche politische Rahmenbedingungen für den Hochlauf der Elektromobilität“. Sie macht deutlich, dass bidirektionales Laden nur dann wirtschaftlich integriert werden kann, wenn eine technische und regulatorische Basis geschaffen wird. Darüber hinaus betont sie die Notwendigkeit offener Standards für die Kommunikation zwischen Fahrzeug, Ladepunkt, Netz und Backend – sowie eine steuerliche Entlastung für zwischengespeicherten Strom: „Eine Voraussetzung ist die Verfügbarkeit von Lösungen, die auf gemeinsamen, offenen Standards basieren […]. Darüber hinaus ist es wichtig, den in der Fahrzeugbatterie zwischengespeicherten Strom von Steuern, Abgaben und Umlagen zu befreien.“

Der Wille ist da – jetzt braucht es Struktur

Der Trendbericht zeigt: Wenn es nach den Experten geht, ist die Branche technologisch weiter als die Gesetzgebung. Die Ideen für bidirektionales Laden sind ausgereift, aber noch nicht massentauglich. Beim globalen Wettbewerb stehen Innovationskraft und Systemverständnis im Vordergrund. Was alle eint: Die Ladeinfrastruktur ist das Rückgrat der Elektromobilität – und muss als solches politisch, wirtschaftlich und technologisch ernst genommen werden.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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