Bei der Entwicklung des Antriebsstrangs in EVs spielen insbesondere Effizienzanforderungen auf Fahrzeug- und Anwendungsebene eine wichtige Rolle. Aber um die effizientesten Anwendungen, Systeme und Fahrzeuge entwickeln zu können, ist ein ganzheitlicher Ansatz des Antriebstrangs erforderlich, der sich nicht auf einzelne Komponenten beschränken darf: Die Wechselbeziehungen zwischen den Anwendungen in einem System müssen verstanden und berücksichtigt werden, ebenso wie externe Einflüsse. Neben den rein technischen Aspekten stellt das für klassisch strukturierte Unternehmen durchaus eine Herausforderung dar, vor allem dann, wenn einzelne Abteilungen Teiloptimierungen vornehmen, die zwar klar definiert und messbar sind, aber nicht unbedingt das Gesamtsystem verbessern.
Schwerpunktthema: E-Mobility
In diesem Themenschwerpunkt „E-Mobility“ dreht sich alles um die Technologien in Elektrofahrzeugen, Hybriden und Ladesäulen: Von Halbleitern über Leistungselektronik bis E-Achse, von Batterie über Sicherheit bis Materialien und Leichtbau sowie Test und Infrastruktur. Hier erfahren Sie mehr.
Aktuelle Strukturen überwinden diese Grenzen und ermöglichen es, für einzelne Anwendungen notwendige Maßnahmen zu identifizieren, die letztlich dem Gesamtsystem zugutekommen. Wenn beispielsweise ein Umrichter- und Motorsystem für den Antrieb optimiert wurde, aber im Rekuperationsbetrieb schlecht abschneidet, hat das negative Auswirkungen auf die Fahrzeugeffizienz im WLTP-Fahrzyklus (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure). Wird bei der Optimierung hingegen das gesamte System betrachtet, hat die Effizienzoptimierung mehrere Auswirkungen: reduzierte Energieverluste, weniger Platzbedarf der Applikation und weniger Material bei der Herstellung. Auch der Kühlungsbedarf dürfte sinken, und die Integration in das Fahrzeug gestaltet sich flexibler.
Abhängig von den Zielen des OEM können die Methoden zur Verbesserung der Gesamteffizienz eines Elektrofahrzeugs unterschiedlich ausfallen: Eine Möglichkeit ist die Verkleinerung der Batterie unter Beibehaltung der gewünschten Reichweite. Dadurch wird das Fahrzeug erschwinglicher, leichter und effizienter. Um mehr elektrifizierte Fahrzeuge für eine breiteres Marktsegment herstellen zu können, muss mit Rohstoffen sorgsam umgegangen werden. Hier steht insbesondere die Effizienz von Anwendungen und Systemen im Vordergrund, da diese in der Regel weniger Rohstoffe und weniger seltene Materialien in der Produktion benötigen. Damit wird entweder die Abhängigkeit in der Versorgung reduziert oder es können mehr Fahrzeuge mit der gleichen Menge an Rohstoffen produziert werden.
Energieumwandlung in Elektrofahrzeugen
Die in der Batterie des EV gespeicherte HV-Energie wird von HV-LV-DC/DC-Wandlern in Niederspannung umgewandelt. Die 12-V-Versorgung aus der HV-Batterie ist für den Betrieb des Fahrzeugs notwendig, da sie ergänzend zur 12-V-Batterie die Aufrechterhaltung der Stromversorgung wichtiger Systeme wie Elektromotoren, Beleuchtung und Navigationssystemen ermöglicht. Aus diesem Grund muss das System so gebaut sein, dass es die von der Automobilindustrie festgelegten funktionalen Sicherheitsstandards erfüllt, um sowohl die Fahrzeuginsassen als auch das Fahrzeug selbst zu schützen.
Typische Netze und Leistungsumwandlungen in einem EV umfassen sowohl HV- (Hochvolt) als auch LV- (Niederspannung)-Anforderungen. Jede Anwendung, die direkt mit der Hochvoltbatterie verbunden ist, wandelt elektrische Energie um, wobei zwischen Lade- und Lastanforderungen unterschieden wird. Aktuelle Fahrzeuge mit einer HV-Hauptbatterie und einer separaten 12-V-Batterie verfügen in der Regel über folgende Funktionen:
- DC-Schnellladung – die Umwandlung von Wechselspannung in Gleichspannung findet außerhalb des Fahrzeugs statt. Anschließend erfolgt die Übertragung direkt an die Batterie.
- Um eine 800-V-Batterie an einer 400-V-Ladestation zu laden, ist im Fahrzeug ein DC/DC-Boost von 400 V auf 800 V erforderlich.
- Das On-Board-Ladegerät (OBC) befindet sich im Fahrzeug und wandelt den gängigen 110/220-V-Wechsel- in Gleichspannung, um die Batterie zu laden.
- Um sowohl die 12-V-Batterie zu laden als auch die 12-V-Lasten während der Fahrt zu betreiben, ist ein performanter HV-LV-DC/DC-Wandler erforderlich.
