Erstes Plasma im SMART-Tokamak, aufgenommen mit einer superschnellen Kamera im sichtbaren Spektrum(Bild: Universität Sevilla)
Ein Mini-Fusionsreaktor, der die Forschung verändert: Der SMART-Tokamak hat im Januar 2025 erstmals Plasma erzeugt. Mit negativer Triangularität testet er ein neues Design – und könnte den Weg zu kleineren, effizienteren Fusionskraftwerken ebnen.
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Die Fusionsenergie gehört zu den Technologien, auf die viele Wetten laufen, wenn es darum geht, der Menschheit eine nachhaltige und unerschöpfliche Energiequelle zu sichern. Trotz jahrzehntelanger Forschung ist ein echter Durchbruch, geschweige denn die Alltagstauglichkeit, jedoch noch weit entfernt. Nun ist die Universität Sevilla einen bedeutenden Schritt näher gekommen. Mit der erfolgreichen Erzeugung des ersten Plasmas im SMART-Tokamak (SMall Aspect Ratio Tokamak) haben die Forscher einen Meilenstein erreicht, der das Potenzial hat, die Zukunft der Fusionsenergie grundlegend zu beeinflussen. Doch was genau ist passiert, was macht den SMART-Tokamak so besonders und wohin geht die Reise in der Fusionsforschung?
Was ist der SMART-Tokamak, wo steht er und wer betreibt ihn?
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Der SMART-Tokamak (SMall Aspect Ratio Tokamak) ist ein neu entwickelter, kompakter Fusionsreaktor an der Universität Sevilla in Spanien. Realisiert und betrieben wird er vom dortigen Plasma Science and Fusion Technology Laboratory unter Leitung von Professor Manuel García Muñoz und Professorin Eleonora Viezzer. Sein Name leitet sich aus dem geringen Aspektverhältnis (small aspect ratio) ab, was für ein besonders kompaktes Reaktordesign steht.
Mit Abmessungen von 1,6 × 1,6 Metern für das Vakuumgefäß ist SMART deutlich kleiner als viele herkömmliche Tokamaks. Zum Vergleich: Der weltweit größte Tokamak, ITER, hat einen Plasmaradius von 6,2 m und einem Plasmavolumen von 840 m³. Diese kompakte Bauweise ermöglicht nicht nur eine platzsparende Integration in bestehende Forschungseinrichtungen, sondern reduziert auch die Baukosten erheblich. Trotz der geringen Größe bietet SMART dank seiner flexiblen Plasmageometrie und innovativen Technologien eine leistungsfähige Plattform für die Untersuchung neuer Plasmaformen, insbesondere der negativen Triangularität. Vereinfacht ausgedrückt hat das Plasma in einem Tokamak eine umgekehrte D-Form, wodurch es stabiler und effizienter wird. Dazu später mehr.
Im Januar 2025 schaffte SMART den Sprung in den Fokus der internationalen Fusionsforschung, als er erfolgreich sein erstes Plasma erzeugte. Dank seiner flexiblen Bauweise und der gezielten Untersuchung negativer Triangularität weckt der Reaktor große Hoffnungen für künftige, kompaktere Fusionskraftwerke.
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Skizze des SMART-Tokamaks. Toroidalfeldspulen, Poloidalfeldspulen und die zentrale Magnetspule sind in rot dargestellt. Drei Paare von Poloidfeldspulen befinden sich im Inneren des Gefäßes, geschützt durch Spulengehäuse.(Bild: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1741-4326/ad8a70)
Was hat der SMART aktuell geleistet?
Der bedeutendste Schritt in der jüngsten Phase des Projekts ist die Erzeugung des ersten Plasmas zu Jahresbeginn 2025. Damit hat SMART offiziell die Betriebsphase eingeläutet. In ersten Tests wurde Argon-Gas mithilfe von Mikrowellen aufgeheizt, bis ein magnetisch eingeschlossenes Plasma entstand.
