Einblicke in den Wendelstein 7-X Fusionsreaktor. Der Rekord beim Tripleprodukt weckt Hoffnung auf einen Durchbruch bei der Fusionsforschung.(Bild: Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Jan Hosan)
Am 22. Mai 2025 ist am Wendelstein 7-X ein Weltrekord für das Tripelprodukt bei langen Plasmapulsen gelungen. Aber was steckt eigentlich dahinter und was bedeutet das für die Zukunft der Fusionsenergie? Ein Antwortversuch.
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TL;DR – Zusammenfassung zum Rekord und Hintergründe im Wendelstein 7-X
Wendelstein 7-X, der weltweit größte Stellarator, hat 2025 einen neuen Weltrekord für das Tripelprodukt bei langen Plasmapulsen aufgestellt – ein entscheidender Schritt in Richtung dauerhafter Fusionsenergie. Dank innovativer Pelletinjektion und internationaler Kooperation gelingt es nun, Plasmen mit hoher Temperatur, Dichte und Energieeinschlusszeit über Dutzende Sekunden stabil zu halten. Damit demonstriert der Stellarator seine potenzielle Überlegenheit für den Dauerbetrieb gegenüber Tokamaks. Die Forschungsanlage in Greifswald prüft zentrale Fragen zur Kraftwerkstauglichkeit, Materialbelastung und Effizienz der Fusion, bleibt aber ein reines Experiment: Kommerzielle Fusionskraftwerke sind weiterhin Zukunftsmusik, aber die Tür dahin steht nun ein Stück weiter offen.
Kernfusion gilt als der Heilige Gral der Energieerzeugung – sauber, sicher und fast unerschöpflich. Doch was steckt hinter all den Schlagzeilen über Mega-Projekte wie Wendelstein 7-X, was kann die Forschung in Deutschland beitragen – und wie weit ist sie wirklich? Ein Blick auf das Herz der deutschen Fusionsforschung, das einen neuen Rekord aufgestellt hat.
Neuer Weltrekord: Was hat Wendelstein 7-X beim Tripelprodukt erreicht?
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Groß war die Aufregung, als am 22. Mai 2025 eine Pressemeldung durch den Äther wanderte: Am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald wurde ein Meilenstein der Fusionsforschung erreicht. Was war genau passiert? Wendelstein 7-X (W7-X), der größte und leistungsfähigste Stellarator der Welt, erzielte im Rahmen der OP 2.3-Experimentalkampagne einen neuen Weltrekord für das sogenannte Tripelprodukt bei langen Plasmaentladungen. Über stolze 43 Sekunden hinweg wurde dieser entscheidende Fusionsparameter auf einem bislang unerreichten Niveau gehalten – und das erstmals auf Augenhöhe mit den besten Tokamaks, jedoch mit deutlich längerer Pulsdauer.
Ermöglicht wurde dieser Erfolg durch eine enge internationale Zusammenarbeit, insbesondere mit dem Oak Ridge National Laboratory (USA), das einen neuartigen Pelletinjektor beisteuerte. Dieser schoss während des Rekords etwa 90 Millimeter-große Wasserstoffpellets präzise in das Plasma und sorgte so für die notwendige kontinuierliche Brennstoffzufuhr – eine Technik, die für künftige Fusionskraftwerke essenziell ist.
Die dabei erreichten Plasmatemperaturen lagen bei über 20, in der Spitze sogar 30 Millionen Grad Celsius; die Energiebilanz wurde weiter verbessert und auch beim Verhältnis von Plasma- zu Magnetdruck wurden neue Höchstwerte gemessen. Diese Rekorde sind nicht nur Zahlenspiele, sondern markieren einen substantiellen Fortschritt: Erstmals haben die Forscher gezeigt, dass Stellaratoren bei langen Pulsen das Fusionsniveau führender Tokamaks erreichen können. Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem Kraftwerk mit echtem Dauerbetrieb. Aber auch erst einmal nur ein Schritt. Hier beantworten wir wichtige Fragen rund um den Wendelstein 7-X. Für Eilige geht es per Klick direkt zum entsprechenden Abschnitt.
