1-Euro Münze steht auf einer Leiterplatte

An jeder Elektronik steht ein Preis, durch die Entwicklungen der letzten Jahre mit Corona und dem Trend zur Nachhaltigkeit, hat sich das Pricing verändert. (Bild: Schlierner – Adobe Stock)

Was sind die die aktuellen Herausforderungen und Chancen im Pricing der Elektronikbranche? Welche Bedeutung haben Nachhaltigkeit, Umweltstandards und digitale Technologie für die Preisgestaltung und Vertriebsstrategien? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt Michael Fechner, Partner bei der Unternehmensberatung Prof. Roll & Pastuch, im exklusiven Interview.

Herr Fechner, wie beeinflusst das Thema Nachhaltigkeit das Pricing in der Elektronikindustrie: Sind Ihrer Erfahrung nach Menschen dazu bereit, mehr für „nachhaltige“ Produkte auszugeben – auch auf Unternehmensebene?

Nachdem in den letzten Jahren insbesondere im B2C-Bereich ein starker Nachhaltigkeitstrend entstanden ist, lässt sich die Entwicklung auch (teilweise) im B2B nachverfolgen.  Ob und wie weit Unternehmen bereit sind, für Nachhaltigkeit höhere Preise zu zahlen, ist sehr stark von der jeweiligen Situation und den konkreten Mehrwerten für den Käufer abhängig.

Aus unserer Erfahrung muss die Nachhaltigkeit konkret und quantifizierbar mit Mehrwerten für den Kunden verbunden sein oder das Erreichen von für den (End-)kunden relevanten Normen zum Beispiel Environmental, Social und Governance, kurz ESG, unterstützen, um (potenziell) zu einer erhöhten Zahlungsbereitschaft zu führen. Beispielsweise kann es sein, dass für den Kunden die Einhaltung bestimmter Normen oder die Reduktion von Emissionen im Rahmen des ESG-Reportings wichtig sind. Vor diesem Hintergrund haben Einkaufsentscheidungen, welche dazu führen, dass ESG-Ziele erreicht werden, etwa die Reduktion von CO2, eine Relevanz in der Diskussion. Hier muss untersucht werden, ob der Kunde eine tatsächliche Zahlungsbereitschaft hat – im Verhältnis zu einer weniger nachhaltigen Alternative.

Noch viel eher sind Hersteller geneigt, für eigene (quantifizierbare) Vorteile mehr zu zahlen. Führt die Einkaufsentscheidung zum Beispiel zu einer nachvollziehbaren Energieersparnis für das Unternehmen oder kann der Mehrwert tatsächlich durch den Endkunden umgesetzt werden, ist dies sicherlich eine konkrete Indikation für eine höhere Zahlungsbereitschaft.

Inwiefern können digitale Technologien und Big Data Elektronikunternehmen dabei unterstützen, ihre Vertriebsstrategien zu optimieren und personalisierte Angebote zu erstellen, die den Bedürfnissen der Kunden besser entsprechen?

Big-Data und KI bieten dem Vertrieb an unterschiedlichen Stellen substanzielle Unterstützung. Dies ist besonders in Bereichen mit einer hohen Anzahl an Transaktionen spannend. Bei der Angebotserstellung liefern entsprechende Systeme den Vertriebsteams gezielte Vorschläge für die Konfiguration von Produkten beziehungsweise die Zusammenstellung von Bestellungen. Dafür werden die Parameter von alten Bestellungen ähnlicher Kunden mit den gegenwärtigen Zielkunden verglichen. So können dem Kunden maßgeschneidert konfigurierte Produkte sowie relevante Zusatzprodukte vorgeschlagen werden.

Mit Blick auf die Bindung existierender Kunden lässt sich mit einem intelligenten Churn-Management (Anm. d. Red.: Kundenabwanderung verhindern) datenbasiert abschätzen, wie hoch das Abwanderungsrisiko eines Kunden ist. So können frühzeitig zielgerichtete Haltemaßnahmen initiiert werden. Dazu zählt beispielsweise eine engere Betreuung durch den Vertrieb oder besondere Konditionen.