Besonders bemerkenswert ist, dass dieses Plasma mit Hochgeschwindigkeitskameras beobachtet und ausgewertet wurde. Die so gewonnenen Daten helfen den Forschenden, die Stabilität, Temperaturverteilung und Wandbelastung zu analysieren – wesentliche Aspekte für den nächsten Schritt: die Erzeugung von Plasmen mit negativer Triangularität unter reaktorrelevanten Bedingungen.
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Überblick über ausgewählte Fusionsreaktoren: Wo sie stehen, was sie machen und wie weit sie sind.
Das deutsche Start-up Proxima Fusion mit Sitz in Münchenentwickelt innovative Stellaratoren als Fusionskraftwerke. Mit rund 30 Mitarbeitern, KI-gestützten Designs und Hochtemperatursupraleitern will das Unternehmen bis 2031 einen energiepositiven Prototyp fertigstellen.(Bild: Proxima Fusion)
Proxima Fusion befindet sich aktuell in der Entwicklungsphase. Mithilfe von 27 Millionen Euro privater Investitionen und öffentlichen Mitteln wird der erste Prototyp vorangetrieben. Die Technologie basiert auf dem Wendelstein 7-X-Experiment in Greifswald, das bereits mehrere Rekorde in der Fusionsforschung aufgestellt hat. Der Einsatz von KI und Hochtemperatursupraleitern optimiert den Designprozess und beschleunigt die Realisierung.(Bild: Screenshot aus https://www.youtube.com/watch?v=ymu8PhsrIJY)
ITER ist ein internationaler Tokamak-Fusionsreaktor, der den Ansatz der magnetischen Einkapselung verfolgt. Der Reaktor befindet sich in Cadarache, Frankreich, und rund 2.000 Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern sind am Projekt beteiligt.(Bild: ITER)
Der aktuelle Projektstatus von ITER sah eigentlich vor, dass der erste Plasma-Versuch im Jahr 2025 stattfinden soll. Allerdings wird sich der Plan aufgrund von Problemen mit Schweißnähten und Rissen in der Fusionskammer verzögern.(Bild: Iter)
Der – im Vergleich zu Iter deutlich kleinere – Stellarator Wendelstein 7-X nutzt einen innovativen Ansatz zur magnetischen Einkapselung und Stabilisierung von Plasmen. Er befindet sich in Greifswald, Deutschland, und wird von etwa 400 Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik betrieben.(Bild: MPI für Plasmaphysik, Anja Ullmann)
2018 gelang es Wendelstein 7-X, ein Plasma für 100 Sekunden stabil zu halten, was als Durchbruch für die Stellarator-Technologie gilt. Nach einer Wartungsphase nahm der Kernfusions-Reaktor im September 2024 den Versuchsbetrieb mit deutlichen Verbesserungen wieder auf. Im Februar 2023 erreichte Wendelstein 7-X dann einen neuen Rekord: Ein Energieumsatz von 1,3 Gigajoule wurde für 480 Sekunden (8 Minuten) aufrechterhalten.Dies übertraf den vorherigen Bestwert um das 17-fache. Die Wissenschaftler planen, den Energieumsatz in den kommenden Jahren auf 18 Gigajoule zu steigern und das Plasma für eine halbe Stunde stabil zu halten.(Bild: MPI für Plasmaphysik, Jan Michael Hosan)
Die National Ignition Facility (NIF) nutzt den Trägheitseinschluss-Ansatz mit Hochleistungslasern, um Brennstoffpellets zur Fusion zu komprimieren. Die Anlage steht in Livermore, Kalifornien, USA, und beschäftigt über 1.000 Mitarbeiter.(Bild: National Ignition Facility)
Im Bild: Die Targetkammer, in der 192 Laserstrahlen mehr als 2 Millionen Joule ultravioletter Energie auf ein winziges Brennstoffpellet lieferten, um am 5. Dezember 2022 eine Fusionszündung in der NIF zu erzeugen. Dabei wurde mehr Energie durch die Fusion erzeugt, als durch die Laser eingebracht wurde.(Bild: Lawrence Livermore National Laboratory)
