Software-Kolumne Abgefahren: Konkurrenz belebt das Geschäft
Lukas MandelLukasMandel
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Innovationsdruck der Autoindustrie mit Blick auf den wachsenden Markt in China.
Als die automobile Welt noch in Ordnung war, sah Wettbewerb so aus: Die Premiummarken Mercedes, BMW und Audi teilten sich reihum die Podiumsplätze in den Testzeitschriften, und über die Zulieferer wurden inkrementelle Innovationen im Laufe von zwei oder drei Jahren demokratisiert.
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Doch nichts ist mehr wie früher. Das neue Epizentrum ist China, wie auch die Automesse in Shanghai demonstriert hat. Aus dem anfänglichen Belächeln der chinesischen Produkte wurde Erstaunen angesichts einer schon sprichwörtlichen „China-Geschwindigkeit“. Während die einen den nächsten Steuerkreis einberufen, haben die anderen bereits entschieden. Und in der Umsetzung konkurriert die 35-Stunden-Woche mit „9-9-6“ – work around the clock. Nun zeigt sich: Wer schneller arbeitet, iteriert und lernt schneller. Und wer schneller lernt, der setzt zum Überholen an. Dies lässt sich an fünf Kernerkenntnissen der Auto Shanghai festmachen:
Erstens - selbst China ist nicht groß genug für die Armada an neuen und bereits etablierten chinesischen OEMs. Der heimische Markt bleibt schwierig, der Weg in die USA ist zunehmend versperrt, nun müssen die neuen Player neben Asien auch in Europa erfolgreich werden. Die bislang vernachlässigbaren Verkaufszahlen chinesischer OEMs in Europa werden zwangsweise bald der Vergangenheit angehören.
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Getting digital done: Die Kolumne von Dr. Christof Horn, Accenture
(Bild: Ferdinand Horn)
Software-defined ist kein Wettlauf um Technologien, sondern um Vorgehensweisen, Geschwindigkeit und Mindset. Was dazu gehört beschreibt Dr. Christof Horn in seiner Kolumne, die auf all-electronics und in der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK erscheint. Die Beiträge zum Nachlesen
Zweitens - Der chinesische Markt kann für europäische Hersteller nur vor Ort erobert werden, inklusive umfassender lokaler Lieferketten. Europäische Marken greifen in China zu chinesischen Zulieferern, bislang aus Kostengründen, zunehmend aber auch aus Kompetenzgründen. Hersteller wie auch Lieferanten spalten sich de facto in europäische und chinesische Schwesterfirmen auf.
Drittens – neben dem Ökosystem fähiger Zulieferer entstehen weitere Plattformen, z.B. für Chassis/Powertrain („Skateboard“) und Open-Source-Software. Insbesondere die Geschwindigkeit im Software-Stack ist beeindruckend und wird für viele zu einer verführerischen Alternative zur Eigenentwicklung. Dieses Baukastensystem beschleunigt weiter und senkt die Markteintrittshürden; nicht der Beste, sondern der Schnellste gewinnt.
Viertens – es geht nicht mehr um das Entry- und Mid-Segment, sondern um das gesamte Portfolio. Auch Premium-Fahrzeuge und Sportwagen stehen unter Beschuss und stecken sowohl in der Leistung als auch im Preis-Leistungsverhältnis immer mehr Niederlagen ein. Da insbesondere hochpreisige Marken starken Moden unterworfen sind, können Kundenpräferenzen extrem schnell umkippen.
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Save the date: 30. Automobil-Elektronik Kongress
Save the Date! Der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK Kongress findet 2026 am 16. und 17. Juni statt.
Am 16. und 17. Juni 2026 findet zum 30. Mal der Internationale Automobil-Elektronik Kongress (AEK) statt. Dieser Netzwerkkongress ist bereits seit vielen Jahren der Treffpunkt für die Top-Entscheider der Elektro-/Elektronik-Branche und bringt nun zusätzlich die Automotive-Verantwortlichen und die relevanten High-Level-Manager der Tech-Industrie zusammen, um gemeinsam das ganzheitliche Kundenerlebnis zu ermöglichen, das für die Fahrzeuge der Zukunft benötigt wird. Trotz dieser stark zunehmenden Internationalisierung wird der Automobil-Elektronik Kongress von den Teilnehmern immer noch als eine Art "automobiles Familientreffen" bezeichnet.
Fünftens – viele der früheren Alleinstellungsmerkmale wie Qualität und Performance haben sich egalisiert. Ein Wettbewerbsfeld auf Augenhöhe ist entstanden, in dem sich niemand auf seiner Marke mehr ausruhen kann. Kein einziger Funktionsbereich ist ausgenommen - ob Infotainment, Powertrain, Chassis, Design oder Innenraum. Chinesische Wettbewerber demonstrieren in Internet-Videos ihre neuen Fähigkeiten in den Schlüsselkompetenzen der etablierten Marken. Ein perfekter Sturm? Nein, ein offener und aggressiver Wettbewerb.
Was also tun? Alle Spieler müssen sich dem harten Votum ihrer Kunden stellen und ihren Markenkern neu herausarbeiten. Dabei gilt es, Entscheidungen schnell zu treffen und schnell umzusetzen, viel pragmatischer als bisher. Interne Politik kann sich niemand mehr leisten. Und: Keine Entscheidungen zu treffen ist gravierender, als vermeintlich schlechte Entscheidungen zu treffen, denn wer gebannt auf die Schlange starrt, tut das meistens nicht allzu lange.