Autos haben sich von rein mechanischen Geräten in softwarebasierte Elektrofahrzeuge (EVs) verwandelt, die sich auf Dutzende Sensoren, komplexe Algorithmen und Hochleistungsrechner stützen. Auch bei Halbleiterdesigns müssen Hersteller deshalb umdenken.

Autos haben sich von rein mechanischen Geräten in softwarebasierte Elektrofahrzeuge (EVs) verwandelt, die sich auf Dutzende Sensoren, komplexe Algorithmen und Hochleistungsrechner stützen. Auch bei Halbleiterdesigns müssen Hersteller deshalb umdenken. (Bild: IMEC)

Eine besonders dringende Angelegenheit ist die Entwicklung leistungsstarker EV-Plattformen, jetzt, da das Zeitalter der mit fossilen Brennstoffen betriebenen Autos zu Ende geht. Parallel dazu fordern neue Initiativen zur Verkehrssicherheit intelligente Fahrerassistenzsysteme, die in der Lage sind, Kollisionen zu vermeiden. Und währenddessen zwingen Halbleiterknappheit und geopolitische Umwälzungen die Branche dazu, ihre langjährigen Partnerschaften und Lieferkettenvereinbarungen zu überdenken. Mit anderen Worten: Es braut sich ein gewaltiger Sturm zusammen - und es wird zu großen Verwerfungen kommen.

Während der Druck zunimmt, sind viele Autobauer unsicher, wie sie diese Herausforderungen richtig angehen sollen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor besteht darin, dass sie das Steuer wieder selbst in die Hand nehmen und beginnen, ihre eigenen Roadmaps und Architekturen zu erstellen, anstatt sich zu sehr auf die strategischen Entscheidungen der Zulieferer zu verlassen. Dazu muss das gesamte Ökosystem seine F&E-Praktiken und Kooperationsmodelle neu erfinden.

Ein Ökosystem im Umbruch

Die Automobilindustrie blickt auf eine lange Tradition der erfolgreichen Zusammenarbeit zurück. Sobald die Automobilherstellung in die Ära der Massenproduktion eintrat, schlossen sich die Autobauer mit ausgesuchten Zulieferern (Tier 1) zusammen, um maßgeschneiderte Teile zu entwickeln – von Motoren und Bremsen bis hin zu Autositzen. Später scharte sich ein Ökosystem von Subunternehmern um sie, um die zugrunde liegenden (Silizium-)Komponenten zu liefern. Viele Jahre lang konnte die Automobilzuliefererkette so eine gründliche Spezialisierung und Kostenoptimierung betreiben.

Heute hat sich dieses Bild jedoch drastisch verändert. Autos haben sich von rein mechanischen Geräten in softwarebasierte Elektrofahrzeuge (EVs) verwandelt, die sich auf Dutzende Sensoren, komplexe Algorithmen und Hochleistungsrechner stützen, um ihren Dienst zu verrichten. Das hat die Entwicklung eines Autos komplizierter gemacht als je zuvor. Es kann daher nicht überraschen, dass spezialisierte Elektronik- und Halbleiterunternehmen in der automobilen Wertschöpfungskette vorgerückt sind und viele klassische Tier-1-Lieferanten verdrängt haben.

Ein stagnierender Markt und die steigenden F&E-Ausgaben, die mit der Entwicklung von Fahrzeugen mit noch besseren Sicherheits- und Unterhaltungsfunktionen einhergehen, sorgen für weitere Turbulenzen in der Branche. Nur wenige Anbieter sind in der Lage, intelligente Systeme für Autos zu produzieren. Als Reaktion darauf verfolgen die Automobilhersteller einen neuen Ansatz, indem sie noch enger mit Halbleiter-Foundries und Anbietern von Halbleiterlösungen zusammenarbeiten, um eine Abhängigkeit von einem bestimmten Anbieter und mögliche Unterbrechungen der Lieferkette zu vermeiden.

Mit anderen Worten: Das Ökosystem der Automobilindustrie befindet sich im Umbruch und es stellt sich die Frage nach dem möglichen Zusammenbruch der einst so großartigen Kooperationsmodelle der Branche. Ist das ein Grund zur Panik? Vielleicht nicht. Die Lösung könnte aus einer überraschenden Quelle kommen und viel kleiner sein, als man es sich vorstellen kann.