Das Large Helical Device (LHD) ist ein Stellarator, der seit 1998 zur Erforschung der Plasmaphysik und Fusionsenergie dient. Der Reaktor befindet sich in Toki, Gifu, Japan, und etwa 300 Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten daran.(Bild: National Institutes of Natural Sciences, National Institute for Fusion Science)
2023 konnte im Large Helical Device (LHD) in Japan erstmals die Kernfusion von Wasserstoff und Bor in einem Magneteinschluss-Plasma erfolgreich nachgewiesen werden, ein bedeutender Schritt in Richtung sauberer, nicht-radioaktiver Fusionskraftwerke. Durch das Einbringen von Borkörnchen ins Plasma und das Beschießen mit energiereichen Protonen gelang es, eine signifikante Menge an Heliumkernen zu erzeugen, was die Fusionsreaktion bestätigte. Die Forscher sehen in diesen Ergebnissen eine Basis für die Entwicklung sichererer und umweltfreundlicherer Fusionsreaktoren. TAE Technologies plant bis 2030, Prototypen für Reaktoren zu entwickeln, die auf diesem Konzept basieren und möglicherweise mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen.(Bild: National Institutes of Natural Sciences, National Institute for Fusion Science)
Der OMEGA-Laser, der zur Erforschung der Trägheitsfusion verwendet wird, steht in Rochester, New York, USA. Über 1.000 Mitarbeiter, darunter 450 Wissenschaftler und Ingenieure, arbeiten an diesem Projekt des Laboratory for Laser Energetics (LLE).(Bild: Laboratory for Laser Energetics)
Das OMEGA-Lasersystem der University of Rochester hat erfolgreich neue Fortschritte in der Trägheitsfusion erzielt und damit als potenzieller "Zündfunke" für größere Fusionsreaktionen gedient. Mit nur 28 Kilojoule Laserenergie wurden winzige Kapseln mit Deuterium und Tritium so komprimiert, dass ein Plasma entstand, das Fusionsreaktionen ermöglichte.(Bild: Laboratory for Laser Energetics)
Der Korea Superconducting Tokamak Advanced Research (KSTAR) verfolgt den supraleitenden Tokamak-Ansatz zur Untersuchung der Plasmaphysik und Fusionsenergie. Die Anlage befindet sich in Daejeon, Südkorea, und es sind rund 150 Wissenschaftler und Ingenieure beteiligt.(Bild: Von Michel Maccagnan -Eigenes Werk,CC BY-SA 3.0,Link)
Im Jahr 2020 gelang es KSTAR – „Koreas künstliche Sonne“ – , ein Plasma für 20 Sekunden bei über 100 Millionen Grad Celsius aufrechtzuerhalten, was als großer Meilenstein in der Plasmaphysik gilt. Ende März 2024 brannte das Plasma im Reaktor sogar für 48 Sekunden bei 100 Millionen Grad Celsius.)(Bild: Korea Institute of Fusion Energy (KFE))
Der Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST) verwendet ebenfalls supraleitende Technologie, um Langzeit-Plasmaentladungen zu erforschen. Der Reaktor steht in Hefei, China, mit mehr als 200 Forschern und Technikern im Team.(Bild: Institute of Plasma Physics at Hefei Institutes of Physical Science, Chinese Academy of Sciences)
Im Mai 2023 erreichte EAST einen bedeutenden Durchbruch: Es gelang, ein Plasma für 403 Sekunden (etwa 6,7 Minuten) bei einer Temperatur von 120 Millionen °C aufrechtzuerhalten.. "Key issues for long-pulse high-βNoperation with theExperimental Advanced Superconducting Tokamak(EAST)". Nuclear Fusion 57 (5): 056021.DOI:10.1088/1741-4326/aa626c.ISSN0029-5515. Figure 5,CC BY 3.0,Link)(Bild: Modifiziert nach Xiang Gao, Yao Yang, Tao Zhang, Haiqing Liu, Guoqiang Li, Tingfeng Ming, Zixi Liu, Yumin Wang, Long Zeng, Xiang Han et al. - (2017-03-24). "Key issues for long-pulse high-βNoperation with theExperimental Advanced Superconducting Tokamak(EAST)". Nuclear Fusion 57 (5): 056021.DOI:10.1088/1741-4326/aa626c.ISSN0029-5515. Figure 5,CC BY 3.0,Link)