Beginnen wir mit einem Blick in die Vergangenheit. Seit Jahrzehnten konkurrieren zwei Konzepte um die Krone der kontrollierten Kernfusion: Tokamak und Stellarator (und ja, die Trägheitsfusion gibt es auch noch). Beide verwenden starke Magnetfelder, um das extrem heiße Plasma – ein ionisiertes Gas mit Temperaturen von über 100 Millionen Grad – in einem torusförmigen Vakuumgefäß einzuschließen. Der Tokamak, das bisher am intensivsten erforschte System (ITER, JET, JT-60U), nutzt einen im Plasma selbst induzierten Strom, um die notwendige Feldverdrillung für den Einschluss zu erzeugen. Sein Nachteil: Der Betrieb ist von Natur aus gepulst und auf einige Minuten begrenzt, bevor eine neue „Zündung“ erforderlich ist.
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Der Stellarator hingegen, mit Wendelstein 7-X als das prominenteste Beispiel, erzeugt alle benötigten Magnetfelder ausschließlich durch externe, komplex geformte supraleitende Spulen. Dadurch ist der Dauerbetrieb prinzipiell möglich, ohne dass ein Plasma-Strom aufrechterhalten werden muss. Die Herausforderung: Die Konstruktion und präzise Kontrolle der dreidimensionalen Magnetfeldstruktur ist weitaus anspruchsvoller als beim Tokamak.
Die jüngsten W7-X-Ergebnisse zeigen jedoch, dass dank ausgefeilter Optimierung, supraleitender Technik und internationaler Kooperation Stellaratoren nicht nur konkurrenzfähig sind, sondern könnten für den künftigen Dauerbetrieb sogar im Vorteil sein.
Fusionsanlage Wendelstein 7-X – animiert aus Konstruktionsdaten
Was ist Wendelstein 7-X? Aufbau und Funktionsweise einfach erklärt
Abgesehen von der Tatsache, dass es ein Stellarator ist, ist Wendelstein 7-X auch ein Paradebeispiel für moderne Ingenieurskunst und Grundlagenforschung. Im Zentrum steht ein etwa 16 Meter langer, donut-förmiger Torus mit einem Plasmaradius von 5,5 Metern und einem Plasmavolumen von ca. 30 m³. Das Herzstück ist das supraleitende Magnetsystem: 50 nicht-planare Spulen aus Niob-Titan erzeugen ein dreidimensional optimiertes Magnetfeld, das das Plasma in der Schwebe hält. Die Spulen werden mit flüssigem Helium auf 4 Kelvin (-269 °C) gekühlt und ermöglichen so einen praktisch verlustfreien Dauerbetrieb.
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Das Plasmagefäß aus Edelstahl ist der komplexen Geometrie des Magnetfeldes angepasst und mit einem ausgeklügelten Wandschutz aus Graphit- und Kupferlegierungen ausgestattet, denn das Plasma darf auf keinen Fall die Gefäßwand berühren. Für die gezielte Abfuhr von überschüssigen Teilchen und Energie sorgt ein Divertor, der die „Abgase“ des Plasmas auf besonders robuste Prallplatten leitet.
Die Plasmaheizung erfolgt primär durch Elektronen-Zyklotron-Resonanzheizung (ECRH) mittels Mikrowellen, unterstützt durch Neutralteilcheninjektion. Moderne Diagnostiksysteme (z. B. Interferometer, Spektrometer, Kameras) ermöglichen die präzise Vermessung aller relevanten Plasmaparameter. Das gesamte System ist in einen riesigen Kryostaten und eine strahlungsgeschützte Experimentalhalle eingebettet.
Das Ziel? Den stationären Einschluss von heißem Plasma zu demonstrieren und alle technischen Hürden zur Realisierung eines künftigen Fusionskraftwerks zu identifizieren und zu überwinden. Was, wenn es gelänge, die Energieversorgung der Zukunft verändern könnte.
