Industrie 4.0 und Smart Factory stehen für stark automatisierte und selbstorganisierte Prozesse. Durch aktuelle Sensortechnologien entstehen autonome und automatisierteMaschinen (Bild 1).
Bei der Zusammenarbeit zwischen Maschinen und Menschen steht die Sicherheit im Vordergrund. Industrieroboter sind zwar so konzipiert, dass sie in einem sicheren Abstand zum Menschen arbeiten, doch fehlt es diesen Geräten traditionell an den sensorischen Fähigkeiten, um Menschen in der Nähe zu erkennen.
Sensoren ermöglichen die autonome Mobilität für den Material- und Warentransport und sorgen für Sicherheit bei der Mensch-Roboter-Interaktion (HRI). Dafür sind verschiedene Technologien im Einsatz. Eine, die in der Industrie weit verbreitete ist, ist Lidar (Light Detection and Ranging), die zunächst hauptsächlich in der Automobilindustrie in Kollisionsvermeidungssystemen eingesetzt wurde. Seitdem hat sie sich in verschiedenen Branchen wie der Robotik, der Logistik und anderen Produktionsbereichen etabliert.
Vor- und Nachteile von Lidar in der Industrie
Lidar ist relativ einfach zu verwenden und unempfindlich gegenüber schlechten Wetterbedingungen. Die Technik funktioniert unabhängig von Lichtverhältnissen (Tag/Nacht) und Oberflächenmaterial, allerdings kann sie durch Nebel oder Staub beeinträchtigt werden. Sie ist die am weitesten verbreitete Technik, die autonome Mobilität von Robotern ermöglicht. In den letzten Jahren haben sinkende Kosten und verbesserte Genauigkeit für eine größere Beliebtheit gesorgt. Dieser Trend wird sich wahrscheinlich fortsetzen. Allerdings ist Lidar in der Regel mit hohen Kosten verbunden und die von 3D-Sensoren erfassten Daten haben meist eine geringere Auflösung als die von herkömmlichen 2D-Sensoren.
Wie funktioniert das Messprinzip von Lidar?
Lidar ist eine optische Methode zur Entfernungs- und Geschwindigkeitsbestimmung. Ein Lidar-System besteht aus einer Laser-Lichtquelle und einem Empfänger. Als Messmethode kommt häufig die Laufzeitmessung (Time-of-Flight, ToF) zum Einsatz. Hier unterscheidet man zwischen direkter ToF- (dToF) und indirekter Messung (iToF). Ein dToF-System sendet einen Laser-Puls aus, der von einem Objekt reflektiert wird und es erfasst die Zeit, die der Puls benötigt, um wieder beim Empfänger anzukommen (Bild 2).
Die Entfernung L ergibt sich aus der gemessenen Zeit T und der Lichtgeschwindigkeit c nach L = 1/2 × T × c. Diese Technik ist sehr flexibel und genau über Entfernungen von wenigen Zentimetern bis zu mehreren hundert Metern. Sie lässt sich gut für verschiedene Anwendungen skalieren. Die dToF-Messung ist in der industriellen Robotik und der Automatisierung für Anwendungen geeignet, die eine große Reichweite erfordern, zum Beispiel um Objekte in großen Industriehallen und Lagern zu bewegen und um Kollisionen zu vermeiden. In der Logistik und Lagerhaltung kann dToF-Lidar das Volumen von Paketen oder von Schüttgütern wie Kies oder Abfall präzise messen (Bild 3).
Eine nützliche Eigenschaft von dToF-Sensoren ist die Fähigkeit, mehrere Reflexe zu empfangen und somit mehrere Objekte gleichzeitig zu erkennen.
Allerdings benötigt die Technik wegen der hohen Lichtgeschwindigkeit eine schnelle und präzise Elektronik. Das macht dToF-Systeme oft komplex und teuer. Außerdem ist bei 3D-Anwendungen nur eine niedrigere Bildrate möglich, da die Pulsfrequenz begrenzt ist.
Es gibt auch Lidar-Systeme, die die Phasenmessung nutzen (iToF-Verfahren) um Entfernungen zu bestimmen. Beim indirekten ToF-Verfahren sendet das System kontinuierliches moduliertes Licht aus und misst die Phasenverschiebung zwischen dem ausgesendeten und dem reflektierten Strahl (Bild 4).
