
„Steigendes Datenaufkommen und höherer Softwareanteil im Auto machen umfangreiche Änderungen der Fahrzeugarchitekturen erforderlich. Dies erfordert beträchtliche Vorabinvestitionen und eine klare Roadmap.“ Kishor Patil (l.), Mitbegründer, CEO und Geschäftsführer von KPIT. Rechts im Bild: Europachef Gabriel Seiberth (Bild: KPIT)
Herr Patil, vor welchen Herausforderungen steht die Automobil- und Mobilitätsbranche derzeit?
Kishor Patil: Die Automobilbranche durchläuft derzeit zahlreiche Veränderungen. Diese Veränderungen bringen sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich, je nachdem, welchen Ansatz die einzelnen Unternehmen verfolgen. Ein wichtiger Aspekt ist der Druck, bessere Emissionsstandards für Fahrzeuge zu erreichen. Dabei geht es darum, die Einhaltung der Normen zu gewährleisten und gleichzeitig zu überlegen, wie man Fahrzeuge erschwinglicher machen kann.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die allgemeinen Veränderungen, die sich in den Fahrzeugen vollziehen, insbesondere im Hinblick auf die Softwareintegration. Dazu gehören Applikationen, die für Fortschritte bei der Autonomie und Elektrifizierung erforderlich sind. Fahrzeuge werden nicht nur mit fortschrittlichen Funktionen ausgestattet, sondern interagieren auch immer nahtloser mit der Außenwelt. Infolgedessen nehmen Datenaufkommen und Softwaregehalt in den Fahrzeugen erheblich zu, was umfangreiche Änderungen der Fahrzeugarchitektur erforderlich macht.
Dies bedeutet eine beträchtliche Vorabinvestition in Bezug auf die Umgestaltung der Fahrzeugarchitektur und die Implementierung neuer Software. Mit diesen Änderungen sind erhebliche Kosten verbunden, einschließlich der Entwicklung neuer Pläne und Strategien zur Anpassung an die sich entwickelnden Technologien. Dies ist ein Hauptgrund, warum die Branche mit erheblichen Kosten zu kämpfen hat. Die Herausforderung besteht jedoch darin, diese Investitionen im Laufe der Zeit finanziell tragfähig zu machen.
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Was kann KPIT tun, um diesen Herausforderungen zu begegnen?
Kishor Patil: KPIT denkt der Branchenentwicklung vor-aus. Wir arbeiten mit vielen unserer Kunden eng und vertrauensvoll zusammen, was uns vollen Einblick in ihre Bedürfnisse gibt. Als Spezialist für Softwareintegration ist es jedoch unsere Aufgabe, potenzielle Probleme proaktiv zu erkennen und zu lösen. Wir sind nicht nur bestrebt, unsere Kunden auf diese Herausforderungen aufmerksam zu machen, sondern ihnen auch einen Lösungsweg aufzuzeigen. Dieser proaktive Ansatz ist ein entscheidender Aspekt unserer Arbeit.
Der Ansatz von KPIT konzentriert sich darauf, zuerst architektonische Probleme zu lösen. Wir legen den Fokus darauf, wie neue Architekturen frühzeitig eingeführt und validiert werden können, um die Entwicklungszeit von Fahrzeugen durch überarbeitete Validierungsprozesse zu verkürzen. Indem wir diese Prozesse proaktiver gestalten, haben wir die so genannte „Blueprint-Lösung“ entwickelt. Mit diesem Tool können Unternehmen potenzielle Verzögerungen vorhersehen und, was noch wichtiger ist, die Zuverlässigkeit ihrer Systeme sicherstellen.
In Bezug auf andere Programme, insbesondere im Bereich der Fahrzeugautomatisierung, war KPIT an zahlreichen Produktionsvorhaben für autonome Fahrzeuge auf globaler Ebene beteiligt. Unser Vorteil liegt in unserer globalen Präsenz, die es uns ermöglicht, an Projekten in den USA, Europa und Asien teilzunehmen. Bei der Umstellung auf Programme für Elektrofahrzeuge (EV) besteht unser Hauptziel darin, effektivere EV-Lösungen zu ermöglichen und gleichzeitig die Kosten zu senken. Dazu gehört ein umfassender Ansatz, der sowohl die Optimierung der Software als auch der Hardware umfasst.