Auch beim Pricing kann Big Data einen deutlichen Mehrwert leisten. Gerade die Differenzierung von Preisen zwischen unterschiedlichen Kunden ist alles andere als trivial. Viele Unternehmen begrenzen zwar den Rabattspielraum von Vertriebsmitarbeitern, aber geben keine Guidance bei der Bepreisung. Mittels Peer Pricing können Tools dem Vertrieb sehr präzise Vorschläge bei einer Preisentscheidung geben. Hierfür werden Preisentscheidungen in ähnlichen Kunden- und Produktsituationen verglichen. Diese sehr konkrete Guidance unterstützt dann das Team dabei, bessere Preise durchzusetzen.

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Nachhaltigkeit muss konkret und quantifizierbar mit Mehrwerten für den Kunden verbunden sein.

Michael Fechner, Partner bei Prof. Roll & Pastuch

Über den Interviewpartner

Michael Fechner
(Bild: Prof. Roll & Pastuch)

Michael Fechner ist Partner bei Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants und leitet das Berliner Büro. Seit achtzehn Jahren ist er als Berater für internationale Großkonzerne und mittelständische Unternehmen tätig. Sein Schwerpunkt liegt auf den Bereichen Preismanagement, Vertrieb und Strategie. Branchenseitig hat er sich besonders auf die Elektronik-Industrie spezialisiert.

Welche spezifischen Herausforderungen und Chancen ergeben sich aus der Integration neuer digitaler Produkte in das bestehende Produktportfolio von Elektronik- und Elektrotechnikunternehmen und wie können diese effektiv bepreist werden?

Viele europäische Hersteller versuchen mit Hilfe von innovativen, digitalen Produkten und Services ihr Preispremium im harten Markt zu verteidigen. Dies ist essenziell, da die Produktqualität von früheren Kostenführern stetig besser und die Hardware immer vergleichbarer wird. Die Kommerzialisierung und der Vertrieb digitaler Produkte stellen jedoch klassische Hersteller vor bedeutende Herausforderungen. Während viele Hardware-Unternehmen weiterhin eine Cost-Plus-Perspektive verfolgen, erfordert die Preisgestaltung digitaler Produkte eine klare Berücksichtigung des Mehrwerts für den Kunden. Kunden interessieren sich nicht dafür, welche Forschungs- und Entwicklungskosten ein Hersteller hatte, wenn die Software für sie keinen erkennbaren Mehrwert bietet.

Insbesondere im Bereich der digitalen Produkte sind verschiedene Preismodelle zu differenzieren. Ein deutlicher Trend geht dabei in Richtung Abonnement- sowie wiederkehrende Umsatzmodelle – im Gegensatz zu den früher üblichen Lizenzen mit Wartungsgebühren. Aufgrund der verschiedenen Optionen muss für jedes Produkt sorgfältig geprüft werden, welches Preismodell vom Kunden tatsächlich akzeptiert wird. Insbesondere bei Abonnements erwarten Kunden eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Produkts sowie hochwertige Serviceleistungen – beispielsweise eine dauerhaft erreichbare Hotline. Ein statisches (on-premise) Produkt ohne Serviceangebote ist schwer als Abonnement durchsetzbar. Bei innovativen Produkten ist eine detaillierte Analyse des Mehrwerts im Vergleich zu den Alternativen des Kunden erforderlich, um einen optimalen Preis festzulegen. Dabei sollten Mehr- und Minderwerte konkret quantifiziert werden. Zum Beispiel lässt sich Zeit- und Personalaufwand einsparen, wenn ein Produkt drahtlos installiert oder schneller konfiguriert werden kann. Auf dieser Basis kann ein Mehrwert und entsprechender Preis für den Kunden ermittelt werden. Expertenschätzungen durch den Vertrieb oder Kundenstudien sind ebenfalls wichtig, um die Marktperspektive angemessen abzubilden.

Um unterschiedliche Kundenszenarien preislich zu berücksichtigen, bietet sich der Einsatz von Metriken an, die mit dem Kundenmehrwert korrelieren. Verbessert eine Software beispielsweise die Effizienz von Produktionsanlagen, sind Faktoren wie die Anzahl der Maschinen oder die Produktionsausbeute interessante Metriken für die Preisgestaltung. Kunden mit einem kleineren Maschinenpark und niedrigerer Ausbeute sollten weniger zahlen als Kunden mit einem größeren Maschinenpark und höherer Ausbeute, da ihr Mehrwert durch die Lösung geringer ist.

