Wie ist das Risiko eines größtanzunehmenden Unfalls einzuschätzen? Welche Form von Atommüll ist zu erwarten? Diesen und weiteren Fragen geht der deutsche Wissenschaftskommunikator und Physiker Josef M. Gaßner in seinem Video "Größter Fehler der Kernfusion" nach.(Bild: Screenshot aus https://www.youtube.com/watch?v=x78-YzUVYY4)
Ein technologischer Meilenstein bleibt unerreicht: Kernfusion – die vermeintliche Lösung der Energiekrise – kämpft mit fatalen Fehlern. Warum Materialgrenzen, politische Konflikte und Fehleinschätzungen die Vision gefährden, zeigt diese Analyse.
Anzeige
Der deutsche Wissenschaftskommunikator und Physiker Josef M. Gaßner hat eine umfangreiche Videoreihe zur Kernfusion im Rahmen seiner Serie "Von Aristoteles zur Stringtheorie" produziert. Diese Videos bieten einen detaillierten Einblick in verschiedene Aspekte der Kernfusionsforschung. In seinem Video vom 19.1. beschäftigt er sich mit den größten Fehlern der Kernfusion.
So gilt Kernfusion zwar als die Energiequelle der Zukunft, ein Versprechen für saubere, nahezu unerschöpfliche Energie. Doch trotz jahrzehntelanger Forschung und Milliardeninvestitionen bleibt die Verwirklichung dieses Traums ein zähes Unterfangen. In seinem Video, beleuchtet er die wichtigsten Herausforderungen und Fehler in der Geschichte der Kernfusionsforschung und fasste wurden zentrale Fragen und Antworten zusammen. Wir analysieren die Kernaussagen des Beitrags und zeigt, wo die größten Probleme der Kernfusion liegen.
Anzeige
Was ist der größte Fehler in der Kernfusionsforschung?
Ein zentraler Punkt, der im Video hervorgehoben wird, ist das Missverständnis der Skalierbarkeit. Wissenschaftler und Ingenieure gingen lange davon aus, dass die Kernfusion nur eine Frage der Größe und des Kapitals sei. Das bedeutet: Größere Reaktoren und mehr Geld würden zwangsläufig schneller zu einem Erfolg führen. Diese Annahme wurde jedoch in der Praxis mehrfach widerlegt. Projekte wie ITER, der weltgrößte Fusionsreaktor, zeigen, dass die steigende Komplexität solcher Anlagen oft neue Probleme hervorruft, die vorher nicht absehbar waren. Eigentlich war geplant, dass Iter 2025 ein erstes Plasma erzeugt. Der neue Zeitplan aus 2024 sieht dagegen vor, dass die Forschungsaktivitäten am ITER im Jahr 2034 beginnen. Bereits in den vergangenen Jahren hatte sich abgezeichnet, dass der bisherige Zeitplan nicht zu halten sein würde. Als Gründe für die Verzögerung nennt ITER-Generaldirektor Pietro Barabaschi die COVID-19-Pandemie, Qualitätsprobleme und eine zu optimistische Planung für ein solches „First of a kind“-Projekt.
Warum hat die Kernfusion bis heute keinen Durchbruch erzielt?
Anzeige
Laut dem Video liegt ein weiteres zentrales Problem in der mangelnden Priorisierung fundamentaler Forschung über kommerzielle Ziele. Viele Forscher und Institutionen haben sich darauf konzentriert, die Kernfusion als bald nutzbare Energiequelle zu vermarkten. Dadurch wurde der wissenschaftliche Fokus oft auf kurzfristige Ergebnisse verlagert, anstatt die grundsätzlichen physikalischen und technologischen Herausforderungen zu lösen. Hierzu gehören beispielsweise die Stabilität der Plasmen, die Materialbeständigkeit bei extrem hohen Temperaturen und die Effizienz der Energierückgewinnung.
Überblick über ausgewählte Fusionsreaktoren: Wo sie stehen, was sie machen und wie weit sie sind.
