
Mit den derzeitigen Maßnahmen zum Chips-Gesetz sind laut Europäischem Rechnungshof 20 % Marktanteil für die EU nicht zu erreichen. Besonders der Anteil der Investitionen aus dem Privatsektor sind dabei kritisch, wenn etwa Bauprojekte auf Eis oder ganz eingestellt werden. (Bild: Tuncay Öztürk - stock.adobe.com)
Mikrochips spielen in unserem Alltag eine zentrale Rolle. Der weltweite Mangel an Mikrochips während der Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig sie für die Wirtschaft sind. Als Teil der EU-Industriepolitik wurde im Februar 2022 das Chip-Gesetz vorgelegt – besser bekannt als Chips-Act. Ziel des Chip-Gesetzes war es, die Versorgungsengpässe bei Mikrochips zu bewältigen und die technologische Führungsrolle der EU zu stärken. Die Verordnung über das Chip-Gesetz trat im September 2023 in Kraft.

In der Strategie der EU für die sogenannte "digitale Dekade" wurde das Ziel festgelegt, dass die Europäische Union bis 2030 einen wertmäßigen Anteil von 20 % an der weltweiten Produktion moderner und nachhaltiger Mikrochips erreicht. Die EU-Kommission kommt nur für 5 % (4,5 Milliarden Euro) der im Rahmen des Chip-Gesetzes bis 2030 vorgesehenen Mittel in Höhe von 86 Milliarden Euro auf. Der Rest soll von den Mitgliedstaaten und der Industrie bestritten werden.

Was war das Ziel der Überprüfung des Chip-Gesetzes durch den Rechnungshof?
Ziel der Prüfung des Europäischen Rechnungshofs war es zu untersuchen, wie die Industriepolitik der EU die Stärkung der strategischen Autonomie der Mikrochip-Industrie der EU unterstützt hat. Die Prüfer bewerteten die Gestaltung des Chip-Gesetzes vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Strategie von 2013 für die Mikro- und Nanoelektronik-Branche, die Ausrichtung der Finanzierung auf die strategischen Ziele der EU, die Zeitnähe und Fortschritte hinsichtlich der Umsetzung des Chip-Gesetzes, die Frage, ob das übergeordnete Ziel des Chip-Gesetzes erreicht wurde, sowie andere Faktoren und Risiken, die seinen Erfolg beeinträchtigen.
Mängel bei der Vorbereitung des Chips-Gesetzes
Insgesamt gelangt der Hof zu dem Schluss, dass die aktuelle Strategie der Kommission (das "Chip-Gesetz") neue Impulse für Maßnahmen in diesem Bereich gegeben hat. Die Kommission hat bereits akzeptable Fortschritte bei der Umsetzung ihrer Strategie erzielt, doch stellte der Hof Mängel bei ihrer Vorbereitung, Umsetzung und Überwachung fest. Angesichts des derzeitigen Niveaus der Investitionen in Produktionskapazitäten ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Strategie ausreicht, um das sehr ehrgeizige Ziel der digitalen Dekade zu verwirklichen, bis 2030 einen EU-Anteil von 20 % an der globalen Wertschöpfungskette nach Einnahmen zu erreichen. Derzeit wird davon ausgegangen, dass der Anteil der EU bis 2030 nur 11,7 % betragen wird.
Dieses Ziel kann auch als allzu ehrgeizig für den Chips-Act angesehen werden, und zwar aufgrund des begrenzten Mandats und der eingeschränkten Ressourcen der Kommission sowie aufgrund der Tatsache, dass der Erfolg der Strategie stark von den Maßnahmen der Mitgliedstaaten, den Investitionen des Privatsektors und anderen entscheidenden Faktoren abhängt.
Chip-Gesetz entstand unter Zeitdruck
Das Chip-Gesetz entstand jedoch unter Zeitdruck, d.h. die bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften üblicherweise angewandten Verfahren – wie etwa die Evaluierung früherer Strategien und eine Folgenabschätzung des Vorschlags – wurden nicht befolgt. Die Tatsache, dass nicht vollständig analysiert wurde, warum die Strategie von 2013 ihre Ziele verfehlt hat, und das daraus resultierende Versäumnis, Lehren daraus zu ziehen, könnten dazu führen, dass beim Chip-Gesetz genau dieselben Probleme auftreten. Der Hof stellte fest, dass es dem Chip-Gesetz an Klarheit hinsichtlich Zielvorgaben und Überwachung fehlt. In Ermangelung einer umfassenden Folgenabschätzung ist es schwer zu beurteilen, ob im Chip-Gesetz der Bedarf der Industrie an herkömmlichen Mikrochips ausreichend berücksichtigt wird.

