In Anbetracht aller Faktoren hat die Automobilindustrie bemerkenswert schnell auf die Elektromobilität umgestellt. Trotz ihrer enormen Größe, seit langem etablierter Prozesse und relativ langer Forschungs- und Entwicklungszeiten, die den Fortschritt bremsen können, haben Hersteller auf der ganzen Welt schnell komplette Modellreihen von Elektrofahrzeugen (Electric Vehicles, EVs) auf den Markt gebracht. Nach der Einführung des Nissan Leaf 2011, dem ersten wirklich in Massenproduktion hergestellten Elektroauto der Welt, lag die Zahl der zum Verkauf angebotenen vollwertigen E-Autos im Jahr 2021 bei über 450. Von 2015 bis 2021 erreichte die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate für neue Modelle 34 Prozent.
E-Mobility: Laden
Wo und wie lässt sich ein E-Auto aufladen? Welche Leistungselektronik steck in einer Ladesäule? Wie wird die Ladesäule intelligent? Halbleiter, Hochvolt-Komponenten, Stecker, Kabel, Wallboxen, Kommunikation, Infrastruktur, Standards, Services und mehr. Die Technologien dahinter finden Sie hier.
Insgesamt betrachtet und selbst angesichts der schwierigen Lage auf den globalen Märkten haben sich E-Autos gut verkauft. Doch trotz des großen Erfolgs von Elektrofahrzeugen für Privatpersonen hat sich der gewerbliche Sektor, zu dem auch große und schwere Nutzfahrzeuge gehören, nicht ganz so schnell weiterentwickelt.
Untersuchungen zeigen, dass mittelschwere und schwere Nutzfahrzeuge zwar nur vier Prozent des weltweiten Fahrzeugbestands ausmachen, aber für 40 Prozent der Emissionen im Straßenverkehr verantwortlich sind. Dies unterstreicht die Bedeutung dieses Sektors und die Notwendigkeit, mehr Elektrofahrzeuge zu entwickeln und erfolgreich zu integrieren, um eine nachhaltige Zukunft zu erreichen.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Elektrifizierung von Lkws?
2022 machten E-Autos 14 Prozent der Neuwagenverkäufe aus, während E-Lkws im selben Jahr lediglich 1,2 Prozent der gesamten Lkw-Verkäufe ausmachten. Die Komplexität dieser Fahrzeuge ist sicherlich einer der Hauptunterschiede zwischen dem Pkw- und dem Nutzfahrzeugemarkt für Elektrofahrzeuge, der für einen Teil dieser Diskrepanz verantwortlich sein kann.
The Automotive Battery Congress
Die Elektromobilität wird in den nächsten Jahren einer der Haupttreiber in der Automobilindustrie sein. Dabei spielt die Batterie eine der wichtigsten Rollen bei der weltweiten Verbreitung von Elektrofahrzeugen, wobei die entscheidenden Faktoren die Reichweite der Batterie, die Lademöglichkeiten und die Finanzierung der Produktionskosten sind. Alle diese Themen vereint die nächste Ausgabe der „The Automotive Battery“ vom 9. Juli bis 10. Juli 2025 in München. Mit dem Code "82510111-AE15" sparen Sie 15% auf den regulären Preis.
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Lkws sind das zentrale Element des kommerziellen Transports. Als Lkw werden Fahrzeuge mit einem Gewicht von über 3500 kg definiert, wozu jedoch eine Vielzahl von Fahrzeugen gehören, darunter Sattelschlepper, Tankwagen und Spezialfahrzeuge wie Holz- und Betonmischfahrzeuge. Die Fahrzeuge können zwischen zwei und sechs Achsen haben und müssen oft mit größeren Geräten wie Ladesystemen und Anhängern interagieren, während sie jedes Jahr Hunderttausende von Kilometern zurücklegen. Neben den größeren Lkws gibt es auch kleinere Transporter und spezielle Lösungen für die letzte Meile, die alle für aktuelle Vertriebs- und Transportnetzwerke von entscheidender Bedeutung sind (Bild 1).
Diese Fahrzeuge benötigen größere und leistungsstärkere Batterien, um schwerere Lasten zu transportieren, was nicht nur die Kosten erhöht, sondern auch die Designanforderungen dieser Fahrzeuge im Vergleich zu Pkws. Darüber hinaus erschweren die derzeitigen Einschränkungen der Batterietechnologie die Ladekapazität von Nutzfahrzeugen erheblich, da das Gewicht der Batterien die Gesamtkapazität beeinträchtigt.
