Europas Halbleiterstrategie nimmt Gestalt an

GlobalFoundries investiert 1,1 Milliarden Euro in Dresden

GlobalFoundries hat 1,1 Milliarden Euro in den Ausbau seiner Chipfertigung in Dresden investiert. Die Maßnahme ist Teil einer größeren Strategie – und könnte Europas Rolle im globalen Halbleitermarkt grundlegend verändern.

Bei seinem Besuch von GlobalFoundries in Dresden sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (m.): „Das SPRINT-Projekt ist ein Bekenntnis zum Industriestandort und zum Innovationsstandort Deutschland – und vor allem zur Souveränität unseres Landes und Europas.“
Bei seinem Besuch von GlobalFoundries in Dresden sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (m.): „Das SPRINT-Projekt ist ein Bekenntnis zum Industriestandort und zum Innovationsstandort Deutschland – und vor allem zur Souveränität unseres Landes und Europas.“

Mit einer Investition von 1,1 Milliarden Euro erweitert GlobalFoundries seine Produktionskapazitäten in Dresden. Das Projekt mit dem Namen SPRINT (Smart Production Innovation Technologies) ist weit mehr als eine Standortmaßnahme – es ist ein industriepolitisches Statement. Deutschland und Europa wollen ihre technologische Souveränität in der Halbleiterfertigung ausbauen und damit unabhängiger von außereuropäischen Lieferketten werden.

Auf einen Blick

  • 1,1 Milliarden Euro für Europas Chip-Souveränität: GlobalFoundries erweitert in Dresden seine Kapazitäten auf 1,1 Millionen Wafer jährlich und stärkt damit Europas unabhängige Halbleiterproduktion.
  • Antwort auf geopolitische Unsicherheit: Das Projekt SPRINT soll für Versorgungssicherheit und Resilienz sorgen – eine strategische Reaktion auf Fälle wie Nexperia und brüchige globale Lieferketten.
  • Dresden als Herz der europäischen Mikroelektronik: Mit aktueller FDSOI-Technologie und starker politischer Unterstützung wird Silicon Saxony zum Symbol für Europas technologische Eigenständigkeit.

SPRINT: Symbol für Europas Anspruch auf Eigenständigkeit

Mit dem Ausbau will GlobalFoundries seine Jahreskapazität bis 2028 auf 1,1 Millionen Wafer erhöhen. Damit bleibt das Unternehmen die größte Foundry Europas. Im Mittelpunkt stehen spezialisierte Technologien mit geringem Energieverbrauch, integrierten Speichern und sicherer drahtloser Kommunikation – also genau die Bausteine, die in Automotive, Industrie, Verteidigung und Medizintechnik gefragt sind.

Die Erweiterung in Dresden zielt dabei weniger auf Masse als auf Sicherheit und Stabilität. Das Projekt SPRINT soll durchgängige europäische Fertigungsprozesse und Datenflüsse schaffen, um kritische Branchen wie Luft- und Raumfahrt oder Energieversorgung mit Chips aus verlässlicher, europäischer Produktion zu versorgen.

„Mit dieser geplanten Investition vertiefen wir unser Engagement für Deutschland und Europa“, sagt Werksleiter Dr. Manfred Horstmann. „Die Erweiterung dient nicht nur der Deckung des Bedarfs, sondern auch der Zukunftssicherung der industriellen Basis Europas.“

Politische Bühne: Dresden als Brennpunkt industrieller Souveränität

Bundeskanzler Friedrich Merz hob bei seinem Besuch in Dresden Ende Oktober die Bedeutung der Expansion hervor. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer machte deutlich, wie wichtig eine eigene Chipfertigung ist: „Die wirtschaftliche Verwundbarkeit Deutschlands bei zu großen Abhängigkeiten wird uns aktuell am Beispiel des Chipherstellers Nexperia vor Augen geführt.“ Der Fall zeigt, wie eng Industriepolitik, Technologie und Geopolitik inzwischen miteinander verwoben sind.

Das SPRINT-Projekt ist ein Bekenntnis zum Industriestandort und Innovationsstandort Deutschland – und vor allem zur Souveränität unseres Landes und Europas.

