Volkswirtschaftliche Effekte der Mikroelektronikförderung pro Jahr nach beendetem Ausbau für Deutschland und Europa.

Volkswirtschaftliche Effekte der Mikroelektronikförderung pro Jahr nach beendetem Ausbau fürDeutschland und Europa. (Bild: ZVEI, Strategy&)

Die Mikroelektronik steht im Zentrum einer technologischen Revolution und ist zugleich die Grundlage für Digitalisierung, Dekarbonisierung und technologische Souveränität. Auf der Pressekonferenz des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) wurde die neue Studie „Von Chips zu Chancen“ vorgestellt. Sie beleuchtet die wirtschaftliche Bedeutung der Mikroelektronik und die weitreichenden Vorteile staatlicher Fördermaßnahmen. Die Studie zeigt, wie Europa seine Position auf dem globalen Halbleitermarkt stärken kann und warum diese Branche entscheidend für die Zukunft des Kontinents ist.

Die Mikroelektronik als Treiber von Digitalisierung und Dekarbonisierung

Die Mikroelektronik ist eng mit drei großen globalen Transformationsachsen verbunden: Digitalisierung, Dekarbonisierung und Deglobalisierung. Die Digitalisierung treibt die Nachfrage nach leistungsfähigeren Chips voran, die in Schlüsseltechnologien wie künstlicher Intelligenz, autonomem Fahren und dem Internet der Dinge benötigt werden. Gleichzeitig spielt die Mikroelektronik eine zentrale Rolle bei der Dekarbonisierung: Sie ermöglicht energieeffiziente Lösungen in der Elektromobilität, in intelligenten Stromnetzen und bei erneuerbaren Energien. Schließlich ist die Branche stark von der globalen Arbeitsteilung geprägt – ein Modell, das durch geopolitische Spannungen und protektionistische Maßnahmen zunehmend unter Druck gerät. Der Aufbau regionaler Produktionskapazitäten wird daher zu einem wichtigen strategischen Ziel Europas.

Quantifizierung des BIP-Schadens durch die Chip-Knappheit, 2021-2023 in Milliarden Euro
Quantifizierung des BIP-Schadens durch die Chip-Knappheit, 2021-2023 in Milliarden Euro. (Bild: ZVEi, Strategy&)

Europas Abhängigkeit und die Folgen des Chipmangels

Der Chipmangel in den Jahren 2021 bis 2023 hat die Abhängigkeit Europas von globalen Lieferketten schmerzhaft offengelegt. Allein in Deutschland führte der Mangel zu einem volkswirtschaftlichen Schaden von 102 Milliarden Euro, was 2,4 Prozent des deutschen BIP im Jahr 2022 entspricht. Besonders betroffen war die Automobilindustrie, die Millionen Fahrzeuge nicht produzieren konnte. Neben den direkten Schäden entstanden erhebliche versteckte Kosten: Unternehmen mussten ihre Lieferketten umorganisieren, Produkte neu designen und auf überteuerte Chips auf dem Graumarkt zurückgreifen. Diese Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, eine starke und unabhängige Halbleiterindustrie in Europa aufzubauen.

Die wirtschaftliche Chance von Halbleiterförderung

Die Studie des ZVEI zeigt jedoch auch die Chancen auf, die mit der Förderung der Mikroelektronik verbunden sind. Durch Investitionen in Höhe von 21,2 Milliarden Euro – allein 16 Milliarden davon in Deutschland – wird eine zusätzliche Bruttowertschöpfung von 33 Milliarden Euro pro Jahr erwartet. Außerdem sollen rund 65.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, und die jährlichen Steuereinnahmen könnten um 8 Milliarden Euro steigen. Mit einem Return on Investment von 30 bis 40 Prozent und einer Amortisationszeit von lediglich neun bis zwölf Jahren erweist sich die Förderung der Mikroelektronik als äußerst rentabel. Darüber hinaus fördert sie Innovationen und stärkt die technologische Souveränität Europas.