Der Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Elektro-Lkws ist außerdem deutlich komplizierter und kostspieliger als für Elektro-Pkws. Und da für Lkws leistungsstärkere Ladestationen erforderlich sind, ergeben sich in Bezug auf Sicherheit und Leistung einige Designhindernisse.
Nach Angaben der European Alternative Fuels Observatory (EAFO) gibt es in Europa derzeit (Stand 2023) mehr als 550.000 öffentliche Ladestationen. Der Europäische Verband der Automobilhersteller (European Automobile Manufacturers’ Association, ACEA) geht jedoch davon aus, dass bis Ende 2025 nur 40.000 Ladestationen für mittelschwere und schwere Lkws zur Verfügung stehen werden. Damit das Netz für Elektro-Lkw ausgebaut werden kann, muss diese Zahl bis 2030 auf 270.000 steigen.
Welche technische Hürden gilt es zu meistern?
Wie bei den ersten Elektro-Pkws stellt auch bei Elektro-Lkws die begrenzte Reichweite ein großes Hindernis dar, vor allem aufgrund der unterschiedlichen Energiedichte. Die Energiedichte von Diesel beträgt etwa 12.500 Wh/kg, während eine durchschnittliche Lithium-Ionen-Zelle eine Energiedichte von etwa 300 Wh/kg aufweist. Auch wenn die Antriebsstränge von Elektrofahrzeugen effizienter sind als Dieselmotoren mit einem thermischen Wirkungsgrad von etwa 40 Prozent, reicht dies allein nicht aus, um das zusätzliche Gewicht bei gleicher Energieausbeute auszugleichen. Darüber hinaus wirkt sich dieses zusätzliche Gewicht negativ auf die Reichweite des Fahrzeugs aus und erfordert eine verstärkte Berücksichtigung von Federung und Reifen beim Fahrzeugdesign.
Wie verbessern Feststoffbatterien die Reichweite?
Was Elektro-Lkw revolutionieren könnte, sind Feststoffbatterien. Eine standardmäßige Li-Ionen-Zelle besteht aus zwei festen Elektroden (Kathode und Anode), einem zentralen Separator, der als mechanische Barriere fungiert, und einem flüssigen Li-Ionen-Elektrolyt (siehe Bild 2 für eine typische E-Auto-Batterie).
Eine Feststoffbatterie ersetzt den Separator und das Elektrolyt durch ein festes Keramik- oder Polymersubstrat. Dieses feste Substrat trennt die Kathode von der Anode, die normalerweise aus reinem Lithium besteht.
Die veränderte Struktur in Kombination mit der Verwendung einer reinen Lithium-Anode führt zu einer erheblichen Verbesserung der Energiedichte und erreicht theoretische Werte von bis zu 11 kWh/kg. Realistisch betrachtet ist jedoch 1 kWh/kg in absehbarer Zukunft ein erreichbarer Wert. Feststoffbatterien könnten die Leistungsfähigkeit aktueller Batteriezellen übertreffen und bei gleicher Kapazität eine Gewichtsreduzierung von bis zu 30 Prozent erzielen.
E-Mobility: Batterie und Sicherheit
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Mit einer höheren Energiedichte der Batterie können Fahrzeugdesigner kleinere Batteriegrößen erreichen, die Nutzlastkapazität erhöhen oder die Reichweite des Fahrzeugs vergrößern. Diese Leistungssteigerung könnte bei vielen kosten- oder leistungsbeschränkten Einsatzzwecken den Umstieg auf Elektrofahrzeuge ermöglichen.
Seit einigen Jahren sind kompakte Feststoffbatterien wie der wiederaufladbare Solid-State-SMD-Akku CeraCharge von TDK erhältlich, und viele Automobilanalysten gehen davon aus, dass Feststoffbatterien ab 2025 in Fahrzeugen genutzt werden. Vor Kurzem gab Toyota seine Pläne bekannt, ab 2025 Fahrzeuge mit Feststoffbatterien herzustellen. Diese Fahrzeuge werden eine Reichweite von 700 km haben und in nur zehn bis 15 min aufgeladen werden können.
Was leistet das Megawatt-Ladesystem (MCS) für Lkws?
Eine mögliche Lösung, um lange Ladezeiten zu verringern, ist das Megawatt-Ladesystem MCS (Megawatt Charging System). Der international anerkannte MCS-Standard wird von CharIN verwaltet, einer internationalen Vereinigung, die von führenden Automobilherstellern gegründet wurde. MCS ist eine umfassende Initiative zur Entwicklung und Herstellung standardisierter, sicherer und leistungsstarker Ladegeräte. Der Standard schreibt Elemente wie einen einzelnen leitfähigen Stecker mit einer Leistung von bis zu 1250 VDC und 3000 A, eine Vehicle-to-Everything (V2X)-Ethernet-Kommunikation und einheitliche Ladebuchsen an Fahrzeugen vor.
