
Die Elektromobilität erreicht die nächste Reifestufe – mit Fortschritten bei Zellchemie, 800V-Technologie, Thermalmanagement und Batterie-Recycling. Neue Standards und Kreislaufwirtschaft rücken zunehmend in den Fokus der Industrie. Doch das ist nicht alles. (Bild: Ideogram)
Die Elektromobilität erreicht eine neue Reifegradstufe, getragen von fundamentalen Fortschritten in der Batterietechnologie und der zunehmenden Bedeutung einer durchdachten Kreislaufwirtschaft. Angesichts der bevorstehenden Automotive Battery am 9. und 10. Juli in München gewähren zentrale Akteure und Experten einen Blick auf den aktuellen Stand am Standort Deutschland.
Zellchemie und Ladeleistung: BMWs Gen6 bringt Elektromobilität voran
Ein herausragendes Beispiel für den aktuellen technologischen Fortschritt liefert die BMW Group mit der sechsten Generation ihrer eDrive Technologie (GEN6). Diese markiert laut Dr. Juliane Kluge, Leiterin der Zellchemie und -methoden im Batterie-Zellkompetenzzentrum (BCCC) der BMW Group, einen "technologischen Weitsprung". Die ab 2025 startende Großserienfertigung der zylindrischen BMW Gen6-Zellen ermöglicht nach ihren Angaben eine „bis zu 30 Prozent höhere Ladegeschwindigkeit und rund 30 Prozent mehr Reichweite“. Modellspezifisch seien sogar noch größere Zuwächse möglich.
Batteriekreislaufwirtschaft auf einen Blick
Was ist Kreislaufwirtschaft bei Batterien – und warum ist sie essenziell?
Statt fossiler Einweg-Ressourcen setzt Elektromobilität auf das Management wertvoller technischer Materialien. Recycling, Second-Life-Strategien und der digitale Batteriepass reduzieren den ökologischen Fußabdruck und sichern Rohstoffverfügbarkeit.
Welche Herausforderungen bestehen beim Recycling von Hochvoltbatterien?
Uneinheitliche Zell- und Packarchitekturen verursachen hohe manuelle Demontagekosten. Automatisierung, standardisierte Schnittstellen und Design-for-Disassembly sind zentrale Hebel für mehr Effizienz.
Wie funktioniert das moderne Batteriethermomanagement?
Multifunktionale Kühlstrukturen aus Aluminium oder GFK sorgen für sichere Zelltemperierung und strukturelle Stabilität. Sie kombinieren geringes Gewicht mit hoher Leistung und ermöglichen kompakte Pack-to-Chassis-Designs.
Was ist das Besondere an BMWs Gen6-Batterietechnologie?
Die sechste eDrive-Generation nutzt Rundzellen, 800V-Architektur und Cell-to-Pack-Integration. Sie bringt mehr Reichweite, kürzere Ladezeiten und eine deutliche Kostenreduktion – bei gleichzeitig höherer Nachhaltigkeit und Skalierbarkeit.
Wie bereitet sich Europa auf die Recycling-Zukunft vor?
Kurzfristig stammen Batterierückläufer vor allem aus der Produktion, ab 2030 nehmen End-of-Life-Mengen stark zu. Investitionen in hydrometallurgische Großanlagen, digitale Zwillinge und Second-Life-Märkte gelten als strategisch notwendig.
Pack-to-open-Body und 800-Volt-Technik: Fahrzeugintegration neu gedacht

Ein Schlüsselelement dieser Technologie sind die neuen Rundzellen, die eine 20 Prozent höhere Energiedichte im Vergleich zu den prismatischen Batteriezellen der Vorgängergeneration (Gen5) aufweisen. Die Integration erfolgt über ein Cell-to-Pack-Verfahren, bei dem die Rundzellen direkt in die Hochvoltbatterie integriert werden.
Die Gen6-Hochvoltbatterien zeichnen sich zudem durch ein flacheres Design aus, das eine flexible Integration in verschiedene Fahrzeugmodelle erlaubt. Eine signifikante strukturelle Neuerung ist, dass die Hochvoltbatterie in den Karosserien der Neuen Klasse die Rolle eines Strukturbauteils übernimmt – ein Konzept, das als Pack-to-open-Body bezeichnet wird.
