Fachkräftemangel im MINT-Bereich

Im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) bleibt die Fachkräftelücke in der Elektrotechnik trotz konjunktureller Schwäche alarmierend hoch. Mehr zu den Gründen und möglichen Maßnahmen. (Bild: Stockwerk-Fotodesign @ AdobeStock)

Die Elektronikindustrie bleibt auch im Jahr 2025 ein Arbeitsmarkt mit paradoxen Signalen: Während sich die deutsche Wirtschaft insgesamt in einer konjunkturellen Delle befindet, reißt der Bedarf an qualifizierten Kräften in elektrotechnischen Berufen nicht ab. Ganz im Gegenteil: Die Lücke zwischen offenen Stellen und geeigneten Fachkräften ist zwar kleiner geworden, doch auf niedrigem Niveau weiterhin alarmierend groß. Was auf den ersten Blick wie eine gute Nachricht erscheint, ist bei genauerem Hinsehen Ausdruck eines strukturellen Ungleichgewichts – mit teils drastischen Folgen für Unternehmen, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.

Warum sinkt die MINT-Lücke – und warum ist das keine Entwarnung?

Der MINT‑Frühjahrsreport 2025 des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) beziffert die Arbeitskräftelücke im technisch‑naturwissenschaftlichen Bereich auf 163.600 Personen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rückgang um über 30 Prozent (2024: 244.400). Doch dieser Rückgang täuscht: Er ist vor allem auf das schwächere konjunkturelle Umfeld und zurückhaltendere Personalplanungen zurückzuführen; nicht auf ein gestiegenes Fachkräfteangebot. Während die Zahl der gemeldeten offenen Stellen 2025 gesunken ist, bleibt die Differenz zum qualifizierten Arbeitskräftepotenzial eklatant. Der Mismatch, also die Lücke zwischen dem, was Unternehmen brauchen, und dem, was Bewerber mitbringen,  besteht weiter.

Gerade im MINT‑Segment, das für die industrielle Leistungsfähigkeit Deutschlands essenziell ist, bleibt die Schere weit geöffnet. Besonders betroffen ist die Elektronikindustrie, sowohl im produzierenden Bereich als auch bei Planung, Instandhaltung und Entwicklung. Die Kluft zwischen Anforderung und Verfügbarkeit wird zum Dauerproblem und erfordert ein Umdenken in Bildung, Arbeitsmarktpolitik und Unternehmensstrategien.

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Welche MINT-Berufe sind 2025 besonders vom Fachkräftemangel betroffen?

Spitzenreiter im traurigen Wettbewerb der Engpassberufe sind erneut die Energie‑ und Elektroberufe. Im April 2025 blieben 57.800 Stellen in diesem Bereich unbesetzt. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor lag der Wert noch bei 77.900. Auch wenn der Rückgang auf dem Papier beachtlich ist, darf er nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Elektrotechnik nach wie vor mit Abstand den größten Teil der MINT‑Lücke ausmacht. Auf die Branche entfallen über ein Drittel der fehlenden Fachkräfte.

Diese Entwicklung ist kein Zufall: Die Transformation der Energiesysteme, die zunehmende Elektrifizierung industrieller Prozesse und die Integration intelligenter Steuerungen in Gebäude, Fahrzeuge und Produktionsanlagen sorgen für eine anhaltend hohe Nachfrage nach elektrotechnischer Expertise. Besonders brisant ist, dass nicht nur die großen Leuchtturmprojekte Personal benötigen, sondern vor allem der breite Mittelstand, der sich zunehmend schwer tut, Fachkräfte zu binden oder überhaupt zu finden.

Vergleich der größten MINT-Fachkräftelücken nach Berufsgruppen:

Berufsfeld April 2024 April 2025 Veränderung
Energie- und Elektroberufe 77.900 57.800 −20.100
Maschinen- und Fahrzeugtechnik 45.400 32.400 −13.000
Bauberufe 36.700 26.100 −10.600
Metallverarbeitung 30.900 24.200 −6.700
IT-Berufe 29.500 11.200 −18.300

 

Wo fehlen Fachkräfte in der Elektrotechnik besonders – und warum?

Die Fachkräftelücke zieht sich durch sämtliche Ebenen des Qualifikationsspektrums, ein Befund, der 2025 erneut bestätigt wird. Besonders stark betroffen ist die Facharbeiterebene mit 89.600 fehlenden Kräften. Im Jahr zuvor waren es sogar noch über 111.000. Akademische Berufe sind mit 56.600 unbesetzten Stellen weiterhin stark betroffen, auch wenn die Lücke im Vergleich zu 2024 (106.100) ebenfalls geschrumpft ist. Das Niveau bleibt dennoch hoch, zumal die Besetzung offener Stellen im Entwicklungsbereich oft zusätzliche Anforderungen wie branchenspezifisches Know‑how, Systems Engineering oder regulatorische Erfahrung voraussetzt.