Eine große Herausforderung besteht darin, einen effektiven Vertriebsansatz für digitale Lösungen zu entwickeln. Es ist entscheidend, den Anwendungsfall des Kunden zu verstehen, um den Mehrwert der Lösung konkret zu vermitteln und einen angemessenen Preis durchsetzen zu können.

Wie hat der Online-Handel die Preisstrategien von Elektronik-Unternehmen verändert?

Der Online-Kanal hat sich im Consumer-Segment je nach Segment rapide als Kern-Vertriebskanal etabliert, und auch im B2B-Segment hat die Digitalisierung, verstärkt durch die Corona-Krise, die Online-Aktivitäten signifikant angetrieben. Für B2B birgt der Online-Handel enormes Potenzial, jedoch lässt die resultierende (globale) Preistransparenz wenig Spielraum für Fehler und verlangt nach einem globalen, systematischen und hochstrukturierten Pricing-Ansatz.

Für B2B-Unternehmen, die über mehrere Vertriebskanäle operieren, wie z.B. Online-Handel und eigene Shops, ist eine proaktive Steuerung dieser Kanäle essenziell. Ohne eine koordinierte Strategie kann der Versuch, jeden Kanal individuell zu optimieren, zu ungewünschten Ergebnissen führen. Das Management muss daher für jeden Vertriebskanal dezidierte Ziele definieren, sowie eine konkrete Preisstrategie festlegen. Solch eine Multi-Channel-Strategie ist notwendig, um Synergien zu schaffen und unnötige Konflikte zu vermeiden.

B2B-Unternehmen müssen vor dem Launch eigener Online-Shops ihre strategischen Ziele für die Shops klar formulieren, insbesondere im Vergleich zu anderen Vertriebskanälen. Es ist zudem entscheidend, zu evaluieren, welche Produkte aus dem Portfolio angeboten werden sollen. Zudem ist eine Analyse preislicher Inkonsistenzen, etwa zwischen Ländern, unerlässlich, um zu gewährleisten, dass sich der Shop optimal in die Preislandschaft einfügt.

Welchen Einfluss haben die Inflation, begrenzte Budgets und makroökonomische Faktoren auf die Preisbildung und wie sollten Unternehmen in diesem Zusammenhang mit den aktuellen Lieferengpässen umgehen?

Vor Ausbruch der Corona-Pandemie, den einhergehenden Lieferkettenproblemen und den steigenden Energiepreisen, führten viele Hersteller Preisanpassungen nur sporadisch und oft undifferenziert durch. Die anschließenden erheblichen Schwankungen in den Kostenstrukturen zwangen die Hersteller jedoch, agile Preisanpassungsprozesse zu etablieren, um ihr Pricing zeitnah und flexibel anzupassen.

Die starke Fluktuation von Inflationsraten, Budgets und weiteren Faktoren sollte immer als mögliche Auslöser für Preisanpassungen betrachtet werden, wobei stets sorgfältig analysiert werden muss, ob sofortige Anpassungen erforderlich sind oder ob abgewartet werden kann bis zur periodischen Preisanpassung, zum Beispiel zum Jahresanfang. Bei der Festlegung der Ziele für Preisanpassungen sind nicht nur makroökonomische Faktoren von Bedeutung, sondern vor allem branchenspezifische Indikatoren, Marktpreisentwicklungen und die Entwicklung der Kostenstruktur.

Besonders während Lieferengpässen, als Unternehmen teilweise gezwungen waren, einzelne Komponenten zu deutlich höheren Preisen von Händlern zu beziehen, wurde die differenzierte Preisanpassung essenziell. In solchen Situationen ist es entscheidend, Preiserhöhungen gezielt auf die Produkte anzuwenden, die von den spezifischen Kostensteigerungen betroffen sind, um eine faire und nachvollziehbare Preisgestaltung zu gewährleisten.

Wie geht die Elektronikbranche mit Preissteigerungen um?