Das deutsche Start-up Proxima Fusion mit Sitz in Münchenentwickelt innovative Stellaratoren als Fusionskraftwerke. Mit rund 30 Mitarbeitern, KI-gestützten Designs und Hochtemperatursupraleitern will das Unternehmen bis 2031 einen energiepositiven Prototyp fertigstellen.(Bild: Proxima Fusion)
Proxima Fusion befindet sich aktuell in der Entwicklungsphase. Mithilfe von 27 Millionen Euro privater Investitionen und öffentlichen Mitteln wird der erste Prototyp vorangetrieben. Die Technologie basiert auf dem Wendelstein 7-X-Experiment in Greifswald, das bereits mehrere Rekorde in der Fusionsforschung aufgestellt hat. Der Einsatz von KI und Hochtemperatursupraleitern optimiert den Designprozess und beschleunigt die Realisierung.(Bild: Screenshot aus https://www.youtube.com/watch?v=ymu8PhsrIJY)
ITER ist ein internationaler Tokamak-Fusionsreaktor, der den Ansatz der magnetischen Einkapselung verfolgt. Der Reaktor befindet sich in Cadarache, Frankreich, und rund 2.000 Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern sind am Projekt beteiligt.(Bild: ITER)
Der aktuelle Projektstatus von ITER sah eigentlich vor, dass der erste Plasma-Versuch im Jahr 2025 stattfinden soll. Allerdings wird sich der Plan aufgrund von Problemen mit Schweißnähten und Rissen in der Fusionskammer verzögern.(Bild: Iter)
Der – im Vergleich zu Iter deutlich kleinere – Stellarator Wendelstein 7-X nutzt einen innovativen Ansatz zur magnetischen Einkapselung und Stabilisierung von Plasmen. Er befindet sich in Greifswald, Deutschland, und wird von etwa 400 Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik betrieben.(Bild: MPI für Plasmaphysik, Anja Ullmann)
2018 gelang es Wendelstein 7-X, ein Plasma für 100 Sekunden stabil zu halten, was als Durchbruch für die Stellarator-Technologie gilt. Nach einer Wartungsphase nahm der Kernfusions-Reaktor im September 2024 den Versuchsbetrieb mit deutlichen Verbesserungen wieder auf. Im Februar 2023 erreichte Wendelstein 7-X dann einen neuen Rekord: Ein Energieumsatz von 1,3 Gigajoule wurde für 480 Sekunden (8 Minuten) aufrechterhalten.Dies übertraf den vorherigen Bestwert um das 17-fache. Die Wissenschaftler planen, den Energieumsatz in den kommenden Jahren auf 18 Gigajoule zu steigern und das Plasma für eine halbe Stunde stabil zu halten.(Bild: MPI für Plasmaphysik, Jan Michael Hosan)
Die National Ignition Facility (NIF) nutzt den Trägheitseinschluss-Ansatz mit Hochleistungslasern, um Brennstoffpellets zur Fusion zu komprimieren. Die Anlage steht in Livermore, Kalifornien, USA, und beschäftigt über 1.000 Mitarbeiter.(Bild: National Ignition Facility)
Im Bild: Die Targetkammer, in der 192 Laserstrahlen mehr als 2 Millionen Joule ultravioletter Energie auf ein winziges Brennstoffpellet lieferten, um am 5. Dezember 2022 eine Fusionszündung in der NIF zu erzeugen. Dabei wurde mehr Energie durch die Fusion erzeugt, als durch die Laser eingebracht wurde.(Bild: Lawrence Livermore National Laboratory)
Das Large Helical Device (LHD) ist ein Stellarator, der seit 1998 zur Erforschung der Plasmaphysik und Fusionsenergie dient. Der Reaktor befindet sich in Toki, Gifu, Japan, und etwa 300 Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten daran.(Bild: National Institutes of Natural Sciences, National Institute for Fusion Science)
2023 konnte im Large Helical Device (LHD) in Japan erstmals die Kernfusion von Wasserstoff und Bor in einem Magneteinschluss-Plasma erfolgreich nachgewiesen werden, ein bedeutender Schritt in Richtung sauberer, nicht-radioaktiver Fusionskraftwerke. Durch das Einbringen von Borkörnchen ins Plasma und das Beschießen mit energiereichen Protonen gelang es, eine signifikante Menge an Heliumkernen zu erzeugen, was die Fusionsreaktion bestätigte. Die Forscher sehen in diesen Ergebnissen eine Basis für die Entwicklung sichererer und umweltfreundlicherer Fusionsreaktoren. TAE Technologies plant bis 2030, Prototypen für Reaktoren zu entwickeln, die auf diesem Konzept basieren und möglicherweise mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen.(Bild: National Institutes of Natural Sciences, National Institute for Fusion Science)
Der OMEGA-Laser, der zur Erforschung der Trägheitsfusion verwendet wird, steht in Rochester, New York, USA. Über 1.000 Mitarbeiter, darunter 450 Wissenschaftler und Ingenieure, arbeiten an diesem Projekt des Laboratory for Laser Energetics (LLE).(Bild: Laboratory for Laser Energetics)
