Batteriesysteme liefern Tausende Datenpunkte, die es zu nutzen gilt, um Gefahren wie ein Thermal Runaway oder Zellungleichgewichte abzuwenden. Erreichen gebrauchte Batterien das Ende ihres ersten Lebens, typischerweise bei etwa 70 bis 80 Prozent State of Health (SoH), müssen längst nicht alle zum Recycling. Mithilfe von Batteriesoftware, die Transparenz in Leistungs- und Gesundheitsparameter bringt, können Anwender fundiert darüber entscheiden, welche Batterien sie weiterverwenden können.
Simulationsmodelle im Batteriedesign
Batterieingenieure nutzen Simulationsmodelle, um das Verhalten von Batterien und deren Leistung unter verschiedenen Bedingungen vorherzusagen. Simulationssoftware hilft dabei, Batterien entsprechend ihrer Anwendung zu konzipieren und potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen. Die Modelle können außerdem kosten- und zeitintensive physische Tests an echten Batterien ersetzen. Anstatt eine Batterie über Monate hinweg im Labor zu testen, liefern sie relevante Ergebnisse in kürzester Zeit.
Alterungsmodelle beispielsweise simulieren unterschiedliche Alterungsprozesse innerhalb der Batteriezellen unter verschiedenen Betriebsbedingungen. So können Ingenieure und Forscher die Batteriealterung und dementsprechende Leistung über einen bestimmten Zeitraum hinweg besser vorhersagen und optimieren. In den vergangenen Jahren wurden bedeutende Fortschritte bei Alterungsmodellen erzielt; die neuesten Versionen erfassen komplexe Prozesse wie Lithium Plating oder Elektrolytzersetzung.
Schwerpunktthema: E-Mobility
In diesem Themenschwerpunkt „E-Mobility“ dreht sich alles um die Technologien in Elektrofahrzeugen, Hybriden und Ladesäulen: Von Halbleitern über Leistungselektronik bis E-Achse, von Batterie über Sicherheit bis Materialien und Leichtbau sowie Test und Infrastruktur. Hier erfahren Sie mehr.
Besserer Überblick zu OCV und SOC
Neue Modelle bieten noch einen weiteren Vorteil: Sie simulieren die Leerlaufspannung (Open-Circuit Voltage, OCV) nicht nur zu Beginn des Lebenszyklus, sondern über die gesamte Lebensdauer der Batterie und verbessern damit die Genauigkeit elektrischer Simulationen erheblich. Die OCV ist elementar, um den Ladezustand (State of Charge, SoC) einer Batterie zu bestimmen. Dieser kann nicht einfach mithilfe von Sensordaten abgelesen werden. Die Sensoren liefern lediglich Daten zu Spannung, Strom und Temperatur. Deshalb wird der SoC anhand der Spannung berechnet. Die OCV ändert sich jedoch mit Temperatur und Batteriealterung. Dies ist besonders problematisch für LFP-Batterien (Lithium-Eisenphosphat) mit flachem OCV-Verlauf, bei denen kleine Abweichungen in der Spannung zu großen Verzerrungen bei der SoC-Schätzung führen.
Ein Lösungsansatz, bekannt als OCV-Alterung, integriert deshalb ein Alterungsmodell für die OCV-Kurve in Batteriemodelle, um die Veränderungen der OCV-Kurve im Laufe der Zeit zu simulieren. Dies ermöglicht es Ingenieuren, die Leerlaufspannung sowie die anodischen und kathodischen Potenziale separat zu rekonstruieren, was die Genauigkeit elektrischer Modelle, insbesondere für gealterte Zellen, erheblich verbessert.
