
Traktionswechselrichter sind in E-Autos die größten Energieverbraucher. Um den Wirkungsgrad der Systeme zur erhöhen, kommen SiC-FETs zum Einsatz, die entsprechende Treiber benötigen. (Bild: Texas Instruments)
Mit ihren Leistungen von 150 kW und mehr sind die Traktionswechselrichter eindeutig die größten Energieverbraucher in Elektrofahrzeugen (EVs). Wirkungsgrad und Leistungsfähigkeit der Traktionswechselrichter wirken sich folglich unmittelbar darauf aus, wie weit ein Elektrofahrzeug mit einer Ladung fahren kann. Für höheren Wirkungsgrad kommen hierbei vermehrt SiC-FETs zum Einsatz.
Die in Bild 1 gezeigten isolierten Gatetreiber-ICs sorgen auf dem Weg vom Eingang zum Ausgang für die galvanische Isolation zwischen Nieder- und Hochspannung. Außerdem steuern sie die high- und low-seitigen Leistungsstufen der einzelnen Phasen des SiC-basierten Wechselrichters an und überwachen und schützen den Wechselrichter bei verschiedenen Fehlerzuständen. Abhängig von den jeweiligen, durch den Automotive Safety Integrity Level (ASIL) vorgegebenen Functional-Safety-Anforderungen, muss der Gatetreiber-IC möglicherweise ISO-26262-konform sein, was bei Einzelfehlern und latenten Fehlern eine Detektierungsquote von ≥99 Prozent bzw. ≥90 Prozent erfordert.

Der vorliegende Artikel befasst sich in erster Linie mit der in Echtzeit variierbaren Gatetreiberstärke. Dieses neue Feature bietet die Möglichkeit, Systemparametern wie den Wirkungsgrad (der sich auf die Reichweite eines EV auswirkt) und die SiC-Überschwinger (die die Zuverlässigkeit beeinflussen) zu optimieren.
Echtzeitvariable Gatetreiberstärke
Der Gatetreiber-IC muss die SiC-FETs so effizient wie möglich einschalten und gleichzeitig die Schalt- und Leitungsverluste minimieren, in die sowohl die Einschalt- als auch die Abschaltenergie eingehen. Durch Kontrollieren und Variieren des Stroms, mit dem das Gate angesteuert wird, lassen sich zwar die Schaltverluste senken, jedoch kommt es dadurch während der Schaltvorgänge zu vermehrten Überschwingern am Schaltknoten. Über den Gatetreiberstrom lässt sich die Anstiegsgeschwindigkeit von SiC-FETs bestimmen (Bild 2).

Durch die Möglichkeit, den Gatetreiberstrom in Echtzeit zu variieren, lassen sich nicht nur die Überschwinger kontrollieren, sondern es ist auch eine Designoptimierung über den gesamten Energiezyklus der Hochspannungsbatterie möglich. Bei einer vollständig aufgeladenen Batterie mit einem Ladezustand zwischen 80 und 100 Prozent sollte eine niedrige Gatetreiberstärke gewählt werden, um die Spannungs-Überschwinger an den SiC-FETs in Grenzen zu halten. Wenn dagegen der Batterieladezustand anschließend von 80 auf 20 Prozent abfällt, ist es mithilfe einer höheren Treiberstärke möglich, die Schaltverluste zu reduzieren und den Wirkungsgrad des Traktionswechselrichters entsprechend zu erhöhen. Da diese Szenarien bei 75 Prozent des Ladezyklus möglich sind, kann die Wirkungsgradsteigerung durchaus signifikant sein.
Aus Bild 3 ist zu entnehmen, wie sich die zulässige Höhe der Überschwinger und die Batteriespannung mit dem Ladezustand verändern.

Der für 20 A ausgelegte SiC-Gatetreiber UCC5880-Q1 bringt ausgefeilte Schutzfunktionen für Traktionswechselrichter in Automotive-Anwendungen mit. Seine Gatetreiberstärke ist zwischen 5 A und 20 A variierbar, wobei die Einstellung über einen bidirektionalen 4-MHz-SPI-Bus (Serial Peripheral Interface) oder über drei digitale Eingangspins erfolgt. Bild 4 zeigt die Implementierung mit den beiden geteilten Ausgängen, die die variable Gatetreiberstärke möglich machen.