Das OMEGA-Lasersystem der University of Rochester hat erfolgreich neue Fortschritte in der Trägheitsfusion erzielt und damit als potenzieller "Zündfunke" für größere Fusionsreaktionen gedient. Mit nur 28 Kilojoule Laserenergie wurden winzige Kapseln mit Deuterium und Tritium so komprimiert, dass ein Plasma entstand, das Fusionsreaktionen ermöglichte.(Bild: Laboratory for Laser Energetics)
Der Korea Superconducting Tokamak Advanced Research (KSTAR) verfolgt den supraleitenden Tokamak-Ansatz zur Untersuchung der Plasmaphysik und Fusionsenergie. Die Anlage befindet sich in Daejeon, Südkorea, und es sind rund 150 Wissenschaftler und Ingenieure beteiligt.(Bild: Von Michel Maccagnan -Eigenes Werk,CC BY-SA 3.0,Link)
Im Jahr 2020 gelang es KSTAR – „Koreas künstliche Sonne“ – , ein Plasma für 20 Sekunden bei über 100 Millionen Grad Celsius aufrechtzuerhalten, was als großer Meilenstein in der Plasmaphysik gilt. Ende März 2024 brannte das Plasma im Reaktor sogar für 48 Sekunden bei 100 Millionen Grad Celsius.)(Bild: Korea Institute of Fusion Energy (KFE))
Der Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST) verwendet ebenfalls supraleitende Technologie, um Langzeit-Plasmaentladungen zu erforschen. Der Reaktor steht in Hefei, China, mit mehr als 200 Forschern und Technikern im Team.(Bild: Institute of Plasma Physics at Hefei Institutes of Physical Science, Chinese Academy of Sciences)
Im Mai 2023 erreichte EAST einen bedeutenden Durchbruch: Es gelang, ein Plasma für 403 Sekunden (etwa 6,7 Minuten) bei einer Temperatur von 120 Millionen °C aufrechtzuerhalten.. "Key issues for long-pulse high-βNoperation with theExperimental Advanced Superconducting Tokamak(EAST)". Nuclear Fusion 57 (5): 056021.DOI:10.1088/1741-4326/aa626c.ISSN0029-5515. Figure 5,CC BY 3.0,Link)(Bild: Modifiziert nach Xiang Gao, Yao Yang, Tao Zhang, Haiqing Liu, Guoqiang Li, Tingfeng Ming, Zixi Liu, Yumin Wang, Long Zeng, Xiang Han et al. - (2017-03-24). "Key issues for long-pulse high-βNoperation with theExperimental Advanced Superconducting Tokamak(EAST)". Nuclear Fusion 57 (5): 056021.DOI:10.1088/1741-4326/aa626c.ISSN0029-5515. Figure 5,CC BY 3.0,Link)
SMART (SMall Aspect Ratio Tokamak) ist ein neu entwickelter, kompakter Tokamak-Fusionsreaktor an der Universität Sevilla in Spanien.Entwickelt und betrieben wird er vom Plasma Science and Fusion Technology Laboratory unter der Leitung von Professor Manuel García Muñoz und Professorin Eleonora Viezzer. Mit einem geringen Aspektverhältnis und den Abmessungen von nur 1,6 × 1,6 Metern stellt SMART eine innovative Plattform für die Erforschung neuer Plasmageometrien dar, insbesondere der negativen Triangularität.(Bild: Universität Sevilla)
Im Januar 2025 gelang dem SMART-Tokamak erstmals die Erzeugung von Plasma, ein bedeutender Meilenstein in der Fusionsforschung. Durch den Einsatz negativer Triangularität testet der Reaktor ein neuartiges Design, das den Weg zu kleineren und effizienteren Fusionskraftwerken ebnen könnte. Die gewonnenen Daten aus den ersten Plasmatests werden mit Hochgeschwindigkeitskameras im sichtbaren Spektrum aufgezeichnet und analysiert, um die Stabilität und Leistungsfähigkeit des Plasmas zu bewerten.(Bild: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1741-4326/ad8a70)
Zap Energy ist ein in Everett, Washington, ansässiges Unternehmen, das an einer kostengünstigen und kompakten Fusionslösung arbeitet. Das Team um die Gründer Benj Conway, Brian A. Nelson und Uri Shumlak setzt auf die Sheared-Flow-Stabilized Z-Pinch-Technologie, die ohne supraleitende Magnete auskommt und eine wirtschaftlich tragfähige Fusion ermöglichen soll.(Bild: Zap Energy)
Der aktuelle Entwicklungsstand von Zap Energy sieht mit dem Century-Projekt die erste vollintegrierte Demonstration relevanter Fusionskraftwerk-Technologien vor. Während wichtige Meilensteine wie eine stabile Plasmaerzeugung und hohe Neutronenausbeuten erreicht wurden, stehen noch weitere Herausforderungen bevor, darunter die Skalierung der Technologie und die Entwicklung robuster Materialien für den Langzeitbetrieb.(Bild: Zap Energy)
Woran die Trägheitsfusion (noch) scheitert
Anzeige
Gaßner geht auch auf die Trägheitsfusion als vielversprechende Alternative zum magnetischen Einschluss ein. Sie basiert auf der Zündung von Brennstoffpellets durch extrem starke Laserimpulse. Dabei wird immense Energie auf winzige Brennstoffkapseln konzentriert, meist aus Deuterium und Tritium. Diese Kapseln werden so stark komprimiert, dass die notwendigen Bedingungen für eine Kernfusion – extreme Dichte und Temperatur – erreicht werden. Der Ansatz hat einige klare Vorteile, aber auch erhebliche Herausforderungen.