Daraus lässt sich die Entfernung berechnet. Solche Sensoren ermöglichen eine präzisere Messung auf kurze Distanzen, da die Methode relativ unempfindlich gegenüber Drift der internen Zeitmessung ist. Sie eignet sie sich vor allem für kürzere Entfernungen wie Indoor-Navigation und Kartierung sowie Objekterkennung in Produktionslinien oder bei Montageprozessen. Außerdem ist sie weniger komplex und kostengünstiger als dToF und liefert schnellere Bildraten, was vorteilhaft für Anwendungen wie 3D-Kameras und Gestenerkennung ist. Die Systeme eignen sich gut für Anwendungen, bei denen es auf eine schnelle, aber nicht unbedingt hochpräzise Erkennung von Bewegungen oder Objekten ankommt, wie z. B. bei Sicherheitssystemen oder der Mensch-Maschine-Interaktion. Allerdings sind sie bei großen Entfernungen oder in Umgebungen mit hohem Umgebungslicht sowie bei komplexen Oberflächen weniger genau als dToF und anfälliger für Mehrdeutigkeiten bei der Phasenmessung, was die Reichweite einschränken kann. Sie können auch nicht mehrere Objekte erfassen, da nur der stärkste Reflex detektiert wird.
FMCW-Lidar sendet ein kontinuierliches, frequenzmoduliertes Lasersignal aus. Die Entfernung ergibt sich durch die Frequenzänderung des reflektierten Signals. Zusätzlich zur Entfernungsmessung ermöglicht FMCW-Lidar, die Geschwindigkeit eines Objekts über den Doppler-Effekt zu bestimmen. Der Dopplereffekt besagt, dass die Frequenz einer Welle sich ändert, wenn sich Quelle und Empfänger relativ zueinander bewegen. Bewegt sich das Objekt auf das Lidar-System zu, wird die reflektierte Welle dazwischen komprimiert, die zurückkommende Welle hat damit eine höhere Frequenz. Bewegt sich das Objekt vom Lidar-System weg, hat die zurückkommende Welle eine niedrigere Frequenz (Bild 5).
Die Geschwindigkeit des Objekts lässt sich aus der Frequenzverschiebung berechnen.
Durch die gleichzeitige Messung von Entfernung und Geschwindigkeit, ist diese Technik besonders für Ziele interessant, die sich bewegen, wodurch sie sich vor allem für industrielle Sicherheitsanwendungen oder für die Logistik eignet. In der industriellen Robotik ermöglicht sie schnelle und präzise Navigationsentscheidungen. Außerdem liefert sie genaue Messergebnisse und ist unempfindlich gegenüber Störungen durch Umgebungslicht. Interferenzen, wie sie bei anderen Lidar-Technologien auftreten, sind hier reduziert.
Allerdings ist die Technologie aufgrund der aufwendigen Verarbeitung teurer. Die Implementierung und das Design sind technisch anspruchsvoller als bei dToF oder iToF-Liar und die Signalverarbeitung erfordert leistungsfähigere Hardware.
Was sind die Vor- und Nachteile von 2D- und 3D-Lidar?
2D-Lidar kann Hindernisse und Personen in einem Raum erkennen, was für Sicherheitsanwendungen in der Fertigung unerlässlich ist. Es ermöglicht eine präzise Lokalisierung und Navigation durch genaue Messdaten und kann Objekte schnell und genau erfassen und so die Reaktionszeit in sicherheitskritischen Anwendungen reduzieren. Es ermöglicht die Kartierung von Schutzfeldern in einer Fertigungsumgebung, wodurch die sichere Bewegung von Personen und Maschinen gewährleistet ist und es bietet Echtzeit-Feedback und Daten für Sicherheitskontrollen und -überwachungen. Die Technologie wird häufig in Anwendungen eingesetzt, die eine Abdeckung großer Flächen oder komplexer Konturen erfordern. Sie hat allerdings den Nachteil, dass sie nur einen einzigen Lichtstrahl verwendet, der von einer einzigen Oberfläche zurückgeworfen wird. Bestimmte Objekte, die sich außerhalb des vom Laserstrahl abtastbaren Bereichs befinden, kann sie nicht erfassen. So übersieht der Sensor beispielsweise Kisten oder andere Gegenstände auf dem Boden sowie mögliche Gefahrenstellen wie Treppenstufen. Dies kann problematisch sein, wenn ein Roboter auf einem fahrerlosen Transportsystem einen Bereich durchqueren und dabei Hindernissen ausweichen muss.
Im Gegensatz