Es ist vier Jahre her, dass Sie das letzte Mal mit AUTOMOBIL-ELEKTRONIK gesprochen haben. Was hat sich seither für Sie verändert, insbesondere in Europa?
Kishor Patil: Wir sind seither ein völlig anderes Unternehmen geworden. In Europa dient unser Büro in München als unsere Europazentrale, ein zentraler Knotenpunkt, der unsere Aktivitäten auf dem gesamten Kontinent erleichtert. Mit weiteren Einrichtungen in unmittelbarer Nähe haben wir eine Belegschaft mit Mitarbeitern aus über 25 verschiedenen Ländern aufgebaut. Dieser vielfältige Talentpool ermöglicht es uns, Schlüsseltechnologien nahtlos zu entwickeln und ein Umfeld der Innovation und Zusammenarbeit zu fördern. Der Wachstumskurs unserer europäischen Präsenz ist bemerkenswert. Von rund 500 bis 600 Mitarbeitern vor nicht allzu langer Zeit haben wir nun die 2000er-Marke überschritten. Auch auf globaler Ebene hat unser Unternehmen ein beträchtliches Wachstum erfahren und ist von weniger als 5000 Mitarbeitern auf über 13.000 weltweit angewachsen.
Wir werden in ein Global Software Engineering Center in China investieren. Das Zentrum wird die Innovation beschleunigen, die Zeit bis zur Markteinführung verkürzen und Kosteneinsparungen ermöglichen. Dies wird den globalen Mobilitäts-OEMs bei ihren Aktivitäten in Asien und rund um den Globus helfen. Darüber hinaus hat die Aquisition von Technica eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung unserer architektonischen Fähigkeiten gespielt, die es uns ermöglichen, umfassende Lösungen für das gesamte Spektrum zu liefern. Ein weiterer Neuzugang ist N-Dream, ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen für Freizeitspiele, an dem wir eine Minderheitsbeteiligung erworben haben. Unser Engagement hier ist rein investitionsorientiert.

Wir erwarten eine weitere Expansion mit dem Ziel, innerhalb der nächsten Jahre ein Milliarden-Dollar-Unternehmen zu werden.

Herr Seiberth, Sie sind seit November letzten Jahres Europachef von KPIT. Erzählen Sie uns doch ein wenig über sich.
Gabriel Seiberth: Ich bin seit 25 Jahren in der IT- und Beratungsbranche tätig und habe tiefgreifende Veränderungen und Entwicklungen miterlebt. Meine Karriere begann bei Siemens Information & Communications, das den Mainframe-Pionier Nixdorf Computers übernommen hatte. Im Laufe der Jahre vollzog sich in der Branche ein deutlicher Wandel vom Mainframe-Computing zum Edge-Computing, bei dem die Produkte immer intelligenter wurden. Mein persönlicher Weg spiegelte diese Entwicklung wieder. Daher war der Wechsel zu KPIT für mich ganz natürlich.
Außerdem war die Entwicklung der Geschäftsmodelle bemerkenswert. Ursprünglich konzentrierte sich die Branche auf die Implementierung und Beratung von Back-Office-Prozessen, jetzt ist sie dazu übergegangen, Partnerschaften in Kerngeschäftsprozessen einzugehen. Was einst nur die Digitalisierung von Support-Prozessen war, hat sich zu einer Computerisierung ganzer Produkte entwickelt und stellt die IT in den Mittelpunkt des Kerngeschäfts unserer Kunden.
Bei KPIT verkörpern wir diese Überzeugung. Wir bieten nicht nur Softwarelösungen an, sondern ermöglichen unseren Kunden ein besseres Geschäft. Unsere Rolle hat sich über die Beratung und Implementierung hinaus weiterentwickelt; wir sind jetzt unverzichtbare Partner, die technologische Innovationen im Kernbereich der Geschäftstätigkeit unserer Kunden vorantreiben.
Welches Wachstumspotenzial sehen Sie für KPIT, insbesondere in Deutschland und in Europa?
Gabriel Seiberth: Wir haben mehrere globale strategische Partnerschaften geschlossen, in denen wir als primärer Softwareentwicklungspartner für unsere Kunden, wie Honda und Renault, fungieren.
