Was sind Risiken und Schutzmaßnahmen bei Industriespionage in der Elektronik? Der Fall TSMC zeigt ein wachsendes Bedrohungsszenario.(Bild: OpenAI)
Der Chipkonzern TSMC hat 2025 einen Spionageversuch rund um seine 2-nm-Technologie aufgedeckt und gestoppt. Der Vorfall ist nicht der einzige seiner Art und verdeutlicht die Bedrohungslage für die Elektronikbranche.
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Auf einen Blick: Der Fall TSMC, Industriespionage und Gegenmaßnahmen
TSMC hat 2025 einen Spionageversuch rund um seine 2-nm-Technologie verhindert.
Immer mehr Elektronikunternehmen werden Ziel komplexer Spionageoperationen.
Bildschirmfreigabe, Remote-Tools und Ex-Mitarbeiter spielen eine zentrale Rolle.
Ein mehrschichtiger, technischer und organisatorischer Schutz ist unerlässlich.
Ein Hauch von James Bond weht durch die Elektronikbranche – nur dass die Waffen heute nicht mehr unbedingt Kugeln feuern, sondern die Angriffe finden per Laptop, USB-Stick oder direkt am Bildschirm statt. Natürlich mischt auch hier das überall präsente Thema KI mit. Diese bietet zwar immens viele Möglichkeiten, vergrößert jedoch auch gleichzeitig die Angriffsfläche. Auch Tech- und Halbleiterunternehmen sind davon betroffen, was mich nicht überrascht, denn es geht um (sehr viel) Geld und Einfluss. Halbleiter zählen schließlich zu den strategisch wichtigsten Technologien unserer Zeit. Darüber hinaus geht es um Milliardeninvestitionen, globale Machtverhältnisse und nationale Sicherheitsinteressen.
Der jüngste bekannte Fall stammt aus Taiwan. Im Sommer 2025 deckte TSMC einen Spionageversuch gegen seine 2-nm-Prozesstechnologie auf. Ein ehemaliger Mitarbeiter eines Zulieferers versuchte, hochsensible Fertigungsdaten ins Ausland zu transferieren. Mutmaßlich mit dem Ziel, sie einem Konkurrenzunternehmen mit Sitz in China zugänglich zu machen. Dank interner Kontrollsysteme, Zugangsbeschränkungen und IT-forensischer Überwachung konnte das Unternehmen den Datenabfluss frühzeitig erkennen und stoppen.
Folgerichtig wurde der betroffene Mitarbeiter fristlos entlassen. Zudem leitete TSMC umgehend juristische Schritte ein, darunter eine Strafanzeige bei den zuständigen taiwanischen Behörden sowie die Beantragung internationaler Kooperationsmaßnahmen zur Rückverfolgung des versuchten Datenabflusses. Der betroffene Zulieferer wurde von weiteren Projekten ausgeschlossen und es wurden interne Audits zur möglichen Ausweitung der Spionage eingeleitet. Darüber hinaus kündigte das Unternehmen eine Verschärfung seiner Zugriffskontrollen und Lieferantenprüfungen an.
Spionage als systemisches Risiko
Dabei ist die Akte TSMC kein Einzelfall. Immer häufiger geraten Unternehmen aus der Halbleiter- und Elektronikbranche ins Visier staatlich unterstützter oder privatwirtschaftlich motivierter Spionageakte. Die Ziele sind klar: geistiges Eigentum, Produktionsprozesse, Materialien und Design-Know-how. Industriespionage zielt in erster Linie darauf ab, sich technologisch einen Vorsprung zu verschaffen, Entwicklungszeiten zu verkürzen und die Konkurrenz strategisch zu schwächen. Für Unternehmen bedeutet das nicht nur wirtschaftliche Verluste, sondern auch ein nachhaltiges Risiko für Innovationskraft und Marktposition. Wer heute ein neues Chipdesign oder eine effizientere Leistungselektroniklösung früher auf den Markt bringt, diktiert morgen die Preise – und kontrolliert womöglich ganze Lieferketten.
