Technologieoffensive trifft auf Umsetzungshürden

Hightech Agenda Deutschland: Anspruch trifft Realität

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Technologische Souveränität im Fokus: Deutschland investiert in Schlüsseltechnologien wie Mikroelektronik und KI.
Technologische Souveränität im Fokus: Deutschland investiert in Schlüsseltechnologien wie Mikroelektronik und KI.

Die Hightech Agenda Deutschland will Zukunftstechnologien gezielt stärken und Investitionen bündeln. Während die Industrie den politischen Impuls begrüßt, bleiben Fragen zur Umsetzungsgeschwindigkeit und Mittelstandseinbindung offen.

Inmitten eines weltweiten Wettlaufs um technologische Führerschaft hat die Bundesregierung mit der Hightech Agenda Deutschland (HTA) ein milliardenschweres Maßnahmenpaket aufgelegt, das den Industriestandort zukunftsfest machen soll. Mit einem Volumen von 5,5 Milliarden Euro fokussiert das Programm auf den Ausbau strategischer Schlüsseltechnologien – von Künstlicher Intelligenz und Halbleitern über Quantentechnologie bis hin zu 6G und Biotechnologie. Die Industrie lobt den politischen Impuls, drängt jedoch auf zügige Umsetzung, klare Zuständigkeiten und stärkere Mittelstandseinbindung.

Technologische Souveränität als politisches Ziel

Die Abhängigkeit Deutschlands von internationalen Lieferketten – insbesondere im Bereich Mikroelektronik, Softwareplattformen und digitalen Infrastrukturen – ist spätestens seit der Corona-Pandemie, der Chipkrise und dem Ukrainekrieg unübersehbar. Die Hightech Agenda versteht sich als Antwort auf diese strukturellen Schwächen und als strategischer Hebel zur Stärkung der technologischen Souveränität. Sie adressiert dabei drei übergeordnete Ziele:

  • Förderung zukunftsrelevanter Technologien
  • Stärkung von Forschung, Entwicklung und Transfer
  • Ausbau des Innovationsökosystems Deutschland

Im Zentrum stehen dabei Technologien mit hoher Hebelwirkung für Industrie, Gesellschaft und Wettbewerbsfähigkeit. Dazu zählen Künstliche Intelligenz, Halbleitertechnologien, 6G-Kommunikation, Quantentechnologie, Robotik, Wasserstoff und Biotechnologie.

Die vier Säulen der Hightech Agenda Deutschland 2025: Personal, Schlüsseltechnologien, Innovationsinfrastruktur und digitale Grundlagen im Zusammenspiel.
Die vier Säulen der Hightech Agenda Deutschland 2025: Personal, Schlüsseltechnologien, Innovationsinfrastruktur und digitale Grundlagen im Zusammenspiel.

Welche vier Säulen die Hightech Agenda 2025 tragen

Die HTA ist modular aufgebaut und umfasst vier zentrale Förderbereiche:

1. Personaloffensive: 1.000 neue Professuren für Zukunftsfelder

Rund ein Fünftel des Budgets entfällt auf den Aufbau von 1.000 neuen Professuren, vorrangig in KI, Robotik, Quantentechnologie, Software Engineering und Ingenieurwissenschaften. Die neuen Lehrstühle sollen nicht nur Forschung vorantreiben, sondern gezielt zur Nachwuchssicherung in der Industrie beitragen. Gerade die Elektronik- und Automobilbranche klagen über einen akuten Fachkräftemangel – etwa im Chipdesign, bei eingebetteten Systemen oder KI-Anwendungen. Allerdings gibt es noch keine konkreten Pläne zur Realisierung.

Beispielhaft gilt der Aufbau der KI-Professuren an bayerischen Hochschulen als Modell für andere Länder. Die Maßnahme zielt auf eine strukturelle Stärkung der akademischen Innovationsbasis, insbesondere durch forschungsnahe Ausbildung, Drittmittelprojekte und Gründungsförderung.