- Ein 110/220-V-Umrichter wird verwendet, um externe Verbraucher zu betreiben (V2x) oder sogar das Fahrzeug für den Anschluss an das Stromnetz zu nutzen (V2G).
E-Mobility: Reichweite
Wie lässt sich die Reichweite eines E-Autos erhöhen? Höherer Wirkungsgrad durch die richtigen Halbleiter, geringeres Gewicht durch Leichtbau und intelligente Fahrweise sorgen für mehr Reichweite. Welche Technologien dahinter stecken, erfahren Sie hier.
Trennung von Ladung und Last
Mit zunehmender Elektrifizierung und der wachsenden Verfügbarkeit autonomer Fahrzeuge wird die Komplexität des Bordnetzes in den kommenden Generationen deutlich zunehmen (Bild 1). Um mit den steigenden Anforderungen an das Gesamtsystem, wie Redundanz, unabhängige oder verschiedenartige Energiequellen, Schritt halten zu können, bietet sich eine Aufteilung der Hauptbatterie an, sodass Lade- und Lastseite getrennt sind. Ein Aufbau mit zwei 400-V-Batterien würde zum Beispiel das Laden mit 400 V oder 800 V ermöglichen, je nachdem, ob die Batterien in Reihe oder parallelgeschaltet sind. In ähnlicher Weise kann ein Traktionsumrichter auf der Lastseite mit 400 V oder 800 V betrieben werden, was dem Entwickler mehr Möglichkeiten eröffnet, während er gleichzeitig auf Kosten oder Effizienz achten kann.
Auch wenn es sich einfach anhört, bringt ein solcher Aufbau auch neue Hürden mit sich. Zum Beispiel wird ein komplexeres Batteriemanagementsystem und die Verwaltung von Schaltern für eine dynamische Konfiguration der Batteriestränge benötigt. Aber es gibt noch weitere Aspekte, die bei der Optimierung des Energieumwandlungssystems berücksichtigt werden müssen:
- Um höhere Lasten für Wärmepumpen oder selbstregulierende Heizungen zu versorgen, werden mehrere HV-zu-12-V-DC/DC-Wandler benötigt.
- Damit die 12-V-Batterie während des Parkens aufgeladen oder zur Bereitstellung von Stromkapazität für große SOTA-Updates genutzt werden kann, ist ein „always on“-HV-zu-12-V-DC/DC-Wandler erforderlich.
- Für noch leistungsstärkere Lasten etablieren sich 48-V-Lösungen. Dabei wird zur Versorgung ein HV-zu-48-V-DC/DC-Wandler benötigt.
- Um Batterie-Ladezustände auszugleichen, kann ein aktives DC-zu-DC-System zum Einsatz kommen.
- Einige Fahrzeuge bieten ein Solar-Upgrade an, bei dem Solarzellen auf dem Dach angebracht werden, um die Reichweite zu erhöhen. Auch diese Spannung muss umgewandelt werden, um die HV-Batterie zu laden.
Die zusätzliche Flexibilität im Design des elektrischen Antriebsstrangs ermöglicht skalierbare Plattformlösungen und eine einfachere Anpassung an die bestehende Ladeinfrastruktur.
Um die Vorteile eines solchen Antriebsstrangs nutzen zu können, wird die Trennung des On-Board-Ladegeräts vom DC/DC-Wandler immer attraktiver. OEMs führen dedizierte DC/DC-Einheiten ein, die die verschiedenen Anwendungsanforderungen integrieren und den OBC abtrennen. Dadurch kann sich die Industrie auf standardisierte und optimierte OBC-Lösungen konzentrieren, die den ISO-15118-Standard unterstützen. Auf diese Weise lässt sich die separate DC/DC-Einheit für spezifische Fahrzeuganforderungen optimieren.
Letztlich geht es aber nicht nur um zusätzliche Flexibilität im Antriebsstrang, sondern auch um zusätzliche Funktionen und Mehrwerte. Beispielsweise lässt sich mit zwei 400-V-Batterien eine Limp-Home-Funktion leichter implementieren: Fällt ein Batteriepack aus, wird es abgeschaltet. Mit der anderen Batterie kann das Fahrzeug trotzdem zuverlässig weiter betrieben werden und gelangt sicher an das gewünschte Ziel.
Ein typischer DC/DC-Wandler
Ein klassischer HV-LV-DCDC-Wandler (Bild 2) für EVs besteht aus verschiedenen Komponenten: SiC-Leistungs-MOSFETs, Si-Superjunction-MOSFETs oder IGBTs für das Schalten, Si-Leistungs-MOSFETs für die synchrone Gleichrichtung, magnetische Komponenten und Kondensatoren für die Energieübertragung und -filterung, Steuerschaltungen für die Spannungsregelung und den Schutz, Kühlkörper für die Kühlung und das Wärmemanagement, Leiterplatten und Gehäuse sowie Sicherheits- und Schutzschaltungen für Unterspannung, Überspannung, Übertemperatur und Überstrom.