Besonders betroffen ist die Halbleiter- und Elektronikbranche, weil ihre Innovationszyklen extrem kurz und die Markteintrittsbarrieren hoch sind. Schon kleinste Wettbewerbsvorteile – etwa bei Strukturbreiten, Energieeffizienz oder Packaging – können Milliardenumsätze bedeuten. Hinzu kommt: Komplexe Innovationen liegen in wenigen Händen – besonders bei kritischen Technologien wie Lithografie, Packaging oder IP-Designs. Das macht die Branche nicht nur profitabel, sondern auch angreifbar – und damit zu einem bevorzugten Ziel. Generell ist die Gefahr besonders tückisch, weil sich Spionage oft nicht auf einmalige Vorfälle beschränkt. Sie schleicht sich über Monate oder Jahre ein und wird erst erkannt, wenn es zu spät ist.
Berühmte Fälle von Industriespionage in der Elektronik
Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Industriespionage kein Randphänomen ist. Gehört sie doch seit Jahrzehnten zum strategischen Arsenal vieler Konzerne und Staaten. In manchen Fällen reichen wenige Wochen aus, um kritische Daten zu stehlen. In anderen streiten sich Unternehmen über Jahre vor internationalen Gerichten um das geistige Eigentum hinter Elektroniktechnologien. Ein aktuelles Beispiel ist der Rechtsstreit zwischen Infineon und Innoscience. Hier geht es um Patente zur Galliumnitrid-Technologie (GaN), die in der Leistungselektronik eine Schlüsselrolle spielt. Während Infineon Spionage und Patentverletzung unterstellt, kontert Innoscience mit Vorwürfen der Marktblockade. Der Fall zieht sich durch mehrere Länder und verdeutlicht, wie hart der Wettbewerb um technologische Vorherrschaft geführt wird. Dabei geht es allerdings um Unternehmen gegen Unternehmen. Wie im Fall von TSMC gibt es jedoch auch einige Beispiele, bei denen wenige mutmaßliche Täter auf der Anklagebank sitzen.
Samsung vs. CXMT (2023)
Ein ehemaliger Manager von Samsung wurde 2023 in Südkorea zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Er hatte versucht, geheime DRAM-Technologien an den chinesischen Wettbewerber CXMT zu verkaufen. Dabei ging es um sensible technische Details zur Speicherarchitektur und Prozessintegration. Die südkoreanischen Ermittlungsbehörden stuften den Fall als hochgradig sicherheitsrelevant ein. CXMT selbst bestreitet die Vorwürfe, doch die Konsequenzen waren politisch und wirtschaftlich deutlich spürbar. Beispielsweise verschärfte Südkorea infolge des Falls die Sicherheitsüberprüfungen in seiner Halbleiterindustrie, insbesondere bei Joint Ventures mit China. Gleichzeitig kam es zu einem Einbruch im Vertrauen internationaler Investoren gegenüber chinesischen Foundry-Projekten, da der Vorfall auf eine mögliche strukturelle Abhängigkeit von illegal erworbenem Know-how hindeutete.
Nvidia unter Spionageverdacht (2023)
Ein Ex-Mitarbeiter eines konkurrierenden Chipdesigners reichte 2023 Klage gegen Nvidia ein. Der Vorwurf: In Online-Meetings sollen über Bildschirmfreigabe gezielt technische Informationen zur Architektur eines Konkurrenzprodukts abgegriffen worden sein. Die Meetings fanden regelmäßig statt und wirkten vordergründig wie legale Abstimmungen. Doch laut Kläger wurden Designentscheidungen, Taktungen und andere Spezifika in das Nvidia-Produkt übernommen. Der Fall ist noch nicht abgeschlossen, die Anschuldigungen haben aber bereits juristische Konsequenzen. So sieht sich Nvidia mit einer zivilrechtlichen Klage wegen unlauteren Wettbewerbs konfrontiert, bei der es um den Missbrauch von vertraulichen Informationen geht. Der Kläger fordert Schadensersatz und die Offenlegung interner Designentscheidungen. Zudem laufen Ermittlungen zur Frage, ob durch gezielte Täuschung während der Meetings bestehende Geheimhaltungsvereinbarungen verletzt wurden, was strafrechtlich relevant sein könnte.
Samsung-Fabrikkopie als Joint Venture getarnt (2023)
Ein hochrangiger früherer Samsung-Manager plante, eine nahezu identische Chipfabrik in China aufzubauen. Dabei sollte ein neues Joint Venture gegründet werden, das de facto eine 1:1-Kopie von Samsungs Produktionslinie realisieren sollte – inklusive Fertigungsplänen, Materialien und Prozessdaten. Der Schaden wurde auf rund 200 Millionen US-Dollar geschätzt. Die südkoreanische Regierung schaltete sich ein und verhinderte den Transfer. Die Justiz wertete den Vorgang als Industriespionage mit erheblichem nationalem Risiko.