Ladeeffizienz und Steuerung: 800V-Technologie und BMW Energy Master
Ein weiteres Highlight ist die Einführung der neuen 800-Volt-Technologie ab diesem Jahr in der Neuen Klasse, die künftig das vollelektrische Produktportfolio der BMW Group antreiben wird. Diese Architektur ermöglicht zudem das bidirektionale Laden.
Die Steuerung all dieser komplexen Funktionen und Energiesysteme läuft im BMW Energy Master zusammen – das inhouse bei der BMW Group entwickelte Hard- und Softwaresystem sitzt auf der Hochvoltbatterie und fungiert als zentrale Schnittstelle für die Hoch- und Niedervolt-Stromversorgung sowie für die Daten der Batterie. Der Energy Master steuert zudem die Stromzufuhr der E-Maschine und des Bordnetzes und soll einen sicheren und intelligenten Betrieb der Hochvoltbatterie gewährleisten.
Parallel zur technologischen Entwicklung adressiert BMW auch die Kosten. Durch umfassendes Inhouse-Know-how konnte das Team aus Entwicklung, Produktion und Einkauf die Kosten für den Gen6 Hochvoltspeicher signifikant senken, erwartet wird eine Reduktion um 40 bis 50 Prozent im Vergleich zum aktuellen Gen5 Hochvoltspeicher bei vergleichbarer E-Reichweite.
Die globale Produktionsstrategie local for local sieht die Montage der Gen6-Hochvoltbatterien in fünf nahegelegenen Produktionsstätten vor (Niederbayern, Ungarn, China, Mexiko und USA), um eine stabile Produktion sicherzustellen. BMW hat hierfür Aufträge im zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich an Zellhersteller vergeben. Dabei wird der gesamte Fremdstrombedarf weltweit aus erneuerbaren Quellen bezogen, und die Nutzung von Grünstrom wurde auch vertraglich mit vielen Zulieferern vereinbart.
The Automotive Battery Congress

Die Elektromobilität wird in den nächsten Jahren einer der Haupttreiber in der Automobilindustrie sein. Dabei spielt die Batterie eine der wichtigsten Rollen bei der weltweiten Verbreitung von Elektrofahrzeugen, wobei die entscheidenden Faktoren die Reichweite der Batterie, die Lademöglichkeiten und die Finanzierung der Produktionskosten sind. Alle diese Themen vereint die nächste Ausgabe der „The Automotive Battery“ vom 9. Juli bis 10. Juli 2025 in München. Mit dem Code "82510111-AE15" sparen Sie 15% auf den regulären Preis.
Weitere Infos zum Automotive Battery Congress finden Sie hier.

Innovation im Batteriedesign: Strukturkühlung von ivilion als Schlüsseltechnologie
Neben der Zellchemie und Pack-Integration spielen das Batteriethermalmanagement und die Batteriepackstruktur eine entscheidende Rolle für Leistung, Sicherheit und Lebensdauer. Maximilian Schirp, CTO & Mitgründer von ivilion, erläutert den Fokus seines Unternehmens auf diese Bereiche: ivilion entwickelt multifunktionale Kühlstrukturen, die die Zellen temperieren, und darüber hinaus mechanisch lasttragend sind. Dabei nutzt ivilion Standardlösungen für das Batteriemanagementsystem (BMS) und konzentriert sich bei Themen wie Thermal Runaway auf die Untersuchung der Eigenschaften ihrer Strukturen als Thermal Barrier.

Materialien und Kühlung: Aluminium, GFK und Wasser-Glykol im Vergleich
Die Kühlstrukturen können sowohl aus glasfaserverstärktem Kunststoff als auch aus Aluminium gefertigt werden, wobei Aluminium ein elektrisch isolierendes Cell Wrapping benötigt. In beiden Fällen wird eine indirekte Kühlung mit Wasser/Glykol als Kühlfluid genutzt. Wasser/Glykol weist im Vergleich zu dielektrischen Fluiden bessere Eigenschaften in Bezug auf Wärmeleitfähigkeit, Wärmekapazität und Viskosität auf, wobei laut Schirp ein dielektrisches Fluid bei besonderen Sicherheitsanforderungen (z.B. zur Vermeidung von Kurzschluss bei Undichtigkeit) genutzt werden könnte.