Obwohl die wirtschaftlichen Vorteile der Mikroelektronikförderung deutlich sind, warnt die Studie, dass Europa ohne weitere Maßnahmen seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren könnte. Der globale Marktanteil europäischer Halbleiterproduktion, derzeit bei 8,1 Prozent, könnte bis 2045 auf 5,9 Prozent sinken – trotz bestehender Förderprogramme. Das EU-Ziel, bis 2030 einen Marktanteil von 20 Prozent zu erreichen, sei unter den aktuellen Bedingungen unrealistisch.

„Europa droht bei einem weiteren Rückgang der Produktionskapazitäten abgehängt und zum Spielball geopolitischer Machtinteressen zu werden“, warnt Dr. Gunther Kegel, Präsident des ZVEI. Um dem entgegenzuwirken, müssten die Fördermaßnahmen ausgebaut und gezielt auf bestehende Stärken Europas fokussiert werden.

Positive Effekte der europäischen Mikroelektronikförderung inklusive ROI und Amortisationsdauer
Positive Effekte der europäischen Mikroelektronikförderung inklusive ROI und Amortisationsdauer. (Bild: ZVEi, Strategy&)

Geopolitische Spannungen und der Kampf um technologische Souveränität

Europa verfügt über bedeutende Stärken in der Mikroelektronik, insbesondere bei Leistungshalbleitern, Sensorik und Mikrocontrollern. Diese Technologien sind entscheidend für energieeffiziente Anwendungen in der Industrie, in Fahrzeugen und in der Energieerzeugung. Allerdings hinkt Europa in der Produktion von Cutting-Edge-Technologien wie High-End-Prozessoren hinterher. Um diese Schwäche auszugleichen, sind massive Investitionen in Forschung und Entwicklung notwendig. Zudem muss Europa den Zugang zu Rohstoffen sichern, Fachkräfte ausbilden und seine Infrastruktur modernisieren, um die energieintensive Halbleiterproduktion zu unterstützen.

Übersicht Mikroelektronik-Förderprogramme der führenden Halbleiterregionen (Stand Q3 2024)
Übersicht Mikroelektronik-Förderprogramme der führenden Halbleiterregionen (Stand Q3 2024) (Bild: ZVEi, Strategy&)

Cybersicherheit: Warum europäische KI-Chips unverzichtbar sind

Eine weitere zentrale Herausforderung ist die Cybersicherheit. Die Abhängigkeit von ausländischen Chips birgt erhebliche Risiken für kritische Infrastrukturen und sicherheitsrelevante Anwendungen. Um Manipulationen und Spionage zu verhindern, ist die Entwicklung und Produktion europäischer Cutting-Edge-Technologien, insbesondere von KI-Chips, unerlässlich. Nur so kann Europa seine technologische Souveränität sichern und vertrauenswürdige Systeme aufbauen.

Die Mikroelektronik spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der europäischen Klimaziele. Halbleiter ermöglichen energieeffiziente Technologien, die den CO₂-Ausstoß in zahlreichen Anwendungsbereichen reduzieren. Ein eindrucksvolles Beispiel ist der Beitrag von Infineon: Die Chips des Unternehmens haben im Jahr 2023 das 40-fache ihres Produktions-CO₂-Ausstoßes in der Anwendung eingespart. Damit wird deutlich, dass die Mikroelektronik nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine ökologische Schlüsseltechnologie ist.

Die ZVEI-Studie „Von Chips zu Chancen“ unterstreicht, dass die Mikroelektronik eine strategische Industrie für Europa ist. Sie stärkt die wirtschaftliche Resilienz, reduziert Abhängigkeiten und schafft die Grundlage für nachhaltiges Wachstum. Durch eine gezielte Förderung, eine europäische Gesamtstrategie und eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft kann Europa seine Stärken ausbauen und eine führende Rolle im globalen Wettbewerb einnehmen.

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