Sicherheit ist mehr als BMS
Batterien verfügen über diverse Sicherheitssysteme, um einen gefahrlosen Betrieb zu gewährleisten. Zentral ist hierbei das Steuergerät, auch Batteriemanagementsystem (BMS) genannt. Es wird verwendet, um Batterien innerhalb sicherer Grenzen zu betreiben. Jedoch gibt es mehrere Gründe dafür, dass ein BMS allein für die Sicherheit einer Batterie nicht ausreicht. Ein wesentlicher Faktor ist seine Funktionsweise. Ein BMS gibt dem übergeordneten System, etwa dem Antriebsstrang eines Fahrzeugs, dynamische Strom- sowie Leistungsgrenzen vor, welche zusammen mit den Temperatur- und Spannungsgrenzen eingehalten werden müssen. Ist dies nicht der Fall, schränkt das BMS den Betrieb ein oder schaltet die Batterie aus Sicherheitsgründen komplett ab. Aufgrund der geringen Speicher- und Rechenleistung der BMS-Chips ist es dem BMS nicht möglich, historische Daten auszuwerten und komplexe Algorithmen auszuführen. Dies bedeutet, dass das BMS weder Trends noch Anomalien erkennen kann, die auf künftige Probleme hinweisen.
Wird eine Batterie zu oft in ihrem Grenzbereich verwendet, verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand. Eine gealterte Batterie ist wiederum anfälliger für Risiken, die zu Vorfällen wie Thermal Runaway führen können zur Überhitzung einer Zelle infolge eines sich selbst verstärkenden wärmeproduzierenden Prozesses. Dabei können benachbarte Zellen ebenfalls überhitzen, wodurch eine Kettenreaktion, eine so genannte thermische Ausbreitung, entsteht. Das Resultat ist ein Batteriebrand (Bild 2).
Ein Vorfall wie Thermal Runaway wird von vielen verschiedenen internen und externen Faktoren beeinflusst; ein Beispiel dafür ist Lithium Plating. Dabei lagern sich beim Laden der Batterie Lithium-Ionen an der Anode ab und bilden metallisches Lithium, das die Batterie schneller altern lässt. Im schlimmsten Fall kann so ein interner Kurzschluss entstehen. Lithium Plating entsteht insbesondere dann, wenn Batterien schnell oder übermäßig geladen werden. Auch das Laden bei niedrigen Temperaturen erhöht das Risiko von Lithium Plating.
Risiken eines Ungleichgewichts zwischen Batteriezellen
Ein weiteres Beispiel sind Ungleichgewichte zwischen den einzelnen Batteriezellen. Die Zellen sind einander ähnlich, aber nie identisch – aufgrund von Qualitätsschwankungen, die bei der Herstellung auftreten. Daher verhalten sich und altern die Zellen nicht gleich. Die unterschiedlichen Alterungspfade führen zu größeren Ungleichgewichten zwischen den Batteriezellen bezüglich Kapazität und Innenwiderstand sowie folglich SoH und SoC. Das BMS hat die Aufgabe, Leistungsunterschiede der einzelnen Zellen auszugleichen, um die Gesamtleistung zu verbessern. Gerade bei gealterten Batteriesystemen kann es das Gleichgewicht oft nicht mehr herstellen, womit schwache Zellen aus ihren sicheren Betriebsgrenzen gedrängt werden können – einschließlich unsicherer Temperatur- oder Spannungsfenster. Ein Betrieb im Grenzbereich wiederum erhöht das Risiko eines Thermal Runaway.
In großen Akkupacks, wie sie in Elektrofahrzeugen verwendet werden, können inhomogene Kühlung und Fertigungstoleranzen zu weiteren Ungleichgewichten führen. Diese erhöhen im Laufe der Zeit das Risiko von Bränden, da die Unterschiede in Temperatur, Spannung und Ladezustand innerhalb des Akkupacks zunehmen.
Das BMS greift in der Regel beim Erreichen von Strom,- Spannung- und Temperaturgrenzen ein und reduziert den Betrieb beziehungsweise schaltet sich ab, um einen Brand zu verhindern. Eine unerwartete Leistungsreduktion oder gar ein Abschalten der Batterie ist nicht nur ärgerlich für den Betreiber, sondern kann auch zu riskanten Szenarien wie dem Ausfall des Antriebs oder der Assistenzsysteme führen.
Für einen sicheren Betrieb sind weitreichendere Analysen als die eines BMS notwendig. Da das BMS keine historischen Daten analysiert, werden Reaktionen innerhalb von Zellen, wie Lithium Plating, vom BMS nur schwer erkannt. Auch andere Trends und Anomalien, die auf Fehler hindeuten, kann ein BMS nur unzureichend erkennen. Dafür ist intelligente Batterieanalytik nötig. Sie bietet, unterstützt durch künstliche Intelligenz, eine zusätzliche Sicherheitsebene, indem sie frühzeitig Indikatoren für sich verschlechternde Batteriezustände, wie Lithium Plating, erkennt und davor warnt. Dieses Frühwarnsystem gibt Zeit, um Fehler des Batteriesystems zu reparieren und Thermal Runaway zu vermeiden.