Starke Abhängigkeit von Investitionen aus dem Privatsektor
Die Umsetzung der Ziele des EU-Chip-Gesetzes hängt nicht allein von Maßnahmen der EU ab, sondern erfordert auch erhebliche Investitionen des Privatsektors sowie eine hohe Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen im internationalen Vergleich. Die zur Verfügung gestellten Mittel könnten jedoch unzureichend sein, um die nötigen industriellen Investitionen zu mobilisieren, um das angestrebte Ziel von 20 % Weltmarktanteil zu erreichen.
Die Europäische Kommission selbst erwartet laut ihrer Prognose vom Juli 2024 lediglich einen leichten Anstieg auf 11,7 %. Zudem ist die Halbleiterbranche stark konzentriert: Eine kleine Zahl großer Unternehmen realisiert besonders kapitalintensive Projekte. Deshalb können Verzögerungen oder das Scheitern einzelner Vorhaben gravierende Folgen für den Gesamterfolg des Chip-Gesetzes haben. Beispiele dafür der wankende Riese Intel und Wolfspeed, die ihre Bauprojekte für Halbleiterfabs auf Eis gelegt oder ganz abgesagt haben.
Was empfiehlt der Rechnungshof nun der Kommission?
Der Hof empfiehlt der Europäischen Kommission, einen Realitätscheck der Strategie vorzunehmen und erforderliche kurzfristige Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Zieldatum für die Umsetzung setzt er mit 2025 fest. Außerdem trägt er der Kommission auf, bis 2026 mit der Ausarbeitung der nächsten Halbleiterstrategie zu beginnen.
Einschätzung des Vorgehens des Rechnungshofes
Insgesamt ist es erstaunlich, dass der Europäische Rechnungshof den Chips Act praktisch einem Audit unterzogen hat und die Ergebnisse öffentlich macht. Er bemängelt zu recht, dass das Chip-Gesetz zu schnell und damit nicht komplett durchdacht auf den Weg gebracht wurde. Dies war aber auch der Tatsache geschuldet, dass die Investition von Intel in Halbleiterfabriken in Europa und speziell in Magdeburg, wohl ohne eine schnelle Reaktion der EU schwerer zustande gekommen wäre. Dabei wurde auch der Fehler begangen, sich zu sehr auf Leading-Edge-Technologien wie 7 nm oder 5 nm zu versteifen. Letztlich war der Chipmangel vor allem im mittleren Technologie-Bereich zu finden, etwa bei 45 nm oder 65 nm. Auch wurde weitläufig bemängelt, dass der Chips Act Investitionen in Halbleitertechnologien, die auf 200-mm-Substraten gefertigt werden, nicht ausreichend berücksichtigt.
Die Autorin: Dr.-Ing. Nicole Ahner

Ihre Begeisterung für Physik und Materialentwicklung sorgte dafür, dass sie im Rahmen ihres Elektrotechnik-Studiums ihre wahre Berufung fand, die sie dann auch ins Zentrum ihres beruflichen Schaffens stellte: die Mikroelektronik und die Halbleiterfertigung. Nach Jahren in der Halbleiterforschung recherchiert und schreibt sie mittlerweile mit tiefem Fachwissen über elektronische Bauelemente. Ihre speziellen Interessen gelten Wide-Bandgap-Halbleitern, Batterien, den Technologien hinter der Elektromobilität, Themen aus der Materialforschung und Elektronik im Weltraum.