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Technische Daten und Kennzahlen des Fusionsreaktors im Überblick
14 MW (ECRH/Mikrowellen), plus Neutralteilcheninjektion
Entladungsdauer (maximal)
bis zu 30 Minuten (theoretisch), Rekord: 8 min (2023), 43 s auf Weltrekordniveau (2025)
Energieumsatz (Rekord)
1,8 GJ (bei 360 s Plasmadauer, OP 2.3), 1,3 GJ (bei 480 s, 2023)
Tripelprodukt (n∙T∙τ)
Weltrekord für lange Pulse: > Tokamak-Niveau (bei 43 s, 2025)
Plasmazusammensetzung
Wasserstoff, Deuterium (kein Tritiumbetrieb)
Magnetspulen
50 supraleitende, nicht-planare Spulen (NbTi), 20 kA je Spule
Kühlung
Flüssiges Helium (4 K)
Investitionskosten (bis 2021)
460 Mio. Euro, Gesamt (inkl. Standort): ca. 1,44 Mrd. €
Blick in den Vakuumbehälter von Wendelstein 7-X in Greifswald.(Bild: Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Jan Hosan)
Was sind die wissenschaftlichen Ziele von Wendelstein 7-X?
Wie schon angedeutet, ist das Hauptziel von Wendelstein 7-X die Demonstration, dass Stellaratoren für den Dauerbetrieb eines Fusionsplasmas geeignet sind und die von der Theorie vorhergesagten guten Einschluss- und Stabilitätseigenschaften tatsächlich praxisrelevant erreichbar sind. Besonderes Augenmerk liegt auf:
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Langzeitstabilität: Ein heißes Plasma soll bis zu 30 Minuten stabil eingeschlossen werden können.
Optimierung des Magnetfeldes: Minimierung von Energie- und Teilchenverlusten durch eine ausgeklügelte, dreidimensionale Feldstruktur.
Divertorkonzept: Effiziente Entfernung von Verunreinigungen und überschüssigen Teilchen aus dem Plasma, ohne die Stabilität zu gefährden.
Material- und Komponentenforschung: Belastungstests für Wände, Divertor und Diagnostik unter realitätsnahen Bedingungen.
Plasma-Wand-Wechselwirkung: Untersuchung von Erosions- und Depositionsprozessen, Entwicklung von Strategien zur Minimierung von Verunreinigungen und zur Maximierung der Lebensdauer der Komponenten.
Kontinuierliche Brennstoffzufuhr: Erprobung von Pelletinjektion und deren Wirkung auf den Langzeitbetrieb.
Vergleich Tokamak/Stellarator: Experimenteller Nachweis der Praxistauglichkeit und Vorteile des Stellarator-Prinzips gegenüber dem Tokamak.
In enger Kooperation mit europäischen und internationalen Partnern werden zudem Diagnostik, Simulation und Theorie weiterentwickelt, um den physikalischen und technischen Fortschritt punktgenau zu begleiten. Dazu später mehr.
Überblick über ausgewählte Fusionsreaktoren: Wo sie stehen, was sie machen und wie weit sie sind.
Das deutsche Start-up Proxima Fusion mit Sitz in Münchenentwickelt innovative Stellaratoren als Fusionskraftwerke. Mit rund 30 Mitarbeitern, KI-gestützten Designs und Hochtemperatursupraleitern will das Unternehmen bis 2031 einen energiepositiven Prototyp fertigstellen.(Bild: Proxima Fusion)
Proxima Fusion befindet sich aktuell in der Entwicklungsphase. Mithilfe von 27 Millionen Euro privater Investitionen und öffentlichen Mitteln wird der erste Prototyp vorangetrieben. Die Technologie basiert auf dem Wendelstein 7-X-Experiment in Greifswald, das bereits mehrere Rekorde in der Fusionsforschung aufgestellt hat. Der Einsatz von KI und Hochtemperatursupraleitern optimiert den Designprozess und beschleunigt die Realisierung.(Bild: Screenshot aus https://www.youtube.com/watch?v=ymu8PhsrIJY)
ITER ist ein internationaler Tokamak-Fusionsreaktor, der den Ansatz der magnetischen Einkapselung verfolgt. Der Reaktor befindet sich in Cadarache, Frankreich, und rund 2.000 Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern sind am Projekt beteiligt.(Bild: ITER)
