
Der Mobilitätswandel ist in China schon deutlich vorangeschritten, denn eine klare politische Ausrichtung sorgte dort schon frühzeitig dafür, dass E-Fahrzeuge gegenüber Verbrennern klar bevorzugt werden. (Bild: @sh99 - stock.adobe.com)
Die chinesische E-Auto-Produktion entspricht heute 60 Prozent der Gesamtproduktion von Elektroautos weltweit. Bis 2035 soll dieser Markt in China auf 23,7 Millionen Fahrzeuge ansteigen. Damit baut China seine Führungsposition in der Branche global weiter aus. Möglich gemacht wird dies unter anderem durch staatliche Subventionen und strategische Vorstöße, wie etwa den Bau einer eigenen Containerschiff-Flotte des Konzerns BYD aus Shenzhen.
Weltweit konnte BYD im letzten Quartal des Jahres 2023 bereits Tesla bei der Anzahl der abgesetzten E-Autos überholen (526.409 BYD-Fahrzeuge gegenüber 484.507 Tesla-Fahrzeugen). Allein auf dem deutschen Markt beabsichtigt das Unternehmen, bis 2026 ganze 120.000 Elektroautos zu verkaufen. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland schon 4.135 E-Autos der Marke BYD neu zugelassen.
Voraussetzungen in China
Mit einer klaren politischen Ausrichtung sorgte die chinesische Regierung schon frühzeitig dafür, dass Stromer gegenüber Verbrennern klar bevorzugt werden. Jedes neu angeschaffte E-Auto wurde bereits in den späten 2000ern mit 60.000 Yuan (das entspricht ca. 7.760 Euro) bezuschusst. Zusätzlich entfällt die Kaufsteuer bei der Anschaffung von Fahrzeugen mit New-Energy-Antrieb.
Auch im Hinblick auf Rohstoffe und Ressourcen ist die Situation für China günstig: Mehr als die Hälfte des weltweiten Bestands an Lithium, Grafit und Kobalt liegt auf chinesischem Terrain. Über die letzten Jahre stieg die Exportsumme dieser Rohstoffe um 30 Prozent auf fast 140 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023.
Modelle für alle Mobilitätsbedürfnisse
Ein weiterer Erfolgsfaktor chinesischer E-Autos liegt im Konzept: Während europäische Automodelle lange Zeit primär die Fahrdynamik im Blick hatten, fokussierte sich Asien schon früh auf Themen wie Infotainment und Konnektivität.
China hat auch eine Antwort auf die hierzulande häufig bemängelte geringe Modellvielfalt. So ist zum Beispiel der U8 des Herstellers Yangwang (eine Marke von BYD) besonders für Sportwagenbegeisterte interessant, während das Kleinwagen-Modell Wuling Hongguang Mini EV beispielsweise gut für den dichten innerstädtischen Verkehr geeignet ist. Hersteller SAIC General Motors, mit Sitz in Shanghai, konnte bereits im Jahr 2021 allein in China 395.450 dieser Fahrzeuge verkaufen. Weltweit gilt das Modell als dritt-meistverkauftes E-Auto nach den beiden Tesla-Modellen Tesla Y und Tesla 3.
Diese rasante Entwicklung birgt aber auch Schattenseiten. Eine davon ist die Kurzlebigkeit chinesischer E-Autos: Immer mehr Modelle entsprechen schon nach kurzer Zeit nicht mehr den Standards und werden auf Deponien entsorgt. Der Markteintritt Teslas in China hat die Maßstäbe noch weiter angehoben und viele konkurrierende E-Auto-Modelle unattraktiv gemacht.
Infrastruktur wächst mit
Zu einem Mobilitätswandel gehört die nötige Infrastruktur. Auch in diesem Bereich geht China mit großen Schritten voran: Allein der chinesische Ladesäulenbetreiber TELD sorgt in seiner Führungsposition mit 410.000 der insgesamt 807.000 öffentlichen Ladesäulen im Land für ein breit ausgebautes Ladenetz.

Schwerpunktthema: E-Mobility

In diesem Themenschwerpunkt „E-Mobility“ dreht sich alles um die Technologien in Elektrofahrzeugen, Hybriden und Ladesäulen: Von Halbleitern über Leistungselektronik bis E-Achse, von Batterie über Sicherheit bis Materialien und Leichtbau sowie Test und Infrastruktur. Hier erfahren Sie mehr.