Hinzu kommen 17.400 fehlende Spezialisten, Techniker und Meister. Eine Gruppe, die in vielen Betrieben zentrale Rollen bei Inbetriebnahme, Wartung und Qualitätssicherung einnimmt. Gerade diese mittlere Qualifikationsebene erweist sich als Nadelöhr: zu spezialisiert für Quereinsteiger, zu wenig sichtbar in der Ausbildungspolitik.

So entwickeln sich die Gehälter für Elektroniker

Die gute Nachricht für alle, die bereits in der Branche tätig sind oder einen Einstieg erwägen: Die Verdienstmöglichkeiten in der Elektrotechnik sind weiterhin überdurchschnittlich. Beruflich qualifizierte Fachkräfte kommen im Median auf 3.856 Euro brutto monatlich, akademische Beschäftigte erreichen 6.214 Euro mit Spitzenwerten bis an die 7.000‑Euro‑Marke bei Spezialisierung in Embedded Systems, Hochspannungstechnik oder sicherheitskritischen Anwendungen. Schon 2024 lagen diese Werte ähnlich hoch. Trotz wirtschaftlicher Eintrübung sind nennenswerte Einbußen glücklicherweise ausgeblieben.

Auch die Spreizung zwischen Altersgruppen ist vergleichsweise gering. Jüngere Fachkräfte starten solide, ältere mit Erfahrung verdienen im Schnitt rund 4.700 Euro monatlich. Die Kombination aus technischen Herausforderungen, hoher gesellschaftlicher Relevanz und stabiler Vergütung macht die Branche weiterhin (theoretisch) attraktiv.

Wie wirkt sich der demografische Wandel auf die Elektrotechnik aus?

Ein oft unterschätzter Treiber des Fachkräftemangels ist der demografische Ersatzbedarf. Jahr für Jahr verlassen mehr Menschen aus dem elektrotechnischen Bereich altersbedingt den Arbeitsmarkt, als neue nachrücken. Schon 2024 lag der Ersatzbedarf bei beruflich qualifizierten MINT‑Fachkräften bei rund 259.800 Personen jährlich. 2025 wird diese Zahl etwa 266.300 überschreiten. Bis 2029 wird sie auf rund 271.700 anwachsen. Das jährliche Neuangebot deckt laut IW nur etwa die Hälfte dieses Bedarfs.

Die Folge: Langjährig erfahrene Fachkräfte scheiden aus und hinterlassen nicht nur Vakanzen, sondern auch Lücken in der Prozesskompetenz, dem Projektwissen und dem Maschinenverständnis. Weiterbildung allein reicht hier nicht. Gefragt ist eine systematische Nachwuchsförderung und eine bessere Ausschöpfung still liegender Potenziale.

Was hilft gegen den Fachkräftemangel in der Elektrotechnik?

Drei Hebel könnten der Branche helfen, aus der Spirale herauszukommen: eine bessere Integration von Frauen, gezielte Zuwanderung und strukturierte Weiterbildung. Der Anteil weiblicher Beschäftigter liegt in der Elektrotechnik nach wie vor unter 12 %. Dabei wäre gerade hier viel zu gewinnen, sowohl quantitativ als auch qualitativ.

Zuwanderung hat sich bereits als stabilisierender Faktor erwiesen. Zwischen 2012 und 2024 stieg die Zahl ausländischer Fachkräfte in MINT‑Berufen um fast 118 %, bei akademischen Berufen sogar um mehr als 220 %. Doch Hürden wie Anerkennungsverfahren, Sprachbarrieren und langwierige Visaprozesse behindern das volle Potenzial.

Auch das Thema Weiterbildung verdient mehr Aufmerksamkeit, denn die technische Transformation lässt Berufsbilder schneller altern als früher. Wer heute Energieanlagenelektroniker ist, muss morgen vielleicht eine KI‑gestützte Wartungssoftware bedienen oder ein Power‑Quality‑Monitoring‑System kalibrieren. Die Bereitschaft zum Lernen ist vorhanden, doch oft fehlen modulare, praxistaugliche Angebote.

Arbeitsbedingungen: Sicher, solide, systemrelevant

Hinzu kommt: Die Arbeitsverhältnisse in der Elektrotechnik sind überdurchschnittlich stabil. Über 88 % der Beschäftigten sind unbefristet angestellt. Die Vollzeitquote liegt bei Fachkräften über 88 %, bei Akademikern sogar bei über 95 %. Besonders die Metall‑ und Elektroindustrie sticht hervor: Hier liegt der Anteil der MINT‑Beschäftigten bei fast 60 % – deutlich höher als in anderen Wirtschaftszweigen. Wer sich hier qualifiziert, arbeitet mit hoher Wahrscheinlichkeit langfristig und auf hohem Niveau. Also gibt es eigentlich mehr als genug gute Gründe, die Branche für die eigene Zukunft in Betracht zu ziehen. Aber wenn Sie diese Zeilen lesen, sind Sie wahrscheinlich schon soweit. Also: erzählen Sie es weiter!

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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