Der aktuelle Projektstatus von ITER sah eigentlich vor, dass der erste Plasma-Versuch im Jahr 2025 stattfinden soll. Allerdings wird sich der Plan aufgrund von Problemen mit Schweißnähten und Rissen in der Fusionskammer verzögern.(Bild: Iter)
Der – im Vergleich zu Iter deutlich kleinere – Stellarator Wendelstein 7-X nutzt einen innovativen Ansatz zur magnetischen Einkapselung und Stabilisierung von Plasmen. Er befindet sich in Greifswald, Deutschland, und wird von etwa 400 Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik betrieben.(Bild: MPI für Plasmaphysik, Anja Ullmann)
2018 gelang es Wendelstein 7-X, ein Plasma für 100 Sekunden stabil zu halten, was als Durchbruch für die Stellarator-Technologie gilt. Nach einer Wartungsphase nahm der Kernfusions-Reaktor im September 2024 den Versuchsbetrieb mit deutlichen Verbesserungen wieder auf. Im Februar 2023 erreichte Wendelstein 7-X dann einen neuen Rekord: Ein Energieumsatz von 1,3 Gigajoule wurde für 480 Sekunden (8 Minuten) aufrechterhalten.Dies übertraf den vorherigen Bestwert um das 17-fache. Die Wissenschaftler planen, den Energieumsatz in den kommenden Jahren auf 18 Gigajoule zu steigern und das Plasma für eine halbe Stunde stabil zu halten.(Bild: MPI für Plasmaphysik, Jan Michael Hosan)
Die National Ignition Facility (NIF) nutzt den Trägheitseinschluss-Ansatz mit Hochleistungslasern, um Brennstoffpellets zur Fusion zu komprimieren. Die Anlage steht in Livermore, Kalifornien, USA, und beschäftigt über 1.000 Mitarbeiter.(Bild: National Ignition Facility)
Im Bild: Die Targetkammer, in der 192 Laserstrahlen mehr als 2 Millionen Joule ultravioletter Energie auf ein winziges Brennstoffpellet lieferten, um am 5. Dezember 2022 eine Fusionszündung in der NIF zu erzeugen. Dabei wurde mehr Energie durch die Fusion erzeugt, als durch die Laser eingebracht wurde.(Bild: Lawrence Livermore National Laboratory)
Das Large Helical Device (LHD) ist ein Stellarator, der seit 1998 zur Erforschung der Plasmaphysik und Fusionsenergie dient. Der Reaktor befindet sich in Toki, Gifu, Japan, und etwa 300 Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten daran.(Bild: National Institutes of Natural Sciences, National Institute for Fusion Science)
2023 konnte im Large Helical Device (LHD) in Japan erstmals die Kernfusion von Wasserstoff und Bor in einem Magneteinschluss-Plasma erfolgreich nachgewiesen werden, ein bedeutender Schritt in Richtung sauberer, nicht-radioaktiver Fusionskraftwerke. Durch das Einbringen von Borkörnchen ins Plasma und das Beschießen mit energiereichen Protonen gelang es, eine signifikante Menge an Heliumkernen zu erzeugen, was die Fusionsreaktion bestätigte. Die Forscher sehen in diesen Ergebnissen eine Basis für die Entwicklung sichererer und umweltfreundlicherer Fusionsreaktoren. TAE Technologies plant bis 2030, Prototypen für Reaktoren zu entwickeln, die auf diesem Konzept basieren und möglicherweise mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen.(Bild: National Institutes of Natural Sciences, National Institute for Fusion Science)
Der OMEGA-Laser, der zur Erforschung der Trägheitsfusion verwendet wird, steht in Rochester, New York, USA. Über 1.000 Mitarbeiter, darunter 450 Wissenschaftler und Ingenieure, arbeiten an diesem Projekt des Laboratory for Laser Energetics (LLE).(Bild: Laboratory for Laser Energetics)
Das OMEGA-Lasersystem der University of Rochester hat erfolgreich neue Fortschritte in der Trägheitsfusion erzielt und damit als potenzieller "Zündfunke" für größere Fusionsreaktionen gedient. Mit nur 28 Kilojoule Laserenergie wurden winzige Kapseln mit Deuterium und Tritium so komprimiert, dass ein Plasma entstand, das Fusionsreaktionen ermöglichte.(Bild: Laboratory for Laser Energetics)