2. Fokussierte Förderung strategischer Schlüsseltechnologien

Ein Schwerpunkt der Agenda liegt auf der gezielten Förderung von Zukunftstechnologien mit industrieller Hebelwirkung. Dazu zählen:

  • Mikroelektronik und Halbleiter: Förderung von Chipdesign-Initiativen, Aufbau von Packaging- und Test-Infrastruktur, Unterstützung von IPCEI-Projekten.
  • Künstliche Intelligenz: Skalierung von KI-Testzentren, Plattformen für vertrauenswürdige KI, Anwendungsprojekte in Mittelstand und Produktion.
  • 6G und Kommunikationstechnologien: Aufbau nationaler 6G-Testbeds, Forschung zu Netzarchitektur, Sicherheit und Funktechnologien.
  • Quantentechnologie: Unterstützung des Munich Quantum Valley, Entwicklung industrieller Quantenanwendungen, Aufbau von Talentschmieden.
  • Biotechnologie und Medizintechnik: personalisierte Medizin, molekulare Diagnostik, Biochip-Plattformen.
  • Robotik, Automatisierung und Industrie 4.0: Mensch-Maschine-Interaktion, digitale Zwillinge, industrielle KI-Anwendungen.

Diese Technologiebereiche werden nicht nur durch Einzelprojekte gefördert, sondern auch durch überregionale Verbundstrukturen, sogenannte Innovationscluster, in denen Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Industrie gemeinsam anwendungsorientierte Lösungen erarbeiten. Wie die Förderung mit bereits vorhandenen Förderprogrammen wie etwa dem Chips-Acts interagiert, ist noch nicht bekannt.

3. Innovationsinfrastruktur: Technologiezentren, Testbeds, Reallabore

Eine weitere Säule ist der gezielte Ausbau von Forschungs- und Transferinfrastruktur. Dazu gehören:

  • Technologie- und Innovationszentren an Hochschulen (z. B. für Leistungselektronik, Sensorik oder Photonik)
  • Reallabore und Testumgebungen für 5G-/6G-Anwendungen, autonome Systeme oder intelligente Fertigung
  • Chipdesign-Hubs und Cloudplattformen zur Vernetzung von Start-ups, KMU und Hochschulen

Gerade im Bereich Mikroelektronik wird der Aufbau von nationalen Designinitiativen forciert, um mittelständischen Unternehmen Zugang zu Chipentwicklung und Know-how zu erleichtern. Auch Edge-Computing-Plattformen und Quanten-Testbeds werden explizit als förderfähig benannt.

4. Digitale Rückgratinfrastruktur: Rechenzentren, Cloud, Cybersecurity

Begleitend zur Technologie- und Personaloffensive soll die digitale Infrastruktur aufgerüstet werden, insbesondere im Bereich Hochleistungsrechnen, Cloudsysteme und Cybersicherheit. Der Aufbau skalierbarer Rechenkapazitäten für KI, Simulation und Datenanalyse ist Teil der Agenda, ebenso wie der sichere Datenaustausch über föderierte Plattformen. Für den Mittelstand sollen branchenspezifische Einstiegshilfen bereitgestellt werden wie etwa durch Open-Source-Komponenten, Schulungen und industrielle KI-Sandboxes.

Industrieverbände begrüßen den Ansatz, drängen aber auf Konsequenz

In der Industrie wird das Maßnahmenpaket grundsätzlich begrüßt, allerdings mit Nachdruck auf die Frage der Umsetzung. So wird von Seiten des Digitalverbands Bitkom der klare strategische Rahmen gewürdigt, zugleich jedoch gefordert, dass die Umsetzung spürbar an Tempo gewinnt. Ohne konkrete Zeitpläne, verbindliche Förderkriterien und transparente Kommunikation drohe das Vertrauen in die Agenda zu bröckeln – insbesondere bei forschenden KMU und hochspezialisierten Mittelständlern. Aus Sicht des Bitkom müssen Digitalisierung und Hightech-Förderung viel enger miteinander verzahnt werden: Anwendungen wie KI, Edge Computing und 6G seien technologisch nicht trennbar und müssten kohärent entwickelt und gefördert werden.