Durch die Funktionsintegration von Struktur und Thermalmanagement ist dieses Konzept laut Modellrechnungen kostengünstiger als bestehende Lösungen. In Gewicht und Kühlleistung (Wärmewiderstand) sei man mindestens gleichauf mit Immersionskühlungslösungen. „Die Lösung eigne sich besonders gut für einen Pack-to-Chassis-Ansatz“, unterstreicht Maximilian Schirp. „Das bringt zusätzliche Gewichtsvorteile; einen Kipppunkt bei Kosten/Gewicht gibt es nicht.“ Als einen Nachteil identifizierte ivilion jedoch den höheren Druckverlust bei gleichem Massestrom im Vergleich zur Immersionskühlung.
E-Mobility: Batterie und Sicherheit

Wie entstehen bessere E-Auto-Batterien und sind sie sicher? Bewährte und neue Batterietechnologien von Entwicklung bis Recycling, Brandschutz von Simulation über Materialien bis Batteriemanagement und Safety-Konzepten, sowie Testverfahren von EMV bis Sicherheit. Die Technologien dahinter finden Sie hier.

Kreislaufwirtschaft in der Batterieindustrie: Recycling, Re-Use und Batteriepass
Die Transformation zur Elektromobilität führt gleichermaßen zu mehr Kreislaufwirtschaft. Wie Tilmann Vahle, Leiter Beratungsgeschäft Chemie und Industrie, Quantis Germany, erläutert, da das – stets einmalige – Verbrennen fossiler Kraftstoffe durch das Management technischer Materialien ersetzt wird: Ein typischer Benzin-PKW verbrennt über 200.000 km etwa 12.000 Liter Kraftstoff - das entspricht rund 28 Tonnen CO₂-Emissionen. Ein Elektroauto hingegen nutzt Strom, der im Antrieb etwa dreimal effizienter umgesetzt wird – und in Ländern wie Deutschland stammt dieser bereits zu über 50 Prozent aus erneuerbaren Quellen (Stand 2023). Schon heute sind Elektroautos daher in jedem Fall umweltfreundlicher; je nach Strommix sogar bis zu 80 Prozent.
Gleichzeitig steigt der Fußabdruck der genutzten Materialien, insbesondere durch die ca. 50 Kilogramm Batteriematerialien pro Elektrofahrzeug. Die hochqualitative Schließung von Materialkreisläufen erhält somit eine deutlich größere Relevanz, sowohl aus wirtschaftlicher Sicht als auch zum Wohle des Erhalts eines menschenfreundlichen Klimas.
Dies ist nicht nur ein strategisches Ziel der BMW Group, die einen Closed-Loop-Ansatz für Kobalt, Nickel und Lithium verfolgt und diesen in China, Europa (Partner SK tes) und bis 2026 auch in Nordamerika etablieren will, sondern auch eine regulatorische Notwendigkeit, getrieben durch die EU-Batterieverordnung (2024) und die erwartete ELV-Revision (ab 2025).

Skalierbare Recyclingprozesse: Geschäftsmodelle, Start-ups und Second Life
Für das Recycling werden gebrauchte Batterien mechanisch zerkleinert, und die wertvollen Materialien per Hydrometallurgie zurückgewonnen. Dr. Matthias Ballweg, Mitgründer von Circular Republic, ein Teil von UnternehmerTUM, betont die Bedeutung skalierbarer Geschäftsmodelle in diesem Bereich. Er nennt das Re-Use von Teilen, das bereits profitabel demonstriert wird (z.B. "The Future Is Neutral" in Frankreich), und das hydrometallurgische Recycling von Batteriematerial (z.B. Start-ups Cylib und Tozero).
Ein besonderer Fokus liegt auf dem automatisierten Zerlegen von Fahrzeugen. Derzeit erfolgt die Zerlegung für Recycling und Wiederverwendung größtenteils manuell, was die Wertschöpfung begrenzt. Nach Einschätzung von Ballweg liege ein enormes Potenzial für Deutschland, eine weltweite Führungsrolle zu übernehmen.