Der Korea Superconducting Tokamak Advanced Research (KSTAR) verfolgt den supraleitenden Tokamak-Ansatz zur Untersuchung der Plasmaphysik und Fusionsenergie. Die Anlage befindet sich in Daejeon, Südkorea, und es sind rund 150 Wissenschaftler und Ingenieure beteiligt.(Bild: Von Michel Maccagnan -Eigenes Werk,CC BY-SA 3.0,Link)
Im Jahr 2020 gelang es KSTAR – „Koreas künstliche Sonne“ – , ein Plasma für 20 Sekunden bei über 100 Millionen Grad Celsius aufrechtzuerhalten, was als großer Meilenstein in der Plasmaphysik gilt. Ende März 2024 brannte das Plasma im Reaktor sogar für 48 Sekunden bei 100 Millionen Grad Celsius.)(Bild: Korea Institute of Fusion Energy (KFE))
Der Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST) verwendet ebenfalls supraleitende Technologie, um Langzeit-Plasmaentladungen zu erforschen. Der Reaktor steht in Hefei, China, mit mehr als 200 Forschern und Technikern im Team.(Bild: Institute of Plasma Physics at Hefei Institutes of Physical Science, Chinese Academy of Sciences)
Im Mai 2023 erreichte EAST einen bedeutenden Durchbruch: Es gelang, ein Plasma für 403 Sekunden (etwa 6,7 Minuten) bei einer Temperatur von 120 Millionen °C aufrechtzuerhalten.. "Key issues for long-pulse high-βNoperation with theExperimental Advanced Superconducting Tokamak(EAST)". Nuclear Fusion 57 (5): 056021.DOI:10.1088/1741-4326/aa626c.ISSN0029-5515. Figure 5,CC BY 3.0,Link)(Bild: Modifiziert nach Xiang Gao, Yao Yang, Tao Zhang, Haiqing Liu, Guoqiang Li, Tingfeng Ming, Zixi Liu, Yumin Wang, Long Zeng, Xiang Han et al. - (2017-03-24). "Key issues for long-pulse high-βNoperation with theExperimental Advanced Superconducting Tokamak(EAST)". Nuclear Fusion 57 (5): 056021.DOI:10.1088/1741-4326/aa626c.ISSN0029-5515. Figure 5,CC BY 3.0,Link)
SMART (SMall Aspect Ratio Tokamak) ist ein neu entwickelter, kompakter Tokamak-Fusionsreaktor an der Universität Sevilla in Spanien.Entwickelt und betrieben wird er vom Plasma Science and Fusion Technology Laboratory unter der Leitung von Professor Manuel García Muñoz und Professorin Eleonora Viezzer. Mit einem geringen Aspektverhältnis und den Abmessungen von nur 1,6 × 1,6 Metern stellt SMART eine innovative Plattform für die Erforschung neuer Plasmageometrien dar, insbesondere der negativen Triangularität.(Bild: Universität Sevilla)
Im Januar 2025 gelang dem SMART-Tokamak erstmals die Erzeugung von Plasma, ein bedeutender Meilenstein in der Fusionsforschung. Durch den Einsatz negativer Triangularität testet der Reaktor ein neuartiges Design, das den Weg zu kleineren und effizienteren Fusionskraftwerken ebnen könnte. Die gewonnenen Daten aus den ersten Plasmatests werden mit Hochgeschwindigkeitskameras im sichtbaren Spektrum aufgezeichnet und analysiert, um die Stabilität und Leistungsfähigkeit des Plasmas zu bewerten.(Bild: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1741-4326/ad8a70)
Zap Energy ist ein in Everett, Washington, ansässiges Unternehmen, das an einer kostengünstigen und kompakten Fusionslösung arbeitet. Das Team um die Gründer Benj Conway, Brian A. Nelson und Uri Shumlak setzt auf die Sheared-Flow-Stabilized Z-Pinch-Technologie, die ohne supraleitende Magnete auskommt und eine wirtschaftlich tragfähige Fusion ermöglichen soll.(Bild: Zap Energy)
Der aktuelle Entwicklungsstand von Zap Energy sieht mit dem Century-Projekt die erste vollintegrierte Demonstration relevanter Fusionskraftwerk-Technologien vor. Während wichtige Meilensteine wie eine stabile Plasmaerzeugung und hohe Neutronenausbeuten erreicht wurden, stehen noch weitere Herausforderungen bevor, darunter die Skalierung der Technologie und die Entwicklung robuster Materialien für den Langzeitbetrieb.(Bild: Zap Energy)
Wie wird das Plasma erhitzt und wie läuft der Langzeitbetrieb?