SMART (SMall Aspect Ratio Tokamak) ist ein neu entwickelter, kompakter Tokamak-Fusionsreaktor an der Universität Sevilla in Spanien.Entwickelt und betrieben wird er vom Plasma Science and Fusion Technology Laboratory unter der Leitung von Professor Manuel García Muñoz und Professorin Eleonora Viezzer. Mit einem geringen Aspektverhältnis und den Abmessungen von nur 1,6 × 1,6 Metern stellt SMART eine innovative Plattform für die Erforschung neuer Plasmageometrien dar, insbesondere der negativen Triangularität.(Bild: Universität Sevilla)
Im Januar 2025 gelang dem SMART-Tokamak erstmals die Erzeugung von Plasma, ein bedeutender Meilenstein in der Fusionsforschung. Durch den Einsatz negativer Triangularität testet der Reaktor ein neuartiges Design, das den Weg zu kleineren und effizienteren Fusionskraftwerken ebnen könnte. Die gewonnenen Daten aus den ersten Plasmatests werden mit Hochgeschwindigkeitskameras im sichtbaren Spektrum aufgezeichnet und analysiert, um die Stabilität und Leistungsfähigkeit des Plasmas zu bewerten.(Bild: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1741-4326/ad8a70)
Zap Energy ist ein in Everett, Washington, ansässiges Unternehmen, das an einer kostengünstigen und kompakten Fusionslösung arbeitet. Das Team um die Gründer Benj Conway, Brian A. Nelson und Uri Shumlak setzt auf die Sheared-Flow-Stabilized Z-Pinch-Technologie, die ohne supraleitende Magnete auskommt und eine wirtschaftlich tragfähige Fusion ermöglichen soll.(Bild: Zap Energy)
Der aktuelle Entwicklungsstand von Zap Energy sieht mit dem Century-Projekt die erste vollintegrierte Demonstration relevanter Fusionskraftwerk-Technologien vor. Während wichtige Meilensteine wie eine stabile Plasmaerzeugung und hohe Neutronenausbeuten erreicht wurden, stehen noch weitere Herausforderungen bevor, darunter die Skalierung der Technologie und die Entwicklung robuster Materialien für den Langzeitbetrieb.(Bild: Zap Energy)
Wie funktioniert die negative Triangularität im SMART-Tokamak, welche Vorteile bietet sie und wie beeinflusst sie die Stabilität des Plasmas?
Die Triangularität beschreibt, ob der Querschnitt des Plasmas eher einem normalen „D“ (positive Triangularität) oder einem umgekehrten „D“ (negative Triangularität) ähnelt. SMART setzt gezielt auf Letzteres:
Formgebung: Mithilfe der Poloidal- und Toroidalfeldspulen wird das Plasma so geformt, dass die Wölbung nach innen zum Reaktorkern zeigt.
Unterdrückung von Instabilitäten: Erste Studien deuten darauf hin, dass die umgekehrte D-Form weniger Turbulenzen aufweist, was den Energieverlust reduziert und die Partikelkonzentration im Plasma stabil hält.
Schonung der Reaktorwände: Wenn weniger Teilchen weggeschleudert werden, verringert sich der Verschleiß an den Wänden und damit die Wartungsintensität.
Bessere Wärmeverteilung: Negative Triangularität ermöglicht eine homogenere Abfuhr der Wärme, was für höhere Leistung und längere Pulsdauern essenziell ist.
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Beispiele für verschiedene Gleichgewichte, die bei SMART erreicht werden können.(Bild: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1741-4326/ad8a70)
Wie unterscheidet sich die SMART-Anlage von anderen Tokamaks und welche technischen Innovationen hat sie eingeführt?
