Die Innovationsgeschwindigkeit in der Automobilbranche in China war eines der zentralen Themen auf dem AEK. Maria Anhalt (Elektrobit) sieht Asien durch Risikobereitschaft, kurze Zyklen und volle Nutzerfokussierung als Innovationsmotor der SDV-Welt.(Bild: Matthias Baumgartner)
China definiert das Entwicklungstempo in der Automobilbranche neu. Der AEK 2025 zeigt, mit welchen Strukturen, Technologien und Strategien chinesische Hersteller beim SDV Maßstäbe setzen und welche Konsequenzen das für Europa hat.
In der Region Asien-Pazifik ist nach Maria Anhalt (Elektrobit) die Entwicklung schneller, experimentierfreudiger und der Wille zur Disruption größer. Deshalb sind in China viele Entwicklungen, die im Westen für die Zukunft prognostiziert werden, bereits Realität.
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Aber: Was machen chinesische Unternehmen anders und vor allem: wie kann Europa da mithalten? Eine Frage, die viele Sprecher auf dem AEK diskutierten. Sie gaben Einblicke in die Automobil-Entwicklung in China und was wir daraus lernen können – und müssen.
Wie können europäische Unternehmen mit der „China-Geschwindigkeit“ in der Automobilentwicklung mithalten? Eines der zentralen Themen auf dem AEK 2025.(Bild: Azhorov - @stock.adobe.com)
Chinesische Unternehmen sind auf dem Vormarsch
Chinesische Unternehmen in der Automobilbranche sind europäischen in punkto Innovationsgeschwindigkeit meist weit voraus. Maria Anhalt sieht Asien durch Risikobereitschaft, kurze Zyklen und volle Nutzerfokussierung als Innovationsmotor der SDV-Welt. Europa und die USA seien hingegen zögerlicher, stark auf Fahrerfokus fixiert und hätten längere Entwicklungszyklen. Deshalb finden globale Technologie-Transformationen in speziellen Märkten wie China statt: Von den etwa 20 Millionen Level 2 und 3 Fahrzeuge, die 2030 voraussichtlich auf der Straße sein werden, werden 50 % in China sein, während Europa und Amerika nur jeweils 25 % ausmachen. Und chinesische Unternehmen entwickeln bereits autonome Fahrfunktionen über Level 3 hinaus.
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Maria Anhalt sieht Asien als Innovationsmotor der SDV-Welt. Chinesische Unternehmen entwickeln bereits autonome Fahrfunktionen über Level 3 hinaus.(Bild: scharfsinn86 - stock.adobe.com)
Save the date: 30. Automobil-Elektronik Kongress
Save the Date! Der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK Kongress findet 2026 am 16. und 17. Juni statt.
Am 16. und 17. Juni 2026 findet zum 30. Mal der Internationale Automobil-Elektronik Kongress (AEK) statt. Dieser Netzwerkkongress ist bereits seit vielen Jahren der Treffpunkt für die Top-Entscheider der Elektro-/Elektronik-Branche und bringt nun zusätzlich die Automotive-Verantwortlichen und die relevanten High-Level-Manager der Tech-Industrie zusammen, um gemeinsam das ganzheitliche Kundenerlebnis zu ermöglichen, das für die Fahrzeuge der Zukunft benötigt wird. Trotz dieser stark zunehmenden Internationalisierung wird der Automobil-Elektronik Kongress von den Teilnehmern immer noch als eine Art "automobiles Familientreffen" bezeichnet.
Um hier mithalten zu können rät Anahlt zur modularen SDV-Strategie: Nur das entwickeln, was Differenzierung bringt – alles andere besser zukaufen. Erfolgsfaktor sei dabei eine klar definierte Softwarearchitektur mit rückwärtskompatibler Trennung von Software und Hardware. Am Beispiel Sony konnte durch eine flexible Layer-Architektur und Partnerwechsel entlang der Lieferkette rund 30 % Aufwand eingespart werden.