Bis 2030 sollen laut der Beratungsgesellschaft Berylls Strategy Advisors insgesamt 6,2 Millionen öffentliche Ladesäulen in China installiert sein. Zum Vergleich: In Deutschland soll diese Zahl im gleichen Zeitraum gemäß dem Ziel der deutschen Bundesregierung von aktuell 114.565 (Stand 3/2024) auf eine Million öffentliche Ladepunkte steigen.
Vielfalt treibt Innovation
Europa setzt dagegen im Bereich E-Mobilität auf Kooperation und Innovation und nutzt die Vielfalt seiner nationalen Volkswirtschaften und dazugehörigen Unternehmen als Stärke. Der ganze Kontinent strebt danach, stabile Allianzen zu formen und zu stärken. Ionity, ein Joint Venture führender namhafter Automobilhersteller, illustriert dieses Engagement. Gefördert durch finanzielle Mittel von Black-Rocks Climate-Infrastructure-Platform setzt sich dieses Projekt für nachhaltige Technologien ein, indem es die Ladeinfrastruktur verbessert und das Kundenerlebnis durch innovative und modulare Lösungen verfeinert. Weitere prominente Beispiele für europäische Innovation und Expertise sind neben dem Industrienetzwerk Charge-Up-Europe unter anderem die beiden niederländischen Initiativen Open-Charge-Alliance und EV-Roaming-Foundation. Ihre Projekte Open-Charge-Point-Protocol (OCPP) und Open-Charge-Point-Interface (OCPI) eröffnen Zugang zu einem breiten Datenpool und sorgen damit für verbesserte Kommunikation und reibungslosen Datenfluss zwischen den verschiedenen Akteuren der E-Mobilität. Von diesen essentiellen Technologien und den dadurch verfügbaren Informationen profitieren verschiedene Unternehmungen maßgeblich: Anbieter wie Plugsurfing ermöglichen damit nahtlose Integration und Datenaustausch zwischen Ladesäulenbetreibern, OEMs und E-Autofahrern und können so passgenaue und flexible Services eröffnen.

Innerhalb der globalen E-Mobilitäts-Industrie gilt Europa durch diese und andere Vorstöße sogar als einer der Vorreiter in Sachen Forschung und Entwicklung. Dieser Einfluss greift bis nach Nordamerika: Die USA und Kanada haben mit IONNA, einem Verbund aus Elektrofahrzeug-Unternehmen, auf den Fortschritt Europas reagiert. Als Antwort auf den Inflation-Reduction-Act (IRA), der seit August 2022 in den USA in Kraft ist, profitiert das Bündnis von den neuen Fördergeldern. Dadurch ermöglicht die US-Regierung ihrer E-Auto-Industrie, sich rasch den Standards in Europa anzupassen und den technologischen sowie strategischen Fortschritt aufzuholen.
Politische Maßnahmen
Weitere klare Signale kommen nun auch auf europäischer Ebene aus der Politik. Erst im Februar hat die Europäische Kommission festgelegt, dass ab 2035 keine Verbrenner mehr innerhalb Europas produziert werden dürfen. Die Folgen sind schon jetzt deutlich: Während im Jahr 2022 noch 1,7 Millionen E-Autos in Europa verkauft wurden, sind für 2025 bereits 3,9 Millionen prognostiziert. 2035 sollen es schon über 17 Millionen Elektrofahrzeuge sein.
Auf nationaler Ebene fehlt es dagegen noch an Stringenz: Während in China wieder eine 520 Milliarden Yuan (66 Milliarden Euro) starke Finanzhilfe für die Produktion chinesischer E-Autos verabschiedet wurde, sind in Deutschland seit dem 18. Dezember keine Anträge für den Umweltbonus mehr möglich. Europa muss sich deutlich für den Ausbau von E-Mobilität positionieren und die finanziellen sowie kollaborativen Weichen stellen, um die Industrie an Bord zu holen und Endverbraucher von der Transformation in Richtung neuer Mobilität zu überzeugen.
