Gelbe Blume steckt in einer Tanköffnung eines Autos

Die Diskussion um die Nachhaltigkeit von Elektroautos reicht von Weltenretter bis Weltenzerstörer – also viel Raum für Fakten. (Bild: Jürgen Fälchle – Adobe Stock)

In der Diskussion um die Nachhaltigkeit von Elektroautos wird oft betont, dass es verschiedene Sichtweisen gibt – zwischen denen dann die tatsächlichen Fakten liegen. Diese vielschichtige Wahrheitssuche ist typisch für viele gesellschaftliche Debatten. Während führende Experten darauf drängen, den Verbrennungsmotor so schnell wie möglich abzuschaffen, um die Klimaziele zu erreichen, argumentieren Kritiker, dass Elektroautos in der Produktion nicht unbedingt nachhaltiger sind als Verbrenner.

Christian Debes ist Abteilungsleiter E-Mobility & Energy Storage Systems beim Batteriehersteller BMZ in Karlstein. In seinem Kommentar zeichnet er seine Sicht auf die Dinge und geht der Frage nach, unter welchen Bedingungen Elektroautos tatsächlich nachhaltiger als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sind.

Was bestimmt die Nachhaltigkeit von Elektroautos im Vergleich zu Verbrennungsmotoren?

Der Vergleich von E-Autos und Autos mit Verbrennungsmotoren in Punkto Nachhaltigkeit bedarf einer zweistufigen Betrachtung. In der ersten Stufe geht es um die Produktion des Fahrzeugs samt Antriebseinheit. Erst in der zweiten Stufe geht es um den Betrieb des Fahrzeugs.

Im Falle des Verbrennungsmotors werden Energie und Rohstoffe genutzt, um ein Fahrzeug auf die Straße zu bringen. Von da an werden zum Betrieb des Fahrzeugs (für bspw. 250.000 km Laufzeit) Brennstoffe genutzt, die überwiegend als endlicher Rohstoff zu einem nutzbaren Produkt verarbeitet und raffiniert werden (ein Prozess bei dem Emissionen entstehen) und über eine etablierte Lieferkette (die mit weiteren Emissionen einhergeht) den Weg in den Tank des einzelnen Fahrzeugs finden. Dort werden sie verbrannt, um das Fahrzeug in Bewegung zu versetzen. Damit sind diese endlichen Ressourcen zum einen unwiderruflich verbraucht, zum anderen entstehen erneut umweltschädliche Emissionen und natürlich eine gewisse Lärmbelästigung.

Schwerpunktthema: E-Mobility

ae_schwerpunkt_940x250.jpg
(Bild: Adobe Stock, Hüthig)

In diesem Themenschwerpunkt „E-Mobility“ dreht sich alles um die Technologien in Elektrofahrzeugen, Hybriden und Ladesäulen: Von Halbleitern über Leistungselektronik bis E-Achse, von Batterie über Sicherheit bis Materialien und Leichtbau sowie Test und Infrastruktur. Hier erfahren Sie mehr.

Wie funktioniert der Betrieb von Elektroautos und ihre Auswirkungen auf den Strommix?

Wenn wir dies ausschließlich analog auf die Elektromobilität übertragen, werden ebenfalls Energie und Rohstoffe genutzt, um ein Fahrzeug auf die Straße zu bringen, dies jedoch in höherem Maße, da die Produktion von Li-Ionen-Batteriezellen, hinlänglich bekannt und belegt, viel Energie und besondere Rohstoffe benötigt. Sobald das elektrisch betriebene Fahrzeug auf der Straße unterwegs ist, wird für den geräuschlosen und emissionsfreien Antrieb (für z.B. 250.000 km Laufzeit) elektrischer Strom aus der Steckdose/Ladesäule genutzt. Es entstehen also keine weiteren Emissionen etwa für Treibstoffverarbeitung oder Treibstofftransport wie beim Verbrennungsmotor. Dieser Strom stammt aus dem real verfügbaren Strommix. Hier bewegt sich in Sachen Umschwung auf erneuerbare Energien gerade sehr viel. 2021 hatten wir noch lediglich einen ca. 40%igen Anteil erneuerbarer Energien am Strommix. Inzwischen gibt es mehr E-Autos und Wärmepumpen und damit einhergehend, ist der Strombedarf gestiegen. 2023 war ein Rekordjahr hinsichtlich des Anteils von erneuerbaren Energien. 2023 wurden durchschnittlich ca. 60% des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien gedeckt. Anhand im Bild herausgegriffenen Beispiels vom Anfang April 2024 kann man ableiten, dass diese positive Tendenz hinsichtlich des Anteils erneuerbarer Energien am deutschen Strommix anhält. An diesem Schönwettertag im Frühling konnten wir über 75 % des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken.

Wie kann die Nachhaltigkeit von E-Autos durch zusätzliche Systeme verbessert werden?