Realistic isometric modern chiplet CPU design front view.
Chiplets sind für bestimmte Aufgaben optimiert, was sie leistungsfähiger macht. Dies wiederum erleichtert die Verringerung der Prozessorgröße und des Energiebedarfs. (Bild: ikuvshinov - stock.adobe.com)

Chiplets: Eine kleine Lösung für eine große Herausforderung

Dr. Gordon Moore, der verstorbene Mitbegründer von Intel, schlug einmal vor, dass es wirtschaftlicher sein könnte, wenn man große Systeme durch den Einsatz kleinerer, einzeln gehauster und miteinander verbundener Komponenten konstruiert – anstatt alle notwendigen Elemente auf einen einzigen, monolithischen Chip zu packen.

Dieses Prinzip bildet die Grundlage für ein Chipdesign, das die Art und Weise, wie Automobilhersteller ihre Fahrzeuge bauen, verändern wird. Dieser Ansatz beruht auf der nahtlosen Kombination von „Chiplets“, d.h. modularen Miniaturchips, die so konzipiert sind, dass sie bestimmte Funktionen effizient ausführen, um anspruchsvollere integrierte Schaltkreise zu bilden (ähnlich wie Lego-Bausteine). So könnten z.B. Autohersteller, die für eine KI-basierte Fußgängererkennungsanwendung viel Rechenleistung benötigen, die heutige herkömmliche CPU durch ein Chiplet ersetzen, das speziell für diesen Zweck entwickelt wurde.

Chiplets bieten zahlreiche Vorteile gegenüber herkömmlichen monolithischen Chipdesigns. Erstens können sie einfach und schnell angepasst und aufgerüstet werden, was sich in einer geringeren Entwicklungszeit und -kosten niederschlägt. Diese Flexibilität ermöglicht es den Herstellern, sich schnell an die sich verändernden Marktanforderungen und an neue technologische Entwicklungen anzupassen. Außerdem können die Automobilhersteller (und ihre Tier-1-Zulieferer) die Komponenten von Subunternehmern flexibler kombinieren, wodurch das Risiko einer Lieferantenbindung entfällt und eine robustere, gesündere und dynamischere Lieferkette gefördert wird.

Zweitens: Da Chiplets für bestimmte Aufgaben optimiert sind, sind sie leistungsfähiger. Dies wiederum erleichtert die Verringerung der Prozessorgröße und des Energiebedarfs. Durch die Konsolidierung mehrerer Funktionen in kompakten Einheiten machen Chiplets umfangreiche Verkabelungen, Kühlsysteme und andere Komponenten überflüssig, die bei herkömmlichen Chips erforderlich sind. Infolgedessen sinken die Herstellungskosten, und kleinere Gerätedesigns werden möglich.

Keine Interoperabilität, Kompatibilität oder Skalierbarkeit ohne neue Kooperationsvereinbarungen

Die Chiplet-Technologie ist zwar relativ neu, wird aber von mehreren Halbleiterunternehmen intensiv weiterentwickelt. Um eine breite Akzeptanz im Automobilsektor zu gewährleisten, sind jedoch besondere Anstrengungen erforderlich. Dazu gehört die Schaffung von Chiplet-Referenzarchitekturen für die Automobilindustrie – und von Standards –, um die Interoperabilität, Kompatibilität und Skalierbarkeit der Technologie zu gewährleisten und so die Markteinführungszeit zu verkürzen.

Dies erfordert, dass die Automobil-Lieferkette ein neues Gleichgewicht findet und neue Modelle der Zusammenarbeit erprobt. Denn nur wenn Halbleiterhersteller, Automobilunternehmen und Technologieanbieter ihre Stärken bündeln, können sie Innovationen beschleunigen und die nahtlose Integration von Chiplets in die Autos von morgen sicherstellen. (na)

Bart Placklé , IMEC
(Bild: IMEC)

Bart Placklé

Vice President of Automotive Technologies am IMEC

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