Ein zentrales Instrument für die Kreislaufwirtschaft ist der digitale Batteriepass, der laut EU-Batterieverordnung ab Februar 2027 verpflichtend wird. Experten wie Tilmann Vahle, der die Arbeit des LCA-Spezialisten Quantis Deutschland im Bereich Chemikalien und Industriesektor leitet, und Dr. Matthias Ballweg unterstreichen die Wichtigkeit, dessen Datensätze (u. A. Zellchemie, Modultopologie, Sicherheits-Disconnects) so zu strukturieren, dass Recycler heterogene Pack-Architekturen automatisiert erkennen und zerlegen können.
Für geschlossene Kreisläufe sind insbesondere drei Aspekte entscheidend:
- Eine saubere und validierte Berechnung des CO2-Fußabdrucks, die Produzenten ermöglicht, den CO2-Vorteil der Nutzung von Gebraucht- oder Recyclingmaterial gegenüber Neumaterial verlässlich anzurechnen
- Für relevante Gebrauchtteile ein Nutzungs-Fußabdruck, um die Relevanz des Restwerterhalts zu bestimmen.
- Für recyclingfähiges Material sowohl die Demontage-Information als auch der Upstream-Materialfußabdruck (relevant für Offenlegungspflichten gemäß Chemikalienverordnungen wie REACH).
Alle Infos zur ChargeTec
Die Elektromobilität nimmt immer mehr Fahrt auf. Analysten erwarten bis 2025 europaweit einen elektrischen Marktanteil von 15 bis 20 Prozent. Doch was nützt eine große Vielfalt an E-Fahrzeugen, wenn sie nicht entsprechend und flächendeckend geladen werden können? Buchen Sie ein Ticket und informieren Sie sich auf der 6. ChargeTec vom 28. bis 29. April 2026 über die Bedeutung der Ladeinfrastruktur für die Umsetzung einer weitgehend CO2-neutralen Mobilität.
Alle Infos zur nächsten ChargeTec und zum Programm finden Sie hier!

Herausforderungen im Batterie-Recycling: Architekturen, Kosten und Volumen
Dr. Dominik Lembke, Chief Business Development Officer der Librec AG, beleuchtet die Herausforderungen und Chancen im Recycling von Hochvoltbatterien. Er geht davon aus, dass vor 2030 die Mengen an Batteriematerial für Recyclinganlagen überwiegend aus Produktionsausschuss von Gigafactories stammt. Ab etwa 2030 werden diese Mengen durch den signifikant zunehmenden Rücklauf von End-of-Life (EOL) Batterien aus dem Feld übertroffen (0,8 bis 1,3 Millionen pro Jahr, bezogen auf Deutschland).
Es rechnet sich bereits jetzt kommerziell, Recyclinganlagen zu betreiben, da die Mengen aus Produktionsausschuss bedeutend sind und zusätzlich zahlreiche Batterien aufgrund von Defekten oder Unfällen vor dem EOL verwertet werden müssen. Die Schwarzmassenproduktion, der erste Prozessschritt im Recycling, lässt sich kleiner skalieren und kann heute schon profitabel betrieben werden. Anders verhält es sich bei den hydrometallurgischen Raffinerien, wo Economy-of-Scale-Effekte aufgrund der Prozesstechnik und Energieintensität eine weit größere Rolle spielen. Hier lohne es sich, weniger, dafür aber größere Anlagen zu errichten. Laut Dr. Dominik Lembke sei die Frage, wie viele davon mittelfristig in Europa profitabel betrieben werden können – auch im Wettbewerb mit bestehenden Großanlagen in Asien. Langfristig sei der Aufbau entsprechender Infrastruktur in Europa (inkl. pCAM- und CAM-Produktion) aber unumgänglich, um den Materialkreislauf zu schließen.
Eine wichtige Ergänzung auf dem Weg zu einer nachhaltigen Batteriewertschöpfungskette sind Second-Life-Programme. Diese zu etablieren werde momentan stärker von der Nachfrage nach Second-Life-Speichersystemen als von der Verfügbarkeit von geeignetem Batteriematerial bestimmt, sind Experten wie Lembke überzeugt. Aktuell gäbe es genügend Batteriemodule, um die Nachfrage nach Second-Life-Produkten zu decken.