Die Erzeugung und Aufrechterhaltung eines Fusionsplasmas erfordert enorme Energiemengen, also wirklich enorm. Weit mehr, als ein gewöhnlicher Industriestandort bereitstellen könnte. Bei W7-X kommt vor allem die Elektronen-Zyklotron-Resonanzheizung (ECRH) zum Einsatz: Zehn Gyrotronsender liefern Mikrowellenstrahlen mit einer Frequenz von 140 GHz und einer Gesamtleistung von bis zu 14 MW. Diese werden über Spiegel gezielt ins Plasma eingekoppelt und bringen die Elektronen auf die nötige Temperatur, wodurch auch die Ionen (z. B. Wasserstoffkerne) indirekt aufgeheizt werden.
Ergänzend steht die Neutralteilcheninjektion (NBI) zur Verfügung: Wasserstoffionen werden beschleunigt, neutralisiert und als schnelle Atome ins Plasma eingebracht, wo sie durch Kollisionen zusätzliche Heizleistung liefern. Zusätzliche Heiz- und Diagnosesysteme werden fortlaufend optimiert und erweitert.
Ein entscheidender Fortschritt ist der neue Pelletinjektor, entwickelt am Oak Ridge National Laboratory. Er ermöglicht die kontinuierliche Einspeisung von gefrorenen Wasserstoffpellets (jeweils 3 mm Durchmesser, 3,2 mm Länge) mit Geschwindigkeiten von 300 bis 800 m/s ins Plasma. Durch variable Pulsraten kann das Plasma über viele Sekunden stabil "nachgetankt" werden – eine direkte Vorübung für den Dauerbetrieb künftiger Kraftwerke. Während des Weltrekords wurden 90 Pellets in 43 Sekunden präzise synchronisiert mit der Heizleistung injiziert.
Mit dieser Technik und der präzisen Abstimmung aller Betriebsparameter konnte W7-X erstmals das Tripelprodukt auf Tokamak-Niveau bringen und dabei den Puls deutlich verlängern.
Plasma-Wand-Wechselwirkungen und Materialforschung
Die Schnittstelle zwischen dem extrem heißen Plasma und den vergleichsweise kühlen Wänden der Fusionskammer ist eine der größten Herausforderungen der Fusionstechnologie. In Wendelstein 7-X werden daher umfangreiche Untersuchungen zur Plasma-Wand-Wechselwirkung durchgeführt. Dazu zählen:
Gezielte Gasinjektion: Helium oder Wasserstoff werden in die Plasmarandschicht injiziert, um die lokalen Plasmaparameter und das Verhalten von Verunreinigungen zu studieren.
Mess-Manipulatoren: Spezielle Sonden messen Temperatur, Dichte, Fluktuationen und Magnetfeldstrukturen direkt im Randplasma.
Materialtests: Komponenten werden gezielt dem Plasma ausgesetzt und anschließend auf Erosion und Materialablagerung analysiert.
Laser- und Mikrowellen-Diagnostik: Innovative Methoden erlauben die Untersuchung von Strukturen und Prozessen an der Wand.
Simulation und Modellierung: Experimentelle Resultate werden durch umfangreiche Computerberechnungen interpretiert und für die Entwicklung zukünftiger Kraftwerksmaterialien genutzt.
Ziel ist es, Werkstoffe und Designs zu identifizieren, die den extremen Belastungen durch Hitze, Teilchenbeschuss und Neutronen standhalte. Das ist ein kritischer Schritt auf dem Weg zum wirtschaftlichen Fusionskraftwerk.
Tripelprodukt und Lawson-Kriterium: Was sagt der neue Weltrekord in der Fusionforschung aus?
Der Schlüssel zum Erfolg in der Fusionsforschung ist das sogenannte Tripelprodukt (n∙T∙τ, Lawson-Kriterium). Es beschreibt das Zusammenspiel von Plasmadichte (n), Temperatur (T) und Energieeinschlusszeit (τ). Nur wenn das Produkt dieser drei Größen einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, kann das Plasma mehr Energie durch Fusion erzeugen, als zum Heizen aufgewendet werden muss. Sonst bringt der ganze Aufwand (langfristrig) gesehen nichts, denn wer möchte schon ein Kraftwerk, das Energie verbraucht.
