Elektrischer LKW auf einer Straße aus der Froschperspektive

Zukünftig könnten autonome LKWs das Straßenbild dominieren. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Erste Grundsteine sind allerdings schon gelegt. (Bild: Dalle 3 / OpenAI)

Autonome LKWs: Die Zukunft der Transportindustrie beginnt jetzt

Die Automatisierung im Transportsektor hat laut IDTechEx 2024 einen wichtigen Wendepunkt erreicht: Die Kommerzialisierung von autonomen LKWs schreitet voran, und die großen Märkte wie die USA, Europa und China haben sich positioniert, um die Vorteile der Technologie zu nutzen. Die autonome LKW-Technologie verspricht, drängende Probleme der Branche anzugehen, wie hohe Betriebskosten, Fahrermangel und Sicherheitsbedenken. Ein Blick auf den aktuellen Stand zeigt: Das Rennen um die Dominanz im autonomen Transport hat begonnen.

Stand der Technik: L4-LKWs auf dem Vormarsch

2024 präsentiert sich der autonome Transportsektor erstmals in einer Phase der echten Kommerzialisierung. Laut der American Trucking Association (ATA) hatte die US-Trucking-Industrie einen Fahrermangel von über 100.000 Fahrern, und diese Zahl könnte bis 2028 auf 160.000 ansteigen. Auf der anderen Seite wird weltweit erwartet, dass bis zu 500.000 L4-autonome Fahrer das Lkw-Netzwerk verstärken werden, während menschliche Fahrer zunehmend in überwachende Rollen wechseln. Fahrzeuge der Stufe 4 sind zwar in der Lage, autonom zu fahren, jedoch nur unter bestimmten Bedingungen, wie beispielsweise auf ausgewählten Straßen oder in vorher festgelegten Bereichen. Laut IDTechEx haben die Pioniere im autonomen LKW-Markt den Übergang zur Kommerzialisierung durch intensive Kooperationen entlang der gesamten Lieferkette ermöglicht.

Besonders Startups wie Plus, Einride, Torc Robotics und Aurora setzen auf Softwareentwicklung und Retrofit-Lösungen für Truck-Chassis von Original Equipment Manufacturers (OEMs). Beispielsweise arbeitet Plus mit Iveco zusammen, um autonome Fahrsysteme zu integrieren, während Einride Partnerschaften – zum Beispiel mit Mercedes Benz – zur Nutzung von Elektro-LKWs in Europa aufgebaut hat. Torc Robotics, eine Tochter von Daimler Truck, entwickelt autonome Systeme und hat Algolux zur Verbesserung der KI-basierten Objekterkennung übernommen. Aurora wiederum arbeitet mit Continental an skalierbaren Lösungen für autonome LKWs. Dies reduziert den Druck der Massenproduktion und ermöglicht eine flexible Zusammenarbeit mit etablierten Herstellern.

"Prognose des globalen Marktes für schwere autonome Lkw bis 2044, unterteilt nach Regionen (China, Rest der Welt, EU, USA). Der Markt wächst ab 2024 mit einer signifikanten Steigerung bis 2044, wobei China den größten Anteil hat."
Aktuell sind autonome Schwerlast-LKWs noch eine Randerscheinung. Das wird sich in Zukunft ändern. Dabei dominiert China beim globalen Marktpotenzial für autonome Schwerlast-Lkws, gefolgt von den USA und anderen Regionen. (ROW = Rest of World) (Bild: IDTechEx)

Testphase: MAN erprobt autonom fahrende LKW | BR24

Was bremst die Kommerzialisierung autonomer LKWs?

Trotz beeindruckender Fortschritte gibt es nach wie vor erhebliche Herausforderungen für die Industrie. Die hohen Erwartungen an die Kostensenkung und die Effizienzsteigerung durch autonome Systeme konnten nicht überall erfüllt werden. So sind prominente Akteure wie Waymo und TuSimple zuletzt ins Straucheln geraten und haben ihren Fokus auf die kommerzielle Umsetzung reduziert. Der Total Cost of Ownership (TCO) spielt hierbei eine zentrale Rolle, da die umfangreiche Nutzung der LKWs den Energieverbrauch und die Arbeitskosten zu entscheidenden Faktoren macht. Auch regulatorische Hürden und Öffentlichkeitsbedenken, wie etwa Fragen zur Haftung, verzögern die Marktreife der Technologie.

Sollten autonome LKWs in Zukunft die Straßen erobern, bieten sie einige Vorteile. Wie immer stehen dem jedoch auch Nachteile und Herausforderungen gegenüber.

Das sind die Vorteile autonomer Lkws:

  • Erhöhte Verkehrssicherheit durch autonome Lkws: Autonome Lkws auf Level 4 der SAE-Klassifikation könnten die Verkehrssicherheit steigern, da die automatisierten Systeme weder müde noch unaufmerksam werden. Rund 90% der Unfälle entstehen durch menschliches Versagen, was autonome Fahrzeuge signifikant verringern könnten.

  • Steigerung der Transporteffizienz mit autonomen Lkws: Autonome Lkws können ohne Einschränkungen durch Ruhepausen und Lenkzeiten rund um die Uhr – mit Ausnahme von Lade-/Tankzeiten – betrieben werden, was die Effizienz in der Logistikbranche steigert und kürzere Lieferzeiten ermöglicht.