Auch der ZVEI sieht in der Agenda einen überfälligen Schritt in die richtige Richtung. Er begrüßt, dass Zukunftstechnologien wie Mikroelektronik, Quantentechnologie und KI endlich strategisch gebündelt gefördert werden – statt wie bisher isoliert und sektorbezogen. Gleichzeitig mahnt der Verband eine stärkere bundesweite Koordination an. Die Vielzahl paralleler Programme auf Länder- und Bundesebene führe zu Reibungsverlusten, Friktionen und ineffizienter Mittelverwendung. Der ZVEI fordert daher eine bundesweit abgestimmte Hightech-Strategie mit ressortübergreifender Lenkung.

Dr. Mark Mattingley-Scott, Europachef von Quantum Brilliance, begrüßt die Hightech Agenda Deutschland als klares Signal für Innovation und Kommerzialisierung von Quantentechnologie. Besonders positiv bewertet er die konkreten Ziele – etwa den geplanten Hardware-Wettbewerb und zwei fehlerkorrigierte Quantencomputer bis 2030. Entscheidend sei der missionsgetriebene Ansatz, der Forschung und Wirtschaft zusammenbringt.

Auch der VDI betont, dass die Agenda nur dann Wirkung entfalten könne, wenn alle beteiligten Ministerien ihre Verantwortung wahrnehmen. Technologiethemen wie Nachhaltigkeit, Cybersicherheit und Energieeffizienz lassen sich nicht isoliert im Wirtschaftsministerium verorten, sondern erfordern ein abgestimmtes Vorgehen über Ressortgrenzen hinweg. Der VDI bietet sich explizit als Partner für die technische und methodische Umsetzung an – etwa durch fachliche Roadmaps, Normungsvorhaben oder Dialogformate zwischen Forschung und Industrie.

Besonders klar fällt die Haltung des VDMA aus, der darauf pocht, den industriellen Mittelstand systematisch zu beteiligen. Die Agenda dürfe nicht zur Elitenstrategie für Großforschung und Konzerne verkommen, sondern müsse dort ansetzen, wo industrielle Wertschöpfung tatsächlich stattfindet. Dazu brauche es niedrigschwellige Zugänge zu Fördermitteln, technologieoffene Programmlinien und praxistaugliche Transferformate. Gerade im Maschinen- und Anlagenbau sei das Innovationspotenzial enorm – werde aber nur dann aktiviert, wenn Bürokratie abgebaut und Programme flexibel genug für mittelständische Strukturen gestaltet würden.

Der Autor: Martin Probst

Martin Probst

Zunächst mit einer Ausbildung zum Bankkaufmann in eine ganz andere Richtung gestartet, fand Martin Probst aber doch noch zum Fachjournalismus. Aus dem Motto „Irgendwas mit Medien“ entwickelte sich nach ein wenig Praxiserfahrungen während des Medienmanagement-Studiums schnell das Ziel in den Journalismus einzusteigen. Gepaart mit einer Affinität zu Internet und Internetkultur sowie einem Faible für Technik und Elektronik war der Schritt in den Fachjournalismus – sowohl Online als auch Print – ein leichter. Neben der Elektronik auch an Wirtschafts- und Finanzthemen sowie dem Zusammenspiel derer interessiert – manche Sachen wird man glücklicherweise nicht so einfach los. Ansonsten ist an ihn noch ein kleiner Geek verloren gegangen, denn alles was irgendwie mit Gaming, PCs, eSports, Comics, (Science)-Fiction etc. zu tun hat, ist bei ihm gut aufgehoben.

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