Evaluierung der Schaltvorgänge der Leistungsstufe per DPT
Eine gängige Methode zum Evaluieren der Schalteigenschaften der Leistungsstufe eines Traktionswechselrichters ist der Doppelpuls-Test (DPT), der den SiC-Leistungsschalter bei verschiedenen Strömen ein- und ausschaltet. Durch Variieren der Schaltzeiten ist es möglich, die Ein- und Ausschaltkurven des SiC-Schalters bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen zu kontrollieren und zu messen. Dies wiederum erlaubt eine Beurteilung des Wirkungsgrads und der Überschwinger, die letztendlich Einfluss auf die Zuverlässigkeit haben. In Bild 5 ist zu sehen, wie der Gatetreiber UCC5880-Q1 mit variabler Treiberstärke, die SiC-Halbbrücke und die low-seitige DPT-Beschaltung miteinander verbunden sind.

Die in Tabelle 1 gezeigten Ergebnisse machen deutlich, wie es mithilfe eines SiC-Gatetreibers mit variabler Treiberstärke gelingt, die Überschwinger in Grenzen zu halten, den Wirkungsgrad zu maximieren und die thermischen Eigenschaften zu optimieren. Bei EON und EOFF handelt es sich um die Einschalt- bzw. Abschaltverluste. VDS,MAX ist die maximale Höhe der Spannungs-Überschwinger, und bei TOFF und TON (dv/dt) handelt es sich um die Änderungsraten von VDS beim Ein- bzw. Abschalten.

Eindämmung der Überschwinger
Die in Bild 6 dargestellten Kurven verdeutlichen die Auswirkungen der variablen Gatetreiberstärke auf die Überschwinger der SiC-FETs, wenn der Widerstand und die Treiberstärke des Gatetreibers UCC5880-Q1 in Echtzeit variiert werden. Durch schwächeres Ansteuern des Gates (Abschalten des SiC-FET) werden die Überschwinger in der Leistungsstufe verringert.

Schwerpunktthema: E-Mobility

In diesem Themenschwerpunkt „E-Mobility“ dreht sich alles um die Technologien in Elektrofahrzeugen, Hybriden und Ladesäulen: Von Halbleitern über Leistungselektronik bis E-Achse, von Batterie über Sicherheit bis Materialien und Leichtbau sowie Test und Infrastruktur. Hier erfahren Sie mehr.
Zu Vergleichszwecken sind in Tabelle 2 die tatsächlichen Messwerte aufgelistet. Abhängig von den Parasitics im System und den Vorgaben zum Reduzieren der Störaussendungen kann zwischen der Höhe der Überschwinger, der Anstiegsgeschwindigkeit und den Schaltverlusten abgewogen werden.

Steigerung der Reichweite
Wird die hohe Treiberstärke des UCC5880-Q1 zur Minderung der SiC-Schaltverluste genutzt, kann je nach Leistung des Traktionswechselrichters eine beträchtliche Wirkungsgradsteigerung erzielt werden. Unter Anwendung des WLTP-Zyklus (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) und realistischer Geschwindigkeits- und Beschleunigungswerte gemäß Bild 7 ergab sich eine Wirkungsgradverbesserung der SiC-Leistungsstufe von 2 Prozent, was die Reichweite pro Batterie um etwa 11 km erhöht. Diese Distanz kann beispielsweise darüber entscheiden, ob eine Ladestation noch erreicht wird oder nicht.

Der UCC5880-Q1 enthält zusätzlich eine Funktion zum Überwachen der Gate-Schwellenspannung des SiC-FET. Über die gesamte Lebensdauer des Systems nimmt dieses Feature bei jedem Einschalten des EV eine Messung der Gate-Schwellenspannung vor, um dem Mikrocontroller Daten zur Verfügung zu stellen, aus denen ein bevorstehender Ausfall des Leistungsschalters abgelesen werden kann.
Zusammenfassung
Die Leistung von EV-Traktionswechselrichtern nähert sich der Marke von 300 kW, sodass es unbedingt notwendig ist, die Zuverlässigkeit und den Wirkungsgrad zu verbessern. Hilfreich kann hierbei die Verwendung eines isolierten SiC-Gatetreibers mit in Echtzeit variierbarer Treiberstärke sein, wie er mit dem UCC5880-Q1 angeboten wird. Zu dem Baustein wird Support in Form von Designtools angeboten, zu denen Evaluation Boards, Anleitungen und ein Functional Safety Manual gehören. (na)
Lesen Sie dazu das Whitepaper Traction Inverter – A Driving Force Behind Vehicle Electrification.
Interessant ist ebenfalls der Fachartikel Improving Safety in EV Traction Inverter Systems.