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Bei einem HV-LV-DC/DC-Wandler (Bild 3) für EVs kann es schwierig sein, das genaue Verhältnis zwischen den Halbleiterkosten und den Gesamtkosten der Anwendung zu bestimmen. Die Kosten hängen von mehreren Faktoren ab, etwa von der Komplexität des Wandlers, der Größe des Systems, der Qualität und Quantität der verwendeten Komponenten sowie von andere Design-Überlegungen. Schätzungen zufolge machen die Kosten für Halbleiter, wie SiC- oder GaN-basierte Bauelemente, zwischen zehn und 30 Prozent der Gesamtkosten eines HV-LV-DC/DC-Wandlers aus.
Bei der Entwicklung eines HV-DC/DC-Wandlers geht es jedoch nicht nur um Halbleiter. Angesichts wachsender Produktionsvolumina, neuer Plattformkonzepte und flexibler Fahrzeugkonfigurationen müssen Entwickler auch die Herstellbarkeit, Reparierbarkeit, Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit berücksichtigen.
Infineon bietet komplette und komplementäre Chipsätze an, die speziell für derartige Anwendungen entwickelt wurden. Entwicklern steht damit ein Komplettanbieter für Halbleiter zur Seite, der alle benötigten Komponenten bereitstellt und es ihnen ermöglicht, sich ganz auf die Entwicklung der Applikation zu konzentrieren. Dadurch sind sie in der Lage, schnellstmöglich differenzierte, leistungsfähige und effiziente Lösungen auf den Markt zu bringen, die auch die Integration des Elektrofahrzeugs in die gesamte Ladeinfrastruktur und das Stromnetz berücksichtigen.
Aus makroökonomischer Sicht stellen sich weitere Fragen zur Integration der EV ins Gesamtkonzept: Wird genügend Ökostrom produziert und ist er verfügbar? Wird auf AC- oder DC-Laden gesetzt? Wie kann das Elektrofahrzeug in einem V2X-Szenario Teil des Stromnetzes werden? Könnte das Fahrzeug sogar eine mobile Energiebank sein, die wertvolle Energie zwischenspeichert, die bei Bedarf ins Netz eingespeist wird? All diese Überlegungen beeinflussen die Nutzungsprofile von Fahrzeugen und Anwendungen. Sie ermöglichen aber auch neue Anwendungsfälle und Geschäftsmodelle. Abhängig von der Anwendung werden unterschiedliche Komponenten für die Umsetzung benötigt: Ein Fahrzeug, das über eine DC-Wallbox geladen wird, benötigt andere Komponenten als ein für AC-Ladestationen konzipiertes Fahrzeug (Bild 4). Umso wichtiger ist es für Entwickler, dass ein Anbieter über ein breites Portfolio verfügt, das viele verschiedene Branchen und Anwendungsszenarien berücksichtigt.
Künftige Herausforderungen
All diese Entwicklungen ebnen den Weg für die nächste Generation von Fahrzeugen und Anwendungen. Schon bald könnten zum Beispiel effizienzoptimierte OBCs luftgekühlt sein, was mehr Flexibilität bei der Fahrzeugintegration erlaubt.
Mit HV-zu-12-V-DC/DC-Wandlern kann eine 12-V-Versorgung umgesetzt werden. Damit stellt sich schnell die Frage, ob eine gesonderte 12-V-Batterie in Zukunft überhaupt noch notwendig sein wird. Ein wichtiger Punkt, denn bei der heute verwendeten 12-V-Batterie handelt es sich in der Regel um eine Blei-Säure-Batterie. Obwohl die Verwendung von Blei derzeit noch durch eine Ausnahmeregelung in den RoHS- und ELV-Richtlinien (End of Life Policy) für Fahrzeuge abgedeckt ist, könnte die Ausnahmeregelung früher oder später auslaufen. Spätestens dann müsste die Blei-Säure-Batterie durch eine Li-Ionen-Batterie ersetzt werden, was zusätzliche Kosten verursachen würde. Aus diesem Grund gibt es Überlegungen, die 12-V-Batterie ganz zu entfernen. Das erfordert aber ein völlig neues Antriebs- und Netzwerkkonzept.
Das betrifft zum Beispiel kritische Funktionen wie die Brake-by-Wire- oder Steer-by-Wire-Anwendung. Deren Funktion darf unter keinen Umständen beeinträchtigt werden. Redundanz ist daher unumgänglich, von der Stromquelle bis zur Last, einschließlich der beiden Hauptbatterien, redundanter HV-12-V-DC/DC-Wandler und HV-Lastpfad. Auf diese Weise arbeitet der Antriebsstrang auch ohne 12-V-Batterie zuverlässig – gleichzeitig wird das Gewicht und der Platzbedarf reduziert, was wiederum die Fahrzeugeffizienz verbessert. Darüber hinaus können skalierbare Fahrzeugplattformen realisiert werden, die sowohl erschwingliche Marktsegmente als auch Hochleistungsfahrzeuge abdecken. (na)