Viele Unternehmen haben vor der Covid-19-Krise nur unregelmäßig und recht pauschal ihre Preise angepasst. Die dramatischen Preiserhöhungen haben viele Hersteller zu einem Umdenken gezwungen. Die kurzfristigen Kostensteigerungen, entstanden durch steigende Energiepreise oder den Einkauf bei Brokern, mussten weitergegeben werden, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern.

Mittlerweile haben viele Hersteller einen detaillierten Preisanpassungsprozess entwickelt, der spezifische Auslöser für die Überprüfung von Anpassungen beinhaltet. Eine kontinuierliche Sammlung von Marktinformationen sichert die notwendige Datenbasis, um flexibel auf Marktturbulenzen reagieren zu können. Hersteller haben zudem gelernt, Preisanpassungen gezielter vorzunehmen, indem sie nach Produktgruppen und -segmenten differenzieren. Dies minimiert das Risiko, Teile des Portfolios durch pauschale Anpassungen ungewollt zu verteuern oder zu verbilligen, was die gesamte Preisstruktur gefährden könnte. Bei signifikanten Preisanpassungen empfehlen wir, die Auswirkungen durch Simulationen zu prüfen. Häufig konzentriert sich der Vertrieb nur auf den potenziellen Umsatzanstieg, ohne den tatsächlichen Gewinn-Effekt zu diskutieren. Effektiver ist es, den Absatzeffekt bei verschiedenen Preispunkten zu analysieren und den Gewinneffekt pro Preispunkt zu kalkulieren.

Ein weiterer wichtiger Optimierungshebel ist die Vorbereitung des Vertriebs auf wichtige (Preis)verhandlungen. Dies beinhaltet zum Beispiel die Analyse der Verhandlungsmacht – wie wichtig ist der Kunde und welche Alternativen hat er – sowie die Definition klarer Verhandlungsziele. Vom Einstiegsangebot bis zum absoluten Minimum, an dem die Verhandlungen abgebrochen werden. Auch das Management sollte klare Erwartungen an den Vertrieb stellen, besonders bei signifikanten Preisanpassungen, die zum Verlust einiger Kunden führen können.

Weshalb sind die Kosten der Lieferanten durch die Corona-Folgen und den Ukraine-Krieg exorbitant gestiegen?

Die Covid-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben global für Hersteller dramatische Auswirkungen gehabt, die sich nicht nur in steigenden Kosten, sondern auch in der Verfügbarkeit kritischer Komponenten zeigten. Insbesondere die Elektronikbranche erlebte durch den Zusammenbruch von Lieferketten und Produktionsstillstände erhebliche Lieferengpässe.

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Die kurzfristigen Kostensteigerungen mussten weitergegeben werden, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern.

Michael Fechner, Partner bei Prof. Roll & Pastuch

Teile waren entweder nicht verfügbar oder nur zu massiv erhöhten Preisen über Zwischenhändler zu beschaffen. Ebenso sahen sich energieintensive Industrien mit erheblichen Preissteigerungen für Strom und Gas und mit einer unklaren Perspektive bzgl. Mangellagen konfrontiert.

Um die gestiegenen Kosten zu kompensieren, waren viele Hersteller gezwungen, ihre Preise (teilweise mehrfach) außerordentlich zu erhöhen. Eine Maßnahme, auf die wenige Unternehmen prozessual oder organisatorisch vorbereitet waren. Die Situation wurde zusätzlich dadurch verschärft, dass bei hohem Auftragseingang die Preise für langfristige Aufträge oft schon festgelegt waren. Viele Unternehmen hatten keine vertraglichen Absicherungen, wie zum Beispiel Preisgleitklauseln, implementiert, um den drastischen Anstieg der Kosten abzufangen.

Seit Mitte bis Ende 2023 ist ein Rückgang der Erzeugerpreise zu verzeichnen, der hauptsächlich mit der Erholung der Energiekosten zusammenhängt. Dennoch führen die umfangreichen strukturellen Anpassungen, die Lieferanten zur Absicherung gegen zukünftige Turbulenzen durchführen, zu dauerhaft höheren Kostenszenarien.

Schritte wie die Erweiterung der Lagerbestände zur Absicherung, die Diversifizierung des Lieferantenportfolios und ähnliche strategische Aktivitäten werden auch mittelfristig die Kostenstruktur der Hersteller maßgeblich beeinflussen.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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