Wie schon erwähnt, unterscheidet sich die SMART-Anlage wesentlich von herkömmlichen Tokamaks durch ihre kompakte kugelförmige Bauweise. Während klassische Tokamaks eine torusförmige, also donutförmige Struktur mit einem relativ großen Aspektverhältnis besitzen, setzt SMART auf ein äußerst kleines Aspektverhältnis und erreicht eine nahezu kugelförmige Geometrie mit Abmessungen von nur 1,6 × 1,6 Metern. Diese kompakte Bauweise ermöglicht eine effizientere Nutzung der Magnetfeldlinien und spart sowohl Platz als auch Kosten erheblich ein. Zum Vergleich: Der ITER-Tokamak hat einen Durchmesser von etwa 30 Metern, was SMART zu einer signifikanten Größenreduktion verhilft.
Ein weiteres herausragendes Merkmal von SMART ist die flexible Formgebung des Plasmas. Die Anlage ist speziell darauf ausgelegt, Plasmen in unterschiedlichsten Formen zu erzeugen, wobei die negative Triangularität – eine umgekehrte „D“-Form – ein zentrales Forschungsziel darstellt. Diese Fähigkeit zur flexiblen Plasmageometrie ist in anderen Projekten nur selten im Fokus und eröffnet neue Möglichkeiten für die Stabilisierung und Effizienzsteigerung der Fusionsreaktionen.
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Darüber hinaus verfügt SMART über eine hohe Diagnostik-Dichte, die durch umfangreiche Investitionen in moderne Messtechnik erreicht wurde. Hochgeschwindigkeitskameras sowie präzise Temperatur- und Dichtesensoren ermöglichen eine detaillierte und genaue Bewertung der neuartigen Plasmageometrien. Diese fortschrittlichen Diagnoseinstrumente sind essenziell, um das Verhalten des Plasmas in Echtzeit zu überwachen und wertvolle Daten für die Weiterentwicklung der Fusionsforschung zu sammeln.
Schließlich ist SMART integraler Bestandteil der Fusion2Grid-Strategie, einem umfassenden Programm, das die Grundlagen für kompakte Fusionskraftwerke legen soll. Im Rahmen dieser Strategie arbeitet SMART eng mit internationalen Partnern zusammen, um die an der Anlage gewonnenen Erkenntnisse direkt in die Entwicklung von Prototypen für zukünftige Fusionskraftwerke einfließen zu lassen. Diese enge Verzahnung mit globalen Forschungsinitiativen unterstreicht die bedeutende Rolle von SMART in der internationalen Fusionsforschung und trägt dazu bei, die Vision einer praktikablen und effizienten Fusionsenergie voranzutreiben.
Wie könnte die negative Triangularität die Zukunft der Fusionsenergie beeinflussen?
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Die negative Triangularität im SMART-Tokamak könnte einen maßgeblichen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Fusionsenergie haben. Einer der entscheidenden Vorteile liegt in der Möglichkeit, kompaktere Reaktoren zu bauen. Wenn ein kleinerer Tokamak durch negative Triangularität ähnlich stabile und leistungsstarke Plasmen erreichen kann wie konventionelle Großanlagen, würden die Baukosten deutlich sinken, die sonst im zweistelligen Milliardenbereich liegen. Dies macht die Realisierung von Fusionskraftwerken wirtschaftlicher und beschleunigt deren praktische Umsetzung.
Ein weiterer signifikanter Vorteil ist die weniger Wandbelastung. Durch die verbesserte Plasmastabilität und reduzierte Turbulenzen wird die Lebensdauer der Komponenten verlängert. Dies trägt nicht nur zur Wirtschaftlichkeit von Fusionskraftwerken bei, sondern erhöht auch deren Zuverlässigkeit. Längere Lebensdauern der Reaktorkomponenten bedeuten geringere Wartungskosten und weniger Ausfallzeiten, was die Gesamtbetriebskosten weiter senkt.