  • Lösung für den Fahrermangel in der Logistikbranche: Der wachsende Mangel an qualifizierten Lkw-Fahrern könnte durch den Einsatz selbstfahrender Lkws abgemildert werden.

  • Kostensenkung durch autonome Lkw-Flotten: Flottenbetreiber können durch den Einsatz von autonomen Lkws ihre Betriebskosten reduzieren, da weniger Personal erforderlich ist und die Fahrzeuge rund um die Uhr verfügbar sind.

  • Umweltschutz durch geringeren Kraftstoffverbrauch: Optimierte und gleichmäßige Fahrweise bei autonomen Lkws kann den Kraftstoffverbrauch reduzieren, was zur Erreichung der CO₂-Ziele beiträgt und die Flottenemissionen nachhaltig senkt.

Das sind die Nachteile und Herausforderungen autonomer Lkws:

  • Vertrauensprobleme und Sicherheitsbedenken bei autonomen Lkws: Laut Umfragen vertrauen rund 65% der Bevölkerung der Technologie selbstfahrender Lkws nicht und fürchten um die Sicherheit im Straßenverkehr. Zudem bestehen erhebliche Cybersicherheitsrisiken durch potenzielle Hackerangriffe und unerwünschte Fernzugriffe auf die Fahrzeuge.

  • Rechtliche und ethische Herausforderungen autonomer Lkws: Es bestehen unklare Haftungsfragen bei Unfällen mit autonomen Fahrzeugen, und in kritischen Notsituationen könnten ethische Entscheidungen über Leben und Tod durch das autonome System erforderlich sein. Die uneinheitliche Gesetzgebung erschwert darüber hinaus den flächendeckenden Einsatz von autonomen Lkws.

  • Wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der Automatisierung: Die Einführung autonomer Lkws könnte zu massiven Arbeitsplatzverlusten bei Lkw-Fahrern führen. Die hohen Investitionskosten für die Entwicklung und Implementierung autonomer Lkw-Technologien sind zudem eine finanzielle Herausforderung für Unternehmen.

  • Technische Herausforderungen und Infrastrukturbedarf: Der Einsatz autonomer Lkws erfordert häufig Anpassungen in der bestehenden Straßeninfrastruktur. Zudem muss die Technologie unter verschiedenen Wetterbedingungen und in komplexen Verkehrssituationen zuverlässig funktionieren, um eine hohe Sicherheit zu gewährleisten.

TCO als Schlüssel zum Durchbruch der autonomen LKWs

Der Total Cost of Ownership (TCO) spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit von autonomen LKWs. Aufgrund der umfangreichen Betriebszeiten der Fahrzeuge sind Energieverbrauch und Arbeitskosten wesentliche Faktoren. Trotz der Behauptungen, dass autonome Systeme die Kosten um über 15 % senken könnten, sind die tatsächlichen Einsparungen stark von den eingesetzten Technologien und regionalen Gegebenheiten abhängig. IDTechEx hat verschiedene Plattformen verglichen, um die TCO für unterschiedliche Level der Autonomie (L0, L2, L3, L4) zu bewerten.

Weltkarte mit den führenden Unternehmen für autonome Lkws im Jahr 2024
Führende Unternehmen für autonome Lkws im Jahr 2024 (Bild: IDTechEx)

Wie unterscheiden sich die US- und EU-Vorschriften?

Die regulatorischen Voraussetzungen für autonome LKWs unterscheiden sich stark zwischen den Regionen, was zu einem unterschiedlich schnellen Fortschritt führt. In den USA sind Bundesbehörden wie die Federal Motor Carrier Safety Administration (FMCSA) und die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) entscheidend für die aktuellen Pilotprojekte. Dennoch sorgt das Fehlen einer landesweit einheitlichen Regelung für fragmentierte Regelwerke auf Staatenebene. Europa hingegen verfolgt das Ziel eines einheitlichen Rechtsrahmens, wobei Schweden, Deutschland und die Niederlande als Vorreiter fungieren. Der Fokus auf Nachhaltigkeit treibt die Verbreitung von autonomen E-LKWs voran, allerdings erschweren nationale Unterschiede in der Gesetzgebung die nahtlose Umsetzung.

Welche Vorteile bringt China in den Markt ein?

China ist derzeit eine der führenden Nationen im Bereich autonomer LKWs, was stark auf die enge Verzahnung staatlicher Förderung und klarem regulatorischen Rahmen zurückzuführen ist. In großen Städten wie Peking, Shanghai und Shenzhen sind weitläufige Testzonen entstanden, die die Entwicklung beschleunigen. Durch die Zentralisierung der regulatorischen Zuständigkeiten gelingt die Umsetzung von Richtlinien in China wesentlich schneller als in den USA oder Europa.

Wie sieht die Zukunft der autonomes LKWs aus?

Der globale Wettlauf um autonome LKWs hat das Potenzial, die Transportindustrie grundlegend zu verändern. Aber erst in den nächsten Jahren wird sich zeigen, welche Region das Rennen anführen wird. Die technische Reife, die Positionierung in der Wertschöpfungskette und die praktische Kalkulation der Betriebskosten sind dabei entscheidende Faktoren. Unternehmen wie Inceptio und Einride haben bereits Fortschritte von der Konzeptstudie zur kommerziellen Anwendung gemacht. Trotz aller Herausforderungen bietet die Technologie die Möglichkeit, wesentliche Schwächen des aktuellen Transportsystems zu adressieren.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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