Silicon Saxony ist Europas größter Mikroelektronik- und IT-Cluster, der in Sachsen – insbesondere rund um Dresden – angesiedelt ist. Das Netzwerk verbindet Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen in Bereichen wie Halbleiterfertigung, Softwareentwicklung und intelligente Systeme und gilt als bedeutender Innovationsmotor für die europäische Hightech-Industrie.Nach dem Check des Chips-Acts durch den Europäischen Rechnungshof fordert der Verband mehr Tempo, Investitionen und bessere Rahmenbedingungen für Europas Chipindustrie – nicht zum ersten Mal.
Air Liquide hat seine bislang größte europäische Investition angekündigt: Im Dresdner Cluster Silicon Saxony entstehen für 250 Millionen Euro bis 2027 neue Produktionsanlagen für Industriegase, die Europas Halbleiterindustrie regional versorgen sollen.
Die geplanten Anlagen produzieren Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Helium, Argon und CO₂. Diese Gase werden in der Halbleiterfertigung täglich in großen Mengen und hoher Reinheit benötigt. Dank der direkten Anbindung an Werke von TSMC, Infineon, Bosch und weiteren Kunden im Silicon Saxony kann Air Liquide sie künftig Just-in-Time bereitstellen. Das reduziert Transportwege und Emissionen und verbessert gleichzeitig die Versorgungssicherheit.
Für die hochpräzise Halbleiterproduktion ist Zuverlässigkeit entscheidend. Ein Lieferengpass bei Prozessgasen kann Produktionslinien lahmlegen und erhebliche wirtschaftliche Schäden verursachen. Die neuen Anlagen sollen dieses Risiko deutlich senken.
Was bedeutet die Investition von Air Liquide das für das Silicon Saxony?
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Das Projekt fügt sich ein in eine ganze Reihe von Investitionen in das sächsische Mikroelektronik-Ökosystem. Neben milliardenschweren Fabs von TSMC (ESMC) und Infineon entstehen entlang der Wertschöpfungskette neue Standorte für Material- und Infrastrukturzulieferer. Frank Bösenberg, Geschäftsführer von Silicon Saxony, weist in einem aktuellen LinkedIn-Beitrag darauf hin, dass gerade diese weniger sichtbaren Upstream-Investitionen essenziell für das Funktionieren des gesamten Clusters sind.
Air Liquide spielt dabei eine besondere Rolle. Nicht nur wegen der Investitionssumme, sondern auch weil die lokale Produktion hochreiner Gase ein elementarer Baustein der Chipfertigung ist. Dass sich das Unternehmen klar zum Standort bekennt, ist ein positives Signal für die Zukunft des Clusters.
Wie trägt das Projekt zur europäischen Resilienz bei?
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Die Investition ist auch industriepolitisch relevant. Sie trägt zur Resilienz europäischer Lieferketten bei, einem erklärten Ziel der EU im Rahmen des nicht ganz unumstrittenen Chips Act. Wer Halbleiter lokal fertigen will, braucht auch die passende Infrastruktur vom Rohmaterial bis zur Gasversorgung. Projekte wie dieses sichern nicht nur Produktionskapazitäten, sondern stärken auch Forschung, Mittelstand und Ausbildung im Umfeld der Großfabriken.
Dass Air Liquide zu den Gründungsmitgliedern des Vereins Silicon Saxony gehört und auch kleinere Unternehmen sowie Forschungseinrichtungen beliefert, zeigt den breiten Ansatz des Vorhabens.
Wozu werden hochreine Gase in der Halbleiterfertigung gebraucht – und wie werden sie erzeugt?
Hochreine Prozessgase sind das Rückgrat jeder modernen Halbleiterproduktion. Sie übernehmen zentrale Rollen in nahezu allen Fertigungsschritten – von der Oberflächenbehandlung über die Dotierung bis zur Reinigung. Ohne sie läuft in der Chipfabrik buchstäblich nichts.
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Ein Großteil dieser Gase wird aus Umgebungsluft gewonnen – insbesondere Stickstoff, Sauerstoff und Argon. In sogenannten Coldboxen, dem technischen Herzstück moderner Luftzerlegungsanlagen, wird die Luft auf rund minus 196°C abgekühlt. Bei diesen Temperaturen verflüssigt sich die Luft, sodass ihre Bestandteile physikalisch getrennt werden können. Das Resultat ist eine hochreine Gasfraktion, die anschließend weiterverarbeitet und verteilt wird.
Reinheit ist Pflicht: Schon kleinste Verunreinigungen können die Funktion ganzer Chip-Chargen gefährden. Deshalb liegt der Reinheitsgrad der eingesetzten Gase oft bei 99,9999 Prozent oder sogar noch höher.
Der Autor: Dr. Martin Large
(Bild: Hüthig)
Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.