Design-for-Disassembly und Digitalisierung als Lösungsansätze
Eine wichtige Herausforderung beim Recycling ist der noch fortbestehende Wildwuchs an Zell-, Modul- und Pack-Architekturen, der hohe manuelle Demontagekosten verursacht. Während Cell-to-Pack- und Cell-to-Chassis-Konzepte Masse und Kosten in der Produktion sparen, treiben sie die Rückbaukosten am Lebensende massiv in die Höhe.
Wo liegen also die größten Hebel, um die typischen 30 Prozent Demontagekosten pro Kilowattstunde auf unter zehn Prozent zu drücken? Experten diskutieren Design-for-Disassembly-Standards, robotergestützte Zerlegung und chemisch-thermische Shortcut-Verfahren. Cylib arbeitet bereits an einer teil-automatisierten Human-Robot-Zelle für das Entladen und Zerlegen von HV-Traktionsbatterien.
Aus der Perspektive von Dr. Lembke, der vor seiner Tätigkeit bei Librec zehn Jahre in der Produktentwicklung von Batterien bei OEM und Zellhersteller verbrachte, sind die Anforderungen an Traktionsbatterien (Sicherheit, Gewicht, Performance, Lebensdauer, Kosten) sehr umfangreich und lassen wenig Raum, Recyclingaspekte in den Vordergrund zu stellen. Er argumentiert, dass man die Produktperformance nicht zugunsten der Zerlegbarkeit opfern sollte. Statt auf standardisierte Stecker oder robotergerechte Packdesigns zu setzen – die seiner Auffassung nach nur kommen, wenn sie der Produktion dienen – sieht er den größten Hebel darin, den Batterie-Recyclern die bereits für die Montage entwickelten digitalen Zwillinge ("umgekehrte Montageanleitung") zugänglich zu machen. Dies könnte Recyclern wie Librec, die Packs jedweden Designs schnell und kosteneffizient zerlegen können, die Arbeit erleichtern.

Digitale Werkzeuge für den Rückbau: Batteriepass als Demontage-Booster
Das 2022 in Aachen gegründete Spin-off der RWTH Aachen, Cylib, arbeitet bereits an einer teil-automatisierten Human-Robot-Zelle für das Entladen und Zerlegen von HV-Traktionsbatterien. Wie der künftige digitale Batteriepass strukturiert sein muss, damit Roboter heterogene Pack-Architekturen von klassischen Modul-Stacks bis zu Cell-to-Chassis-Frames „blind" erkennen und in Ein-Minuten-Taktzeiten demontieren können, schildert Matthias Breidenbach, Leiter der Geschäftsentwicklung beim von Bosch geförderten Unternehmen: „Für eine effiziente robotergestützte Demontage sollte der digitale Batteriepass umfassende Daten bereitstellen: Ladezustand, zellenspezifischen State-of-Health und relevante Fehlercodes. Entscheidend sind präzise Informationen zu Verbindungselementen (Position, Typ, Drehmoment), Komponentenabmessungen und Kühlsystemdetails. Die Integration der Recyclingunternehmen in das Batteriepass-System ist essenziell. Der Batteriepass kann als Werkzeug für eine effiziente Kreislaufwirtschaft dienen und Recyclingbetrieben Zugang zu wertvollen Informationen über Mengen und Materialzusammensetzungen gewähren.“
Kostenreduktion durch Robotik
Der größte Hebel zur Kostenreduktion des heute typischen 30-prozentigen Demontagekostenanteils liegt laut Breidenbach „in der Kombination aus robotergestützter Zerlegung und konsequentem Design-for-Disassembly“. Nicht nur manuelle Demontagefähigkeit, sondern Konstruktionen für eine roboteroptimierte Demontage seien gefragt. Seine Empfehlung: Die Standardisierung und Freigaben von Schnittstellen zum Batteriemanagementsystem (BMS) ermöglicht schnelle Bewertungen des Batteriezustands.