Darüber hinaus fördert die negative Triangularität eine mehrere Forschungsvielfalt. Neben etablierten Tokamak-Konzepten wie ASDEX Upgrade und ITER bereichert negative Triangularität die internationale Fusionslandschaft und eröffnet neue Perspektiven für das Kraftwerksdesign. Diese Vielfalt an Forschungsansätzen kann zu innovativen Lösungen führen, die bislang unberücksichtigt blieben, und so die Fortschritte in der Fusionsforschung beschleunigen.
Schließlich könnte SMART laut dem Team in Sevilla als attraktiver "Game Changer" fungieren. Die Kombination aus geringer Baugröße und hoher Energieeffizienz bietet ein zukunftsorientiertes Design für Fusionskraftwerke. Diese Eigenschaften machen SMART zu einem vielversprechenden Kandidaten, der die Entwicklung nachhaltiger und effizienter Fusionsenergie vorantreiben könnte. Wenn sich die positiven Effekte der negativen Triangularität weiter bestätigen, könnte SMART den Weg für eine neue Ära der Fusionsenergie ebnen, in der kompakte und leistungsstarke Reaktoren eine zentrale Rolle spielen.
Welche Herausforderungen musste das SMART-Team überwinden?
Um den neuen Reaktor in Gang zu bekommen, musste das Team gleich mehrere Probleme lösen:
Kombination bewährter und neuer Technologien: SMART vereint bestehende Komponenten zu einem völlig neuen Konzept. Das Team musste sowohl bauliche als auch magnetfeldbezogene Fragestellungen lösen.
Aufbau der hochflexiblen Spulenanordnung: Acht Poloidalfeldspulen und zwölf Toroidalfeldspulen müssen präzise zusammenwirken, um unterschiedliche Plasmaformen – insbesondere die negative Triangularität – zu erzeugen und zu stabilisieren.
Materialbelastung in kompakter Bauform: Beim geringeren Radius eines Spherical Tokamak treten zum Teil höhere lokale Belastungen an den Wänden auf. Entsprechend robust müssen die Wandmaterialien und Kühlsysteme ausgelegt werden.
Transferierbarkeit: Als kompaktes Experiment soll SMART Ergebnisse liefern, die auf größere Anlagen übertragen werden können. Die Reaktorgröße darf die Skalierbarkeit der Erkenntnisse nicht beeinträchtigen.
Formgebende Voraussetzung: Die Kammergeometrie muss so beschaffen sein, dass sie negative Triangularität überhaupt zulässt. SMARTs Kammer bietet entsprechend Spielraum für die komplexe Spulenanordnung.
Materialanforderungen: Hohe Hitze- und Teilchenflüsse erfordern widerstandsfähige Wandmaterialien mit passender Kühlung. Insbesondere bei neuartigen Plasmaformen weiß man nie genau, wo es zu Hotspots kommt.
Diagnostischer Zugang: Die Plasmakammer muss genügend Ports und Durchführungen für Kameras, Sonden und andere Messinstrumente aufweisen, um das Verhalten des negativ geformten Plasmas umfassend untersuchen zu können.
Ausblick
Der SMART-Tokamak in Sevilla geht mit seinem kompakten, kugelförmigen Design und der negativen Triangularität neue Wege in der Fusionsforschung. Mit einem Vakuumgefäß von nur 1,6 × 1,6 Metern ist SMART deutlich kleiner als viele herkömmliche Tokamaks, was nicht nur Platz spart, sondern auch die Bau- und Betriebskosten reduziert. Nach dem erfolgreichen Erzeugen des ersten Plasmas im Januar 2025 haben die Wissenschaftler den operativen Betrieb eingeläutet und stehen kurz vor detaillierten Experimenten zu Plasmen mit umgekehrtem „D“-Querschnitt. Die Aussicht, in einer kleineren Anlage ähnlich hohe Temperaturen und eine vergleichbare Stabilität wie in klassischen Tokamaks zu erreichen, könnte die Entwicklung kostengünstiger und langlebiger Fusionskraftwerke vorantreiben.
Der Autor: Dr. Martin Large
(Bild: Hüthig)
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.