Wertschöpfungskette in Europa stärken
Die Bewilligung wichtiger Produktionsstätten für Schlüsselkomponenten der Wertschöpfungskette von E-Autos setzt hierbei ein klares Zeichen: Mit der Tesla-Fabrik in Brandenburg und dem neuen Northvolt-Standort in Schleswig-Holstein macht Deutschland seine Ausrichtung für mehr E-Mobilität deutlich, auch wenn in bestimmten Detailfragen noch gestritten wird. Europaweit gibt es weitere positive Impulse: Nachdem als Reaktion auf schwankende Verkaufszahlen internationale Autohersteller bereits ihre Anteile an Premium-E-Auto-Marken verkaufen wollten, sprang die Europäische Kommission mit einer Förderung von 3 Milliarden Euro für die europäische Batterieproduktion ein. In der Folge konnte sich etwa Frankreich als neuer Standort für die Produktion von Pro-Logium-Batterien aus Taiwan (Wert: 5,2 Milliarden Euro) etablieren.
Die zunehmende Verlagerung der Rohstoff-Verwertung für die Produktion von E-Autos von China nach Europa ist eine weitere Antwort auf die Dominanz Pekings. So löst sich Europa mit dem Ausbau der eigenen E-Auto-Produktionslinie aus der Abhängigkeit von China. Der kürzliche Mineral-Fund des schwedischen Bergbauunternehmens LKAB stützt zusätzlich die Argumentation für den E-Auto-Produktionsstandort Europa.
Entwicklungen ermöglichen, Vorbehalte abbauen
Natürlich gehört neben Innovation und Marktentwicklung auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur, wie sie von Ionity vorangetrieben wird, zu den wichtigen Erfolgsbedingungen. Laut einem Bericht der Financial Times gehen Experten davon aus, dass das Vertrauen in die Ladeinfrastruktur und eine überzeugte Verbraucher-Entscheidung für Elektroautos noch Jahre dauern wird. Das liegt zum einen am Preis: Im Schnitt sind Stromer noch immer 35 Prozent teurer als ihre Verbrenner-Alternativen. Zum anderen verursacht beispielsweise in Deutschland noch immer die Reichweitenangst die Vorsicht beim Kauf von E-Autos. Dabei ist diese unbegründet: Täglich fahren die Deutschen im Schnitt 35 km, die Reichweite von E-Autos hingegen liegt bei über 200 km, selbst im Winter. Ein zunehmend flächendeckendes Netz an Ladepunkten entkräftet diese Reichweitenangst als Argument gegen den Umstieg auf E-Mobilität.
Fazit
Die komplementäre Kollaboration, bei der alle Beteiligten innerhalb eines koordinierten und zielorientierten Rahmens ihre Kernkompetenz einbringen, ist entscheidend für die Beschleunigung der Entwicklung und Akzeptanz der Elektromobilität in Europa. Das heißt, dass wir agile und anpassungsfähige Partnerschaftsmodelle entwickeln müssen, die Innovation vorantreiben und gleichzeitig den schnellen technologischen Fortschritt sowie die veränderlichen Erwartungen der Konsumenten berücksichtigen.
Die Herausforderungen und Möglichkeiten, die die Elektromobilität für Europa bereithält, erfordern eine koordinierte Reaktion, die Innovation fördert, die Ladeinfrastruktur verbessert und die politischen Rahmenbedingungen optimiert. Die Erkenntnisse aus China und anderen Märkten zeigen, dass Erfolg im globalen Wettbewerb nicht allein durch individuelle Exzellenz erreicht wird, sondern auch durch die Fähigkeit zur Zusammenarbeit und zum Aufbau starker Partnerschaften. Europäische Unternehmen und politische Entscheidungsträger sind daher aufgerufen, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um Europas Position in der Elektromobilität zu stärken und eine nachhaltige, wettbewerbsfähige Zukunft zu sichern.
Die Elektromobilität steht nicht nur für eine Transformation der Mobilitätsbranche, sondern symbolisiert auch einen tieferen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel hin zu Nachhaltigkeit und Kooperation. Die Zukunft wird von jenen gestaltet, die bereit sind, über traditionelle Grenzen hinweg zu denken und zu handeln, um innovative Lösungen für die drängendsten Herausforderungen unserer Zeit zu entwickeln. Für Europa bedeutet dies, seine reichen Traditionen der Innovation und Zusammenarbeit zu nutzen, um eine führende Rolle im globalen Rennen um die Elektromobilität zu spielen. Diese Rolle verlangt von Europa nicht nur, technologischer Vorreiter zu sein, sondern auch ein starkes Engagement für die Prinzipien der Nachhaltigkeit und des gemeinschaftlichen Fortschritts.