Der Lkw-Hersteller MAN geht davon aus, dass das Laden über MCS nur zehn Minuten dauern könnte – eine deutliche Verbesserung gegenüber der aktuellen Technologie. MCS ist hauptsächlich für Nutzfahrzeuge gedacht, kann aber auch für Busse, Flugzeuge und andere große Elektrofahrzeuge genutzt werden, die eine Ladeleistung von über 1 MW bewältigen können.
Schnellere Ladezeiten können auch den Bedarf an mehreren Ladestationen an stark frequentierten Verkehrsknotenpunkten verringern, da Lkws weniger Zeit zum Aufladen brauchen und mehr Zeit auf der Straße verbringen können. MCS befindet sich noch im Anfangsstadium und erfordert leistungsstarke Bauteile, um sicher zu funktionieren, aber in diesem Jahr werden Ladestationen im Vereinigten Königreich und auf dem europäischen Festland in Betrieb genommen.
Wie funktioniert das Batteriewechselsystem in China?
China nimmt bei der Herstellung und dem Vertrieb von Elektro-Lkws weiterhin eine führende Rolle ein. 2022 wurden in China rund 52.000 mittelschwere und schwere E-Nutzfahrzeuge verkauft, was 85 Prozent des weltweiten Absatzes entspricht. Diese zunehmende Verbreitung von Elektro-Lkws geht mit einem gleichzeitigen Ausbau der Infrastruktur einher und bietet wertvolle Einblicke in potenzielle Implementierungsstrategien in anderen Regionen.
In China beispielsweise gewinnt das Batteriewechseln an Bedeutung. Der vollautomatische Prozess dauert nur drei bis fünf Minuten. Roboterarme lösen die Batteriepacks aus der Fahrerkabine des Lkw und ersetzen sie durch frisch aufgeladene. Die entnommene Batterie wird dann an ein Schnellladegerät angeschlossen und wieder aufgeladen. Diese Entwicklung verbessert die Effizienz des Batterieladevorgangs erheblich und übertrifft sogar die schnellsten Lkw-Ladegeräte.
Laut dem International Council on Clean Transportation (ICCT) bestätigen erste Untersuchungen den Erfolg der Infrastruktur. Der Schwerpunkt lag jedoch auf der Unterstützung des Betriebs von Elektro-Lkw, die für Kurzstreckentransporte in Häfen, Bergwerken und in der städtischen Logistik eingesetzt werden. Diese Lkw sind in der Regel mit einer Lithium-Eisenphosphat-Batterie (LFP) mit 141 kWh oder 282 kWh ausgestattet und haben eine durchschnittliche Reichweite von weniger als 100 km. Es gibt jedoch noch einige Probleme, bevor der Batteriewechsel in großem Umfang kommerzialisiert werden kann. Die größte Herausforderung besteht darin, dass es keine standardisierten Batteriepacks gibt und die Einrichtung von Ladestationen sehr kostspielig ist. Das ICCT schätzt die Kosten für die Einrichtung einer Batteriewechselstation in China auf etwa eine Million US-Dollar.
Fazit
Die schnelle Umstellung der Automobilindustrie auf die Elektromobilität, insbesondere bei Elektro-Pkw, zeigt bemerkenswerte Fortschritte. Allerdings unterstreicht die langsamere Einführung von E-Nutzfahrzeugen die dringende Notwendigkeit für ein breit angelegtes und gemeinsames Vorgehen, um technische Hindernisse zu überwinden und die Lücke zu E-Pkw zu schließen. Die Elektronikindustrie wird dafür eine entscheidende Rolle spielen.
Von der Verbesserung der Batterietechnologie mithilfe von Feststoffbatterien über die Entwicklung von Schnellladestationen wie MCS bis hin zur Erforschung innovativer Lösungen wie dem Batteriewechsel sind leistungsstarke und standardisierte elektronische Lösungen erforderlich. Die Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern, Elektronikingenieuren, politischen Entscheidungsträgern und Interessengruppen ist unerlässlich, um die Entwicklung und Einführung von E-Nutzfahrzeugen zu beschleunigen. Wenn die Automobilindustrie Forschung, Investitionen und Zusammenarbeit vorrangig behandelt, kann sie eine nachhaltige Zukunft schaffen, in der E-Nutzfahrzeuge erheblich zur Reduzierung der Emissionen im Vergleich zu heutigen Dieselfahrzeugen beitragen. (bs)