Allein in Europa betreuen wir eine Vielzahl bedeutender Kunden aus der Automobilbranche und tragen damit zu unserem nächsten Ziel bei, mit unseren 25 Automotive-Partnern einen Umsatz von 1 Milliarde US-Dollar
zu erzielen. Während unsere strategischen Partnerschaften mit BWM, Renault und Honda einen Präzedenzfall darstellen, ist es unser Ziel, ähnliche Kooperationen mit Branchenriesen wie Volkswagen, Stellantis und Mercedes-Benz zu wiederholen. Wir haben uns bislang vor allem im ePowertrain-Sektor positioniert und konzentrieren uns auf die Elektrifizierung und das autonome Fahren, aber stellen Sie sich vor, wie viele Möglichkeiten uns in anderen Fahrzeugbereichen und in der allgemeinen Middleware-Architektur erwarten. Unsere europäischen Kunden brauchen Unterstützung, insbesondere angesichts der von Kishor erwähnten Transformation.
Noch vor vier Jahren war die Sorge groß, dass Tech-Giganten die Automobilindustrie disruptieren und OEMs zu bloßen Hardware-Lieferanten für Unternehmen wie Apple degradieren könnten. Das sieht heute anders aus, da sich die Entwicklung des autonomen Fahrens nicht so entwickelt hat, wie von vielen erwartet. So sehen wir viel mehr Fahrerassistenzsysteme als Robotaxis.
Lassen Sie uns über das softwaredefinierte Fahrzeug sprechen. Wie kann KPIT dazu beitragen, dass es für seine Kunden Realität wird?
Gabriel Seiberth: Zunächst einmal ist das, was üblicherweise als Betriebssystem in einem Auto bezeichnet wird, keine einzelne Einheit, sondern ein Verbund aus bis zu 30 verschiedenen Betriebssystemen, die zusammenarbeiten. Auch wenn es in Zukunft zu einer Konsolidierung kommen kann, ist es unwahrscheinlich, dass alles zu einem einzigen System zusammenwächst. Die OEMs haben dieses Konzept verstanden, wie das Beispiel von BMW und Mercedes zeigt, die ihr Betriebssystem treffend als Architektur und nicht als reine Software beschreiben. Es dient als Rahmen, der die Grenzen absteckt, innerhalb derer sich externe Innovationen entfalten können – eine Perspektive, die wir unterstützen.
Dieser architektonische Ansatz muss sorgfältig ausgearbeitet werden, um optimale Leistung, robuste Datenverarbeitungsfunktionen und nahtlose Aktualisierungen zu ermöglichen. Das Datenaufkommen in der Automobilindustrie übertrifft das der meisten anderen Branchen und erfordert eine Architektur, die auf ein datenzentriertes Paradigma ausgerichtet ist. Das Netzwerk des Fahrzeugs bildet den Grundstein, um den herum verschiedene Softwareschichten strukturiert sind. Im Gegensatz zur Vorstellung eines „Smartphones auf Rädern“ mit einer zentralen elektronischen Steuereinheit plädieren wir für eine Strategie, in deren Mittelpunkt die Wiederverwendung von Software steht.
Die Nutzung von Software aus verschiedenen Quellen – proprietär, Legacy und Open Source – ermöglicht Effizienz und Flexibilität. Unsere Kompetenz liegt in der Entwicklung sicherer, zuverlässiger Architekturen, die eine solche Wiederverwendung ermöglichen und eine kontinuierliche Weiterentwicklung fördern.

Wir bieten nicht nur Software-Lösungen, sondern optimieren das Kernprodukt unserer Kunden.
Wie beurteilen Sie die Cybersicherheit, wenn Fahrzeuge immer mehr vernetzt werden?
Gabriel Seiberth: Das heutige Automobil bietet zwar beispiellosen Komfort und Konnektivität, weist aber auch sehr kritische Schwachstellen auf. In den Schlagzeilen wird oft auf das alarmierende Szenario hingewiesen, dass Hacker sich Zugang zu Fahrzeugen verschaffen können, um sie vom Kurs abzubringen oder sogar die komplette Kontrolle zu übernehmen. Solche Bedrohungen gehen weit über bloße Unannehmlichkeiten hinaus und stellen ein ernsthaftes Risiko für die öffentliche Sicherheit dar.