Für einen Fusionsreaktor mit Deuterium-Tritium-Brennstoff liegt die Zielmarke bei etwa 3 × 10²¹ m⁻³ · keV·s. Wendelstein 7-X hat 2025 erstmals bei langen Pulsen Werte erreicht, die den besten Tokamak-Rekorden für diese Pulsdauern entsprechen, und damit eindrucksvoll die Fortschritte des Stellarator-Prinzips unter Beweis gestellt.
Die Messung des Tripelprodukts erfordert hochpräzise Diagnostik, etwa zur Bestimmung der Ionentemperatur (X-ray-Spektrometer), der Plasmadichte (Interferometer) und der Energieeinschlusszeit (verschiedene Sensoren). All diese Systeme werden am W7-X ständig weiterentwickelt, um die Grenzen des Machbaren auszuloten.
FAQ: Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um Wendelstein 7-X und Fusion
Wie funktioniert Wendelstein 7-X? Die supraleitenden Magnetspulen werden mit flüssigem Helium auf 4 K gekühlt und erzeugen ein komplexes Magnetfeld, das das Plasma stabil einschließt. Einmal eingespeister Strom kann widerstandslos zirkulieren und das Feld dauerhaft aufrechterhalten – Voraussetzung für den Dauerbetrieb.
Wie erzeugt ein Fusionsreaktor Strom? Analog zu konventionellen Kraftwerken: Die durch Fusion freigesetzte Wärme erhitzt Wasser (bzw. ein anderes Medium), der entstehende Dampf treibt eine Turbine an, ein Generator wandelt die Rotationsenergie in Strom um.
Wie viel Strom könnte ein Fusionskraftwerk liefern? Ein künftiges Fusionskraftwerk wird auf etwa 1000 Megawatt elektrische Leistung ausgelegt – ideal für die Grundlastversorgung.
Wie funktioniert Kernfusion in Sternen? In Sternen verschmelzen Wasserstoffkerne bei extrem hohen Temperaturen (über 10 Mio. °C) zu Helium, wobei gewaltige Energiemengen freiwerden. Im Labor versucht man, diese Bedingungen nachzustellen – mit Magnetfeldern statt Gravitationsdruck.
Hat Kernfusion radioaktive Abfälle? Im Unterschied zur Kernspaltung entstehen bei der Fusion keine langlebigen, hochradioaktiven Abfälle. Aktivierung entsteht primär durch Neutronen aus Fusionsreaktionen, etwa in Wandmaterialien – diese sind aber weitaus weniger problematisch als Spaltprodukte.
Was ist besser: Tokamak oder Stellarator? Jeder Ansatz hat Vor- und Nachteile. Tokamaks sind einfacher zu bauen und besser erforscht, arbeiten aber nur im Pulsbetrieb. Stellaratoren wie Wendelstein 7-X sind komplexer, ermöglichen jedoch echten Dauerbetrieb, was für Kraftwerke ein entscheidender Vorteil sein könnte.
Wie teuer ist so eine Anlage? Die Investitionskosten für Wendelstein 7-X lagen bis 2021 bei rund 460 Mio. €; einschließlich Standort, Betrieb und Personal bei etwa 1,44 Mrd. €. Zum Vergleich: ITER (Tokamak) wird auf 18–22 Mrd. € geschätzt.
Wo stehen die wichtigsten Fusionsanlagen? In Europa: Wendelstein 7-X (Greifswald, Stellarator), ASDEX Upgrade (Garching, Tokamak), ITER (im Bau, Frankreich), JET (UK, Tokamak, bis 2023). Weltweit: JT-60SA (Japan), EAST (China), KSTAR (Südkorea).
Wie groß ist Wendelstein 7-X? Plasmaradius: 5,5 m, Plasmavolumen: 30 m³, Gesamtdurchmesser der Anlage: ca. 16 m.
Wie weit ist die Fusionsforschung? Große Fortschritte, aber es bleibt noch ein weiter Weg: Ein erstes Fusionskraftwerk (DEMO) wird frühestens in 20–25 Jahren erwartet. Die jüngsten Rekorde am W7-X zeigen aber, dass die technische Machbarkeit näher rückt.
Kann ich den Wendelstein 7-X besichtigen? Ja. Nach Voranmeldung bietet das Max-Planck-Institut Führungen in Greifswald an (Mo–Fr, Gruppen und Einzelpersonen, ca. 2 Stunden, kostenlos).