Wie schnell und entschlossen China die Entwicklung rund um automatisiertes Fahren vorantreibt, zeigt beispielsweise Horizon Robotics. Das Unternehmen verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz mit selbst entwickelten Automotive-SoCs, Transformer-basierter Software und Fokus auf Kostenreduktion und Skalierbarkeit. Bis Ende 2025 sollen über 10 Millionen Fahrzeuge mit Horizon-Technik auf Chinas Straßen rollen.
Ein weiteres Beispiel für die Innovations-Geschwindigkeit in China ist Geely, ein führender Volumenhersteller mit über 200.000 verkauften Fahrzeugen pro Monat in einem wettbewerbsintensiven Markt. Geelys TS3-Architektur wird in über 50 Fahrzeugmodellen eingesetzt und ermöglicht eine Entwicklungszeit für neue Fahrzeuge von unter zehn Monate. Über 12.000 Softwareentwickler arbeiten bei Geely an einer hauseigenen Software-Stack (Geely OS Middleware).
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Kürzere Entwicklungszeit durch China-Geschwindigkeit
Dies sind nur zwei Beispiele für die „China-Geschwindigkeit und -Beschleunigung“ von denen Ricky Hudi (FMT) auf dem AEK spricht. Die Geschwindigkeit der Entwicklung von Level 2+ und Level 2++ Systemen hat sich insbesondere hier stark beschleunigt. Um mit dem Innovationstempo in China mithalten zu können, müssen europäische und US-amerikanische Autohersteller nach Dr. Salil Raje (AMD) die Entwicklungszeit um 1000 Tage (!) verkürzen.
Dr. Salel Raje (AMD) betont: „Europäische und US-amerikanische Autohersteller müssen die Entwicklungszeit um 1000 Tage verkürzen.“ Nur so können sie mit China mithalten.(Bild: Matthias Baumgartner)
Chinesische OEMs sprechen bereits über Modelle für 2028, während europäische und US-amerikanische OEMs noch über 2030er-Modelle nachdenken.
AMD begegnet dem mit einem adaptiven und heterogenen Compute-Ansatz, der flexibel auf unterschiedliche Anforderungen im Fahrzeug (von ADAS bis Infotainment) reagieren kann. Mit ihrer offenen Toolchain, starker Edge-Performance und Chiplet-Technologie sieht sich AMD gut positioniert, um die Transformation zum softwaredefinierten Fahrzeug mitzugestalten von der Cloud bis auf die Straße.
Die Automobilindustrie in Europa müsse grundlegend umdenken und deutlich kürzere Innovationszyklen einführen, um mit China mithalten zu können, so Armin Prommersberger (Harmann). Für Unterhaltungselektronik sind in China 12-Monats-Zyklen nach Prommersberger die Norm, was aus chinesischer Sicht schon eine lange Zeit ist.
Für Unterhaltungselektronik seine 12-Montas-Zyklen aus chinesischer Sicht schon eine lange Zeit, erklärt Armin Prommersberger (Harmann) auf dem AEK.(Bild: Matthias Baumgartner)
Ansprüchen Chinas gerecht werden
SDV müssen in China mit komplexen Verkehrssituationen wie z. B. in Shanghai mit Rollern und überladenen Lastwagen zurechtkommen. Dr. Liming Chen (Horizon Robotics) betonte, wie schnell und entschlossen China die Entwicklung rund um automatisiertes Fahren vorantreibt und dass Urban NOA (Navigation on Autopilot) hier kurz vor dem Durchbruch steht.
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Dr. Liming Chen (Horizon Robotics) betonte, wie schnell und entschlossen China die Entwicklung rund um automatisiertes Fahren vorantreibt.(Bild: Matthias Baumgartner)
In einem Live-Demo-Video zeigte Horizon ein System im dichten Stadtverkehr Shanghais, das mit elf Kameras, kostengünstiger Sensorik und seriennaher Software navigiert. Allerdings gibt es hier auch noch einige Herausforderungen für Urban NOA zu meistern, wie zu konservative oder zu aggressive Systeme sowie begrenzte Anwendungsbereiche und hohe Kosten.