Unser Ansatz für sichere Fahrzeuge beruht auf einem grundlegenden Prinzip: Security by Design. Dies bedeutet, dass Sicherheitsmaßnahmen in die Fahrzeugarchitektur eingebettet werden, angefangen bei der grundlegenden Netzwerkinfrastruktur. Indem wir der Sicherheit von Anfang an Priorität einräumen, verringern wir das Risiko, dass an kritischen Schnittstellen Schwachstellen auftreten. Letztlich unterstreicht unser Engagement für Sicherheit unser Kernprinzip: Jeder Aspekt der Automobiltechnologie – vom Netzwerk bis zur Software – muss mit größter Sorgfalt und Voraussicht zentral geplant und validiert werden.
Wie hoch ist der Umsatz von KPIT heute weltweit und in Europa?
Kishor Patil: Wie ich bereits erwähnt habe, besteht unser Team heute aus über 13.000 Personen weltweit. Allein im vergangenen Jahr erzielten wir eine Wachstumsrate von 40 Prozent, wobei sich unser Umsatz der 600-Millionen-Dollar-Marke nähert. Mit Blick auf die Zukunft erwarten wir eine weitere Expansion mit dem Ziel, innerhalb der nächsten Jahre ein Milliarden-Dollar-Unternehmen zu werden.
Wie sehen die Expansionspläne insbesondere in Europa aus?
Gabriel Seiberth: Sicherlich unterstreicht unser strategischer Fokus auf die Pflege starker Beziehungen zu einer ausgewählten Gruppe globaler Kunden, wie wichtig es ist, hochspezialisierte Talente und Fähigkeiten zu haben, um unsere Ambitionen zu unterstützen. Wir bemühen uns aktiv darum, Spitzentalente aus dem Markt zu gewinnen, und prüfen kontinuierlich Möglichkeiten in der Fusions- und Akquisitionslandschaft, um unsere technologischen Fähigkeiten weiter zu schärfen, die Kundenbindung zu vertiefen und die Implementierung unserer Ziele zu beschleunigen.
Im Einklang mit dieser Strategie erkennen wir das enorme Potenzial, das Europa als wichtiger Wachstumsmarkt für uns bereithält. Angesichts der zahlreichen ungenutzten Möglichkeiten und der stark wachsenden Nachfrage nach unseren Dienstleistungen bei europäischen Kunden sehen wir noch umfassendes Wachstumspotenzial. Kishors Ziel, in den kommenden Jahren einen Milliarden-Dollar-Meilenstein zu erreichen, spiegelt nicht nur den Ehrgeiz, sondern auch die greifbaren Möglichkeiten wider, die uns in Europa erwarten.
Herr Patil, letztes Jahr waren Sie einer der Redner auf dem AUTOMOBIL-ELEKTRONIK Kongress. Erzählen Sie uns doch ein wenig über diese Erfahrung.
Kishor Patil: Die Plattform des AUTOMOBIL-ELEKTRONIK Kongress bietet eine bemerkenswerte Gelegenheit für Branchenführer, insbesondere für diejenigen, die tief im technischen Bereich verwurzelt sind, zusammenzukommen und sich an sinnvollen Diskussionen zu beteiligen.
Was den Kongress wirklich auszeichnet, ist das offene und kollaborative Umfeld, das sowohl innerhalb als auch außerhalb der Konferenzsäle gefördert wird. Dies ermöglicht einen unschätzbaren Austausch von Ideen und Perspektiven und ebnet den Weg für innovative Lösungen und Ansätze.
Die Autorin: Dr.-Ing. Nicole Ahner

Ihre Begeisterung für Physik und Materialentwicklung sorgte dafür, dass sie im Rahmen ihres Elektrotechnik-Studiums ihre wahre Berufung fand, die sie dann auch ins Zentrum ihres beruflichen Schaffens stellte: die Mikroelektronik und die Halbleiterfertigung. Nach Jahren in der Halbleiterforschung recherchiert und schreibt sie mittlerweile mit tiefem Fachwissen über elektronische Bauelemente. Ihre speziellen Interessen gelten Wide-Bandgap-Halbleitern, Batterien, den Technologien hinter der Elektromobilität, Themen aus der Materialforschung und Elektronik im Weltraum.