In einem künftigen Fusionskraftwerk muss ein Plasma mit einem hohen Tripelprodukt (y-Achse, logarithmische Skala) über lange Zeiträume aufrechterhalten werden (x-Achse). Bisherige Fusionsexperimente erreichten hohe Werte nur bei Plasmadauern von wenigen Sekunden. Am 22. Mai 2025 erzielte Wendelstein 7-X den Weltrekord für Plasmadauern von mehr als 30 Sekunden mit einem hohen Fusionsprodukt. In dieser OP2.3-Experimentierkampagne wurden weitere Bestwerte für Plasmadauern zwischen 30 und 40 Sekunden erreicht. Tokamaks bleiben die Rekordhalter für kurze Plasmazeiten. / X. Litaudon et al 2024 Nucl. Fusion 64 015001)(Bild: MPI für Plasmaphysik, Dinklage et al (wird noch veröffentlicht) / X. Litaudon et al 2024 Nucl. Fusion 64 015001)
Wie wird Wendelstein 7-X finanziert und wer kooperiert?
Wendelstein 7-X wurde zu etwa 80 % aus deutschen Mitteln (Bund und Land Mecklenburg-Vorpommern) und zu etwa 20 % von der Europäischen Union finanziert. Die USA steuerten im Rahmen des „Innovative Approaches to Fusion“-Programms rund 7,5 Millionen Dollar bei, insbesondere für die Entwicklung der Pelletinjektion und Diagnostik. Weitere wichtige internationale Partner sind Institute in Frankreich, Spanien, Polen, Ungarn, Belgien, den Niederlanden und Japan.
Das Projekt wird vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik koordiniert, mit Beiträgen von Universitäten (Berlin, Greifswald, Stuttgart), Forschungszentren (Jülich, Karlsruhe), nationalen und internationalen Laboratorien. Das enge Zusammenspiel von experimenteller Forschung, Theorie und Simulation ist ein Markenzeichen der Wendelstein-Kooperationen.
Ausblick: Wie nah sind wir am funktionierenden Fusionskraftwerk?
Die jüngsten Erfolge am Wendelstein 7-X zeigen: Die kontrollierte Kernfusion rückt als Energiequelle für die Zukunft näher. Doch für wahre Euphorie gibt es noch nicht genug Gründe, denn es bleibt ein steiniger Weg. Die nächsten Schritte sind:
Weitere Steigerung des Tripelprodukts und der Plasmadauer
Systematische Erprobung aller Komponenten im Dauerbetrieb
Übertragung der Erkenntnisse auf den Bau eines DEMO-Kraftwerks (dem ersten Demonstrationskraftwerk, geplant ab ca. 2050)
Weiterentwicklung der Materialforschung, insbesondere für das sogenannte Blanket (Neutronenwandler und Wärmeübertrager)
Optimierung der Pelletinjektion und Brennstoffversorgung für den Dauerbetrieb
Viele Fachleute rechnen mit einem ersten, ans Netz gehenden Fusionskraftwerk frühestens in 20 - 25 Jahren. Die jüngsten Rekorde sind jedoch ein starkes Signal: Die Physik funktioniert, die Technik wird immer reifer –und der Traum von „Sonnenenergie auf Erden“ könnte noch in diesem Jahrhundert Realität werden. Neben den großen staatlichen Fusionsforschungen gibt es auch viele private Initiativen, die auch andere Ideen und Wege verfolgen.
Wie kann man Wendelstein 7-X besichtigen?
Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald bietet regelmäßig Führungen durch die Anlage an, sowohl für Gruppen als auch für Einzelpersonen (nach Anmeldung, werktags, kostenlos, ca. zwei Stunden). Dabei erhalten Besucher einen Einblick in die Technik, die wissenschaftlichen Ziele und den aktuellen Stand der Forschung. Auch online gibt es vielfältige Informationsmaterialien, Videos und Podcasts, z. B. auf den Seiten des IPP und von EUROfusion.
Diese gezielte Öffentlichkeitsarbeit soll die Akzeptanz und das Verständnis für die Fusionsforschung in der Gesellschaft stärken. Nicht zuletzt, um den langen Atem, der für diese Großprojekte nötig ist, auch politisch und gesellschaftlich zu sichern.
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.