Ein wesentlicher Vorteil der Trägheitsfusion ist, dass sie keine großen magnetischen Einschlussstrukturen wie Tokamaks erfordert. Die Laserbasierte Technologie ermöglicht eine kompaktere Bauweise und könnte langfristig kosteneffizienter sein. Fortschritte wurden insbesondere durch die National Ignition Facility (NIF) erzielt, wo erstmals Ansätze eines Nettoenergiegewinns demonstriert werden konnten. Dies ist ein bedeutender Meilenstein, da die Energiebilanz bisher eine der größten Hürden war.
Die Herausforderungen sind jedoch nicht zu unterschätzen. Die Synchronisation der Laserimpulse und die Herstellung der Brennstoffpellets erfordern höchste Präzision. Schon geringste Asymmetrien können die gewünschte Fusionseffizienz drastisch reduzieren. Darüber hinaus verbrauchen die aktuellen Laseranlagen oft mehr Energie, als durch die Fusion erzeugt wird, was die praktische Nutzbarkeit derzeit noch stark einschränkt.
ITER steht exemplarisch für die Herausforderungen der Kernfusion. Das Projekt basiert auf dem Lawson-Kriterium und dem Triple-Produkt – zwei zentralen Maßstäben für die Zündung eines Plasmas. Dabei beschreibt das Lawson-Kriterium die Mindestbedingungen, die erfüllt sein müssen, damit in einer Kernfusionsreaktion mehr Energie erzeugt wird, als für das Aufrechterhalten der Reaktion benötigt wird. Es verbindet die Temperatur, Dichte und Einschlusszeit des Plasmas zu einer kritischen Schwelle. Das Triple-Produkt (Temperatur × Plasmadichte × Einschlusszeit) ist ein praktisches Maß für die Erreichung des Lawson-Kriteriums und dient als zentrale Zielgröße in der Kernfusionsforschung.
Jedoch gibt es gravierende Probleme:
Komplexität der Technologie: ITER setzt auf den magnetischen Einschluss in einem Tokamak. Dieses System ist technisch äußerst anspruchsvoll, da das Plasma nur durch extrem starke Magnetfelder bei Millionen Grad stabil gehalten werden kann.
Materialfragen: Die Reaktorkammer muss Temperaturen von mehreren Millionen Grad und intensiver Neutronenstrahlung standhalten. Bisher gibt es keine Materialien, die diese Belastungen über lange Zeit hinweg aushalten.
Zeitliche Verzögerungen: ITER wurde mehrfach verschoben, was an technischen Herausforderungen, politischer Uneinigkeit und Budgetüberschreitungen liegt. Diese Verzögerungen mindern das Vertrauen in die Kernfusionsforschung.
Anzeige
Welche Fusionsmaterialien finden aktuell Verwendung?
In den meisten Experimenten wird ein Gemisch aus Deuterium und Tritium als Brennstoff verwendet. Diese Kombination ist vielversprechend, da sie eine vergleichsweise niedrige Zündtemperatur hat und eine hohe Energieausbeute verspricht. Allerdings gibt es Herausforderungen:
Tritium ist selten: Es kommt auf der Erde nur in minimalen Mengen vor und muss in aufwendigen Prozessen erzeugt werden.
Alternative Brennstoffe: Helium-3 oder Bor-11 werden als langfristige Alternativen diskutiert, sind aber technologisch deutlich schwieriger umzusetzen.
Anzeige
Wie ist das Risiko eines größtanzunehmenden Unfalls einzuschätzen?
Die Kernfusion gilt als grundsätzlich sicherer als die Kernspaltung. Selbst bei einem Versagen der Systeme wäre ein „GAU“ (Größtanzunehmender Unfall) weniger verheerend, da keine Gefahr einer nuklearen Kettenreaktion besteht. Die größten Risiken sind:
Freisetzung von Tritium: Tritium ist radioaktiv und könnte bei einem Unfall austreten.