So funktioniert Industriespionage
Eine zentrale Rolle bei der Industriespionage spielen interne Quellen. Beispielsweise aktuelle oder ehemalige Mitarbeitende, die – bewusst oder unbewusst – Informationen weitergeben. Häufig kommt es durch menschliche Unachtsamkeit oder gezielte Abwerbung zum Abfluss sensibler Daten.
Natürlich gibt es auch technische Kanäle, wie gezielte Phishing-Angriffe, bei denen Mitarbeiter durch manipulierte E-Mails oder Links zur Preisgabe von Passwörtern verleitet werden. Auch Schadsoftware, die sich in Entwicklungsumgebungen einnistet, kann systematisch Daten absaugen. Besonders kritisch: Wenn Entwicklungsrechner nicht vom Internet getrennt sind, steigt das Risiko für Datenabflüsse erheblich.
Ein weiteres Einfallstor sind kollaborative Tools wie Videokonferenzsysteme. Über Bildschirmfreigaben können Angreifer unbemerkt vertrauliche Inhalte mitlesen oder mitschneiden. Diese Methode spielte u. a. im Nvidia-Fall eine zentrale Rolle. Auch scheinbar harmlose Bewerbungen oder Anfragen zu Kooperationen dienen mitunter der Informationsbeschaffung.
Beim Social Engineering geben sich Angreifer als Geschäftspartner, Dienstleister oder Journalisten aus, um Zugang zu kritischem Wissen zu erhalten. Diese Manipulation zielt gezielt auf menschliches Vertrauen; oft mit Erfolg.
Was Unternehmen tun müssen
Laut den Analysen von Industrie-Wegweiser und Syteca lassen sich wirksame Schutzmaßnahmen gegen Industriespionage in vier strategische Bereiche gliedern:
Zero-Trust-Architektur: Unternehmen sollten nicht mehr automatisch vertrauen, nur weil jemand im internen Netzwerk arbeitet. Jeder Zugriff wird einzeln geprüft und autorisiert – unabhängig von Standort oder Hierarchie.
DLP-Systeme (Data Loss Prevention): Diese Technologie erkennt und blockiert den Abfluss sensibler Informationen über E-Mail, USB, Cloud-Dienste oder Druckfunktionen. Sie ist wichtig, um Datenverlust zu verhindern.
Sicherheitskultur und Awareness: Technische Maßnahmen greifen nur, wenn Mitarbeitende sensibilisiert sind. Regelmäßige Schulungen, Szenario-Trainings und klare Regeln sind erforderlich, um Fehlverhalten zu minimieren.
Monitoring & Forensik: Moderne Sicherheitsarchitekturen beinhalten die kontinuierliche Analyse des Netzwerkverkehrs und die Fähigkeit zur rückwirkenden Untersuchung von Vorfällen. So lassen sich Angriffe schneller erkennen und aufklären.
Die nächste Schwachstelle ist menschlich
Ob Samsung, Nvidia oder TSMC, heutige Industriespionage nutzt die technische Vernetzung und die menschliche Bequemlichkeit gleichermaßen aus. Unternehmen in der Elektronikbranche sollten deshalb nicht fragen, ob sie ein Ziel sind, sondern wie sie es erkennen, bevor es zu spät ist.
TL;DR: Der Fall TSMC und weitere Industriespionagen in der Elektronik
TSMC hat 2025 einen Spionageversuch gegen seine 2-nm-Chiptechnologie verhindert.
Andere Fälle zeigen: Auch Samsung, Nvidia & Co. sind betroffen.
Angriffe erfolgen über Personal, Software, Meetings oder Fake-Projekte.
Besserer Schutz gelingt z.B. durch Zero-Trust, DLP, Schulung und forensische Wachsamkeit.
FAQ – Häufige Fragen zu Industriespionage in der Elektronik
Was ist das Ziel von Industriespionage?
Technologievorsprung stehlen, Entwicklungszeiten verkürzen und Wettbewerber schwächen.
Warum ist die Elektronikbranche besonders gefährdet?
Weil komplexe Innovationen in wenigen Händen liegen – z. B. Lithografie, Packaging oder IP-Designs.
Wie erkenne ich Industriespionage?
Verdächtige Zugriffsmuster, Datenbewegungen außerhalb der Arbeitszeiten, auffälliges Projektinteresse, Meeting-Protokolle mit zu vielen Details.
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.