Auch andere Unternehmen stellen sich auf die Ansprüche und Anforderungen Chinas ein. BMW nimmt im chinesischen Markt spezifische Anpassungen vor, ähnlich wie in Korea. Deshalb nutzt BMW in China ein komplett anderes Ökosystem und andere Partner, z. B. Huawei als App Store, Banbar als Sprachanbieter und Amax als Navigationsanbieter, basierend auf derselben globalen Plattform. Das Unternehmen hat Software-Hubs in China, wo 70% der Software auf der Anwendungsseite für das Infotainment-Umfeld entwickelt wird.
Auch Bosch und Cariad haben eine Strategie für den chinesischen Inlandsmarkt, die sich im Laufe der Zeit entwickeln soll, möglicherweise durch den Einsatz von chinesischer Software für chinesische Kunden.
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Nutzer-Experience steht in China im Fokus
Während internationale OEMs den Fokus auf das Fahrerlebnis legen, konzentriert man sich in Asien (insbesondere China) auch auf das Passagiererlebnis und die Umwandlung des Fahrzeugs in einen "dritten Wohnraum". Denn, so Dr. Liming Chen (Horizon Robotics), chinesische Konsumenten seinen technologieaffin und fordern schnelle Innovationen, während der intensive Wettbewerb Tech-Unternehmen und OEMs antreibe, schnell neue Produkte auf den Markt zu bringen. So verfügen chinesische Fahrzeuge, wie die von Huawei oder Geely, über Bildschirme überall im Auto.
Auch andere Unternehmen reagieren auf die Ansprüche ihrer chinesischen Kunden. BMW hat speziell für sie eine DeepSeek-Integration als Sprachmodell im intelligenten persönlichen Assistenten eingeführt – von China für China, und das in nur wenigen Monaten. AMD bietet für den chinesischen Markt eine "AI Box"-Lösung an, die generative KI-Modelle in bereits produzierten Fahrzeugen ermöglicht, da dort die bestehende Infotainment-Lösung nicht leistungsfähig genug ist. Diese AI Box nutzt GPUs, um Modelle aus der Cloud einfach zu integrieren.
Die Branche in Europa muss sich entscheiden, ob sie künftig wie ein schneller, anpassungsfähiger Gepard handeln will – oder wie ein träger Elefant, der mit seinem eigenen Gewicht kämpft.(Bild: Goody ART @ AdobeStock)
Fazit zum China-Speed auf dem AEK 2025
Um mit China mitzuhalten, muss die Industrie in Europa lernen, wie man die Lücke zu chinesischen Akteuren schließt, die in der großflächigen Entwicklung zentralisierter E/E-Architekturen und OTA-SDV-Plattformen bereits Jahre voraus sind.
Armin Prommersberger gebrauchte dafür ein eindrückliches Bild: Die Branche in Europa müsse sich entscheiden, ob sie künftig wie ein schneller, anpassungsfähiger Gepard handeln wolle – oder wie ein träger Elefant, der mit seinem eigenen Gewicht kämpft.
Nur wer Consumer-Mentalität, agile Produktentwicklung und Systemintegration konsequent vereint, wird sich erfolgreich transformieren.
Die Autorin: Sabine Synkule
(Bild: Sabine Synkule)
Durch ihr Elternhaus schon von Kindesbeinen an naturwissenschaftlich geprägt, war früh klar, dass Sabine Synkule auch beruflich einmal diese Richtung einschlagen würde. Nach einem Physikstudium und einer Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiterin entschied sie sich schließlich dafür, nicht mehr selbst zu forschen, sondern über die Ergebnisse der Forschung anderer zu berichten. So ist sie schließlich im Fachjournalismus gelandet und dort für die Bereich Messtechnik, Sensoren und Stromversorgung zuständig. Deshalb – und weil sowieso niemand ihren Nachnamen richtig ausspricht – wird sie auch gerne als die Power-Frau von Hüthig vorgestellt. Privat würde niemand auf die Idee kommen, dass ihr Beruf etwas mit Technik zu tun hat. So fragt sie keiner ihrer Bekannten jemals um Rat, wenn einmal ein Fernseher oder Computer kaputt ist. Ihre Expertise wird nur bei der Umsetzung aufwändiger Kochrezepte oder dem Erstellen neuer Strick- und Stickmuster eingeholt.