Materialversprödung: Die intensive Neutronenbestrahlung könnte langfristig zu Materialversagen führen.
Private Investitionen und Start-ups: Eine neue Dynamik in der Kernfusionsforschung
Im Video wird auch auf die Rolle privater Investitionen und Start-ups in der Kernfusionsforschung eingegangen. In den letzten Jahren haben private Unternehmen wie Helion Energy, Commonwealth Fusion Systems oder TAE Technologies die Entwicklung vorangetrieben. Diese Start-ups verfolgen oft unkonventionelle Ansätze und können dank privater Finanzierung schneller und flexibler agieren als große, staatlich geförderte Projekte wie ITER.
Ein Vorteil privater Investitionen liegt in der Risikobereitschaft, neue Technologien zu erforschen. Unternehmen wie Helion Energy arbeiten beispielsweise an kompakten Reaktoren mit alternativen Konzepten, die auf die Nutzung von Helium-3 oder Bor-11 abzielen. Diese Brennstoffe versprechen eine sauberere Energieerzeugung, da sie weniger radioaktiven Abfall produzieren.
Zudem ziehen private Akteure hochqualifizierte Fachkräfte an und schaffen so einen Wettbewerb, der die gesamte Branche voranbringen könnte. Allerdings stehen sie vor ähnlichen Herausforderungen wie staatliche Projekte: Die Materialwissenschaft, die Kontrolle des Plasmas und die Energiebilanz bleiben schwierige Hürden.
Die zunehmende Beteiligung von Start-ups und Investoren gibt jedoch Anlass zur Hoffnung. Sie zeigen, dass die Kernfusion nicht nur von staatlichen Programmen abhängt, sondern auch durch marktwirtschaftliche Dynamik vorangetrieben werden kann. Diese Entwicklung könnte die Zeit bis zur Kommerzialisierung erheblich verkürzen, wenn es gelingt, wissenschaftliche Durchbrüche mit wirtschaftlicher Tragfähigkeit zu verbinden.
Welche Form von Atommüll ist bei der Fusion zu erwarten?
Im Vergleich zur Kernspaltung erzeugt die Kernfusion keinen langlebigen hochradioaktiven Atommüll. Der entstehende Abfall stammt hauptsächlich aus den Materialien der Reaktorkammer, die durch Neutronenbestrahlung aktiviert werden. Diese Materialien bleiben jedoch nur für wenige Jahrzehnte radioaktiv und können relativ sicher gelagert werden.
Warum dauert die Entwicklung von Leistungsreaktoren so lange?
Die Entwicklung von Kernfusionsreaktoren wird durch folgende Faktoren verzögert:
Technologische Herausforderungen: Der Bau eines funktionierenden Reaktors erfordert Fortschritte in verschiedenen Bereichen wie Materialwissenschaften, Plasmaphysik und Magnetfeldtechnologie.
Politische Hürden: Internationale Projekte wie ITER müssen zahlreiche Interessensgruppen berücksichtigen, was oft zu Kompromissen und Verzögerungen führt.
Hohe Kosten: Die Finanzierung solcher Großprojekte ist eine immense Belastung für die beteiligten Staaten.
Fehlende Infrastruktur: Der Aufbau einer Lieferkette für spezialisierte Materialien und Technologien benötigt Zeit.
Wann können wir realistisch mit Strom aus Kernfusion rechnen?
Laut Expertenaussagen wird die kommerzielle Nutzung der Kernfusion wahrscheinlich erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts realistisch sein. Prototypen könnten in den 2040er-Jahren in Betrieb gehen, doch bis zur Marktreife sind noch zahlreiche technische und regulatorische Hürden zu überwinden.
Fazit: Was können wir aus den Fehlern lernen?
Der größte Fehler in der Geschichte der Kernfusionsforschung ist laut Gaßner nicht nur ein technisches Problem, sondern auch ein strategisches. Fehlannahmen über Skalierbarkeit, fragmentierte Forschung und politisch motivierte Entscheidungen haben den Fortschritt verlangsamt. Doch trotz dieser Rückschläge bleibt die Kernfusion eine der vielversprechendsten Technologien der Menschheit. Die Lektion ist klar: Ein verstärkter Fokus auf grundlegende Forschung, globale Kooperation und realistische Zielsetzungen sind der Schlüssel, um die nächsten Schritte erfolgreich zu meistern.
Der Autor: Dr. Martin Large
(Bild: Hüthig)
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.