Dennoch gelang es in der Vergangenheit immer wieder mit simplifizierter Betrachtung, vereinzelt zu belegen, dass sich die Nachhaltigkeit der beiden Antriebsvarianten nicht signifikant unterscheidet. Es kommt auf die zugrundeliegenden Annahmen und Rahmenbedingungen (bspw. schlechte Quote des Anteils an erneuerbaren Energien im Strommix) an. Aber schon hier zeichnet sich als Zwischenfazit ab, dass die Elektromobilität hinsichtlich der Klimafreundlichkeit einen Vorsprung gegenüber der traditionellen Mobilität via Verbrennungsmotor hat. Dieser steigt stetig, je höher die km Laufzeit ist, vor allem, da der Anteil der grünen Energie am Strommix steigt.

Welche weiteren Vorteile bietet die Elektromobilität für eine nachhaltige Zukunft?

Das ist aber noch nicht alles. Man sollte die Elektromobilität als Baustein eines übergeordneten Systems von Erzeugern und Verbrauchern elektrischer Energie betrachten. Insbesondere vor dem Hintergrund alltäglicher, individueller Anwendungsfälle, kann die Nachhaltigkeit noch deutlich erhöht werden. Folgende Faktoren sind bei der Beurteilung ins Kalkül zu ziehen:

Bei einer angenommenen üblichen Kilometerlaufleistung eines Fahrzeugs von 250.000 km sind zwar die entscheidenden Komponenten des Fahrwerks und des Antriebs mechanisch verschlissen, somit am wirtschaftlichen Lebensende, nicht jedoch die Batterie. Die hat bei ca. 400 km Reichweite erst gut 600 von ihren bspw. möglichen 2.000 Lade- und Entladezyklen absolviert und somit zu diesem Zeitpunkt erst ein Drittel ihres Nachhaltigkeitspotentials ausgeschöpft. Diese Batterie kann nun z.B. in einem Second Life-Szenario ohne Einschränkungen weitere 600 Ladezyklen als Heimspeicher durchlaufen. Kombiniert z.B. mit einer Photovoltaikanlage und einem Energiemanagementsystem inkl. bidirektionaler Wallbox, leistet diese Batterie so einen weiteren Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Die Erzeugung elektrischer Energie ist nicht zwangsläufig kostenintensiv, sondern lediglich die Bereitstellung elektrischer Energie zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort. Es muss zu jeder Zeit nicht nur gewährleistet sein, dass die punktuell benötigte elektrische Energie zur Verfügung steht, sondern auch, dass die „erzeugte“ elektrische Energie auch „verbraucht“ werden kann. Legen wir ein Szenario zugrunde, in dem die von der Photovoltaikanlage tagsüber in den Second Life-Heimspeicher geladene Energie in sinnvollen, regelmäßigen Zeitslots für das Laden des Elektrofahrzeugs an der Wallbox genutzt wird. Dies wäre bspw. abends der Fall, wenn im häuslichen Umfeld viel elektrische Energie verbraucht wird und das Fahrzeug tagsüber unterwegs war und die Traktionsbatterie ebenfalls teilentladen wurde. Somit steigt bei Vorhandensein einer Photovoltaikanlage mit Heimspeicher die Nachhaltigkeit der individuellen Elektromobilität und lässt die Mobilität mit Verbrennungsmotor in Punkto Nachhaltigkeit bei Weitem hinter sich. Zudem steigen Nachhaltigkeit und Autarkiegrad vom öffentlichen Stromnetz des gesamten Haushalts.

Battery Experts Forum 2024

Das Battery Experts Forum, eine bedeutende Batterie-Konferenz in Europa, findet vom 5. bis 7. November 2024 im Darmstadtium in Darmstadt statt. Diese Veranstaltung dient als Plattform für den Austausch über Entwicklungen in der Batterietechnologie und zieht jährlich Experten weltweit an. Das Forum bietet Möglichkeiten zur Präsentation von Forschungs- und Entwicklungsprojekten in den Bereichen Produktion, Anwendung und Recycling von Batterien. Interessierte Referenten können ihre Vorschläge über den Call for Papers einreichen. Zudem gibt es eine Fachausstellung, bei der Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen präsentieren können.

Damit sind jedoch erst zwei Drittel des Nachhaltigkeitspotentials der Elektromobilität erreicht. Um das Optimum zu erreichen, können weitere Einsatzszenarien forciert werden. Der größtmögliche Benefit in Sachen Nachhaltigkeit wäre hierbei der Einsatz bidirektionaler Wallboxen und E-Fahrzeuge, die „stationäres“ Entladen ermöglichen, um in Phasen hoher Energieverbräuche im Stromnetz weitere Energiequellen aktivieren zu können. Im Grunde eine „First Life – Second Use“ Anwendung. Diese Option hätte sogar im gewerblichen Umfeld hohes Potential, da dort neben dem Energieverbrauch häufig auch die Netzanschlussleistung als entscheidender Kostenfaktor zu betrachten ist und durch bidirektionale Anbindung niedriger angesetzt werden kann – Stichwort Peak Shaving. Aktuell ist dies bspw. über Industriespeicher wie etwa unseren Power Bloxx Container abbildbar, in den sowohl neue als auch Second Life Module aus der Elektromobilität eingebaut werden können.

Steht also die Forderung im Raum, bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Elektromobilität den CO2-Footprint der zugehörigen Batterieproduktion ins Kalkül zu ziehen, damit der Vergleich mit traditioneller Mobilität basierend auf Verbrennungsmotoren fair ausfällt, müssen wir auch die vorgenannten Faktoren berücksichtigen. Kurz zusammengefasst, dürfen wir also nur ein Drittel des CO2-Footprints der Batterieproduktion in die Rechnung einbeziehen, um der Option der Second-Life Nutzung und der Nutzung des Elektrofahrzeuges als zusätzliche Energiequelle, Rechnung zu tragen.

Last but not least müssen in die Betrachtung Recyclingverfahren nach neuesten Standards zur teilweisen Rückgewinnung notwendiger Ressourcen einbezogen werden. Schätzungen sprechen hier von der Möglichkeit bis zu 95% der in Batteriezellen enthaltenen Materialen wie Lithium, Cobalt und Nickel zurückgewinnen zu können. Somit dürfen die für die Batterieproduktion aufgewendeten Rohstoffe nicht als komplett verbraucht in die Berechnung einfließen. Damit darf auch nicht der gesamte CO2-Footprint ihrer Gewinnung der E-Mobilität zu Lasten gerechnet werden.

Kurz zusammengefasst: Eine faire und ganzheitliche Betrachtung ist sinnvoll, wenn sie in alle Richtungen umfassend durchgeführt wird.

Ich schließe mich daher in meinem Fazit der führenden wissenschaftlichen Meinung an, dass Elektromobilität in Sachen Klimaschutz ein riesiger und bedeutender Schritt in die richtige Richtung ist. Besonders begeistert mich dabei der hier dargestellte Fakt, dass Elektromobilität ein Teil vom großen Ganzen ist. Man könnte sagen, ich brenne fürs Abstandnehmen vom Verbrenner samt Verbrauch fossiler, endlicher Rohstoffe. Die gesamte Elektrifizierungsbranche ist Infrastrukturlieferant für die zum Klimaschutz unabdingbare Energie- und Verkehrswende. Damit ist sie Hub für „Jobs with a Purpose“, wie wir sie hier in der BMZ leben dürfen. Wer in der Elektrifizierung arbeitet, kann Teil der Lösung sein, statt Teil des Problems, wenn es um den Klimawandel, sprich um die größte Herausforderung unserer Zeit geht.

Wir glauben daran, dass man Probleme nicht durch Rückschritte und Verbote, sondern durch neue, überlegene Technologien lösen sollte. Wichtig sind in der Realisierung einer grüneren Zukunft Aufklärung und Begeisterung. Fragen nach der Nachhaltigkeit von E-Autos müssen gestellt und faktenbasiert beantwortet werden, damit Verbraucher Vertrauen in die neue Technologie gewinnen können. Der nächste Stützpfeiler ist Begeisterung. Begeisterung entsteht, wo einfache Lösungen Verbesserungen mit sich bringen. Ein Stichpunkt ist dabei Verfügbarkeit aus einer Hand. Daher spielt bei uns im Haus der „Alles aus einer Hand“-Gedanke eine große Rolle.

Wie viele Forschungsfelder und Wirtschaftszweige ist auch die Batterietechnologie eine schnelllebige Welt und wir alle dürfen gespannt sein, wohin die Reise letztlich genau geht und wie schnell wir aktuelle Herausforderungen lösen können. Fest steht: Wir sind auf dem richtigen Pfad und auch die größte Reise beginnt mit ersten Schritten.

Kurzvita

Christian Debes
(Bild: BMZ)

Christian Debes ist seit 2017 bei BMZ tätig und leitet seit 2020 die Abteilung für Energiespeicherung und E-Mobilität im Forschungs- und Entwicklungsbereich. Sein Verantwortungsbereich umfasst das Projektmanagement und die Produktentwicklung von Batteriesystemen von der Entwicklungsphase bis zur Serienreife. Zwischen 2017 und 2020 war er Teamleiter für Innovation und Forschung sowie Gruppenleiter für E-Mobilität. Vor seiner Tätigkeit im BMZ war Debes von 2013 bis 2017 Projektleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer LBF und bis 2013 in verschiedenen Positionen im Bereich Erneuerbare Energien und Batterien bei Bosch und am KIT tätig.

Sie möchten gerne weiterlesen?