„Eine sichere Tiefenentladung durch kontinuierliche BMS-Überwachung“, so Breidenbach weiter, „senkt Demontagekosten erheblich. Aktuelle Praktiken wie Vollverklebung oder Ausschäumen der Packs behindern effizientes Recycling massiv.“
Chemisch-thermische Shortcut-Verfahren böten zwar Potenzial für bestimmte Anwendungsfälle, dürften jedoch nach Einschätzung von Cylib die Gesamtkosten nur begrenzt beeinflussen. „Für ein hochwertiges Recycling mit maximaler Materialrückgewinnung erscheinen standardisierte Entladung-und-Demontage und mechanische Verfahren weiterhin vorteilhafter“, betont Breidenbach.
Kooperationen als Schlüssel zur Recycling-Transformation
Die Herausforderung: Design-for-Disassembly werde zwar diskutiert, aber bisher noch zu selten umgesetzt. Dabei zeigt sich, dass eine enge Zusammenarbeit innerhalb des Ökosystems entscheidend ist: „Partnerschaften zwischen Herstellern, Recyclingunternehmen und anderen Akteuren können dazu beitragen, gemeinsame Ziele wie eine verbesserte Recyclingfähigkeit und die Schaffung einer echten Kreislaufwirtschaft zu erreichen“, motiviert Matthias Breidenbach.
Cylib arbeitet gemeinsam mit verschiedenen Partnern an Projekten, bei denen nicht nur Batterien recycelt werden, sondern auch die Recyclingfähigkeit von Batterien bewertet wird. Diese Erfahrungen zeigen, dass Design-for-Disassembly nicht nur ökologische und ökonomische Vorteile bietet, sondern auch die Grundlage für innovative Ansätze in der Demontage und Wiederverwertung schafft.
Elektromobilität braucht Kreislaufwirtschaft und Demontageintelligenz
Die deutsche Automobil- und Zulieferindustrie steht in Bezug auf die Positionierung in der Wertschöpfungskette an einem spannenden Punkt der Batterieentwicklung. Der technologische Fortschritt, exemplarisch dargestellt durch BMWs Gen6-Technologie mit höherer Energiedichte, schnellerem Laden und innovativen Pack-Konzepten, verspricht leistungsfähigere und günstigere Elektrofahrzeuge. Gleichzeitig rückt die Notwendigkeit einer durchdachten Kreislaufwirtschaft stärker in den Fokus, getrieben durch Regulierung und das Ziel ökologischer und ökonomischer Mehrwerte.
Während Second-Life-Programme bereits heute eine wichtige Rolle spielen und durch die Nachfrage nach Speichersystemen getragen werden, ist das Hochvolt-Batterierecycling mit Herausforderungen wie der Vielfalt der Architekturen und hohen manuellen Demontagekosten konfrontiert. Die automatisierte Zerlegung und der effektive Einsatz des digitalen Batteriepasses werden entscheidend sein, um lebensdauerverlängernde Maßnahmen kosteneffizient umzusetzen, Wertstoffe effizient zurückzugewinnen und Lebenszykluskosten zu senken. Der Aufbau großskaliger hydrometallurgischer Raffinerien in Europa ist mittel- bis langfristig notwendig, um den Materialkreislauf zu schließen und Rohstoffunabhängigkeit zu erhöhen.
Die Diskussionen um Design-for-Disassembly-Standards versus die Nutzung digitaler Zwillinge und die Skalierung von Recyclingkapazitäten zeigen, dass noch offene Fragen bestehen und unterschiedliche Wege verfolgt werden. Diese Themen werden zentrale Debatten auf der Automotiv Battery prägen und erfordern weiterhin intensive Zusammenarbeit und Innovation entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Weichen für die zukünftige nachhaltige Elektromobilität werden jetzt gestellt.
Die Autorin: Andrea Hoffmann-Topp

In Bayern verankert, in der Welt zuhause. Andrea ist eine Globetrotterin in Sachen Mittelstand: Sie schätzt die Innovationskraft der familiengeführten Unternehmen ebenso wie die Strahlkraft großer Player mit internationalen Standorten - und vernetzt weltweit am liebsten beides miteinander. Reisen ist daher Programm. Dabei vergisst sie nie ein gutes Buch, Musik und ihren Tennisschläger.