Friedrich Merz, Bundeskanzler

Dresden zwischen globalem Wettbewerb und industrieller Verantwortung

Die Investition von GlobalFoundries fällt in eine Phase, in der Europas Halbleiterbranche zwischen Aufbruch und Realität pendelt. Nach den Ankündigungen großer Projekte wie der ESMC-Fab von TSMC, Infineon, Bosch und NXP oder der Infineon Smart Power Fab ist Dresden das sichtbarste Beispiel dafür, dass Europas Chipindustrie wieder Fahrt aufnimmt. Gleichzeitig stockt der politische Rahmen: Förderbescheide im Rahmen des European Chips Act lassen auf sich warten, Bürokratie bremst, und geopolitische Spannungen erhöhen den Druck. Während die USA und China Milliardenprogramme umsetzen, ringt Europa noch darum, seine Pläne in konkrete Produktionskapazitäten zu übersetzen.

Hinzu kommt der Fall Nexperia, der die Branche im Herbst aufgeschreckt hat . Die niederländische Regierung übernahm per Notgesetz die operative Kontrolle über den Halbleiterhersteller – aus Sorge, dass sensible Technologien an den chinesischen Eigentümer Wingtech abfließen könnten. Es war ein beispielloser Eingriff, der deutlich macht, wie sehr Chipfertigung inzwischen zum Thema nationaler Sicherheit geworden ist.

Genau hier setzt die Investition von GlobalFoundries an: als Beitrag zu robusten, europäischen Lieferketten – insbesondere für kritische Anwendungen in Luft- und Raumfahrt, Verteidigung und Infrastruktur.

Silicon Saxony als industrieller Taktgeber

In diesem Umfeld nimmt Dresden eine Schlüsselrolle ein. Das Cluster Silicon Saxony mit über 600 Mitgliedern gilt als funktionierendes Modell für Industriepolitik: Forschung, Fertigung, Materialtechnik und Maschinenbau greifen eng ineinander.

Cluster-Geschäftsführer Frank Bösenberg bringt es in einer aktuellen Kolumne auf den Punkt: „Technologische Stärke ist das neue geopolitische Kapital. Wer sie nicht aufbaut, verliert Einfluss.“ Europa müsse seine Nischenstärken – etwa bei Spezialchips für Automotive und Industrie – nicht nur halten, sondern internationaler denken.

Dresden zeigt, dass das möglich ist: Mit der 22-nm-FDSOI-Technologie fertigt GlobalFoundries die derzeit kleinsten Strukturgrößen Europas. Auch wenn der Sub-10-nm-Bereich weiterhin den großen Playern in den USA und Asien vorbehalten bleibt, positioniert sich Sachsen klar als Standort für spezialisierte, energieeffiziente und zuverlässige Chipfertigung.

Eigene Meinung: Wasser in den Wein

Natürlich ist es positiv, dass in Deutschland wieder Milliarden in die Halbleiterfertigung fließen – das stärkt Kompetenzen, Arbeitsplätze und Europas technologische Eigenständigkeit. Trotzdem sollte man sich nichts vormachen: Für funktionierende Elektronik braucht es weit mehr als Chips. Ohne Leiterplatten läuft kein Radar, keine Steuerung und kein Waffensystem. Und genau hier sieht es in Europa düster aus. Die PCB-Produktion ist in den letzten Jahrzehnten fast vollständig nach Asien abgewandert, mit allen bekannten Risiken: Abhängigkeiten, Lieferschwankungen und potenzielle Sicherheitslücken.

Eine Studie des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik zeigt, wie leicht sich Leiterplatten manipulieren lassen – etwa durch versteckte Zusatzbauteile oder Schwachstellen im Design. Gleichzeitig fließen durch günstige Auftragsfertigungen enorme Mengen sensibler Entwicklungsdaten nach China. Das ist nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein sicherheitspolitisches Problem. Gerade im Verteidigungsbereich ist es paradox, wenn europäische Chips auf asiatischen Leiterplatten sitzen.

Der Aufbau neuer Chipfabriken in Dresden oder Magdeburg ist wichtig, aber er greift zu kurz, wenn Basistechnologien wie Leiterplattenfertigung, Materialproduktion oder Testinfrastruktur außen vor bleiben. Wer Souveränität wirklich will, muss die gesamte Wertschöpfungskette betrachten – vom Silizium bis zur bestückten Baugruppe. Solange Europa hier Lücken lässt, bleibt die Abhängigkeit bestehen – nur etwas hübscher verpackt.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.