Datenintelligenz für einen zuverlässigen Betrieb
Zellungleichgewichte können nicht nur zu Sicherheitsrisiken führen. Sie sorgen beispielsweise auch dafür, dass die schlechteste Zelle über die Leistung des gesamten Batteriepacks entscheidet. Wird eine Batterie geladen, wird nicht jede einzelne Zelle den gewünschten SoC, beispielsweise von 100 Prozent, erreichen.
Gehen wir etwa davon aus, dass ein Batteriepack aus vier Zellen besteht (Bild 3). Wird die Batterie entladen, ist die rechte Zelle vor allen anderen entladen. Die anderen drei Zellen könnten theoretisch noch weiter entladen werden, sind aber von der rechten Zelle begrenzt. Bei der Ladung verhält es sich umgekehrt: Die zweite Zelle von links erreicht zuerst 100 % SoC. Alle anderen könnten noch weiter Energie aufnehmen, werden aber von der vollständig geladenen Zelle daran gehindert. Somit kann die Batterie nicht ihre mögliche Gesamtleistung erbringen.
Solche SoC-Ungleichgewichte können aufgrund von Qualitätsunterschieden oder inhomogenem Temperaturverhalten entstehen, aber auch infolge der Art und Weise, wie das BMS den Ladezustand ermittelt. Normalerweise berechnet es den SoC anhand der sogenannten Coulomb-Zählung sowie auf Grundlage der Spannung. Die Coulomb-Zählung misst den Strom der Batterie. Allerdings häufen sich Fehler, wenn diese über einen längeren Zeitraum verwendet wird, ohne sie vollständig zu laden oder zu entladen, was eine genaue Schätzung des SoC erschwert. Die Einschränkung bei der Spannungsmethode ist, wie oben erwähnt, dass sich die Leerlaufspannung (OCV) mit der Temperatur und der Alterung ändert. Mittels KI können Unterschiede und Ungleichgewichte zwischen den Zellen sichtbar gemacht werden, was einen gezielten Ausgleich ermöglicht und somit den zuverlässigen, sicheren Betrieb der Batterien gewährleistet. Das ist besonders wichtig für die langfristige Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Elektrofahrzeugen. Bevor ein Auto unterwegs unerwartet liegen bleibt, warnt intelligente Batteriesoftware vor möglichen Ausfällen und gibt dem Nutzer Zeit, diese Fehler frühzeitig zu beheben.
SoH entscheidend für zweites Leben
Viele E-Fahrzeuge aus erster Hand werden nun weiterverkauft. Für die Bestimmung des Restwerts spielt der SoH eine große Rolle. Batteriereports wie die vom Battery Quick Check [1] bestimmen mithilfe intelligenter Algorithmen präzise den Batteriezustand. Mit der gewonnenen Transparenz bezüglich des SoH der Batterie lassen sich gebrauchte E-Fahrzeuge meist besser weiterverkaufen.
Erreicht eine Batterie einmal 80 Prozent SoH, ist für sie meist Schluss mit ihrer Erstanwendung. Jedoch müssen nicht alle Batterien ins Recycling. Genaue Analysen mit intelligenter Batteriesoftware ermöglichen präzise Aussagen über Gesundheitsparameter wie die Remaining Useful Lifetime, die darüber entscheiden, ob eine Kfz-Batterie in einem zweiten Leben als Energiespeicher genutzt werden kann.
Fazit: Batteriedaten nutzbar machen
Batteriesysteme liefern Tausende Datenpunkte. KI und intelligente Software nutzen diese, um verdeckte Anomalien und Trends zu erkennen und Gesundheitswerte präzise zu bestimmen. Dank dieser Transparenz können Batterien dementsprechend designt, präventiv gewartet und in eine zweite Anwendung überführt werden. Sie werden damit sicherer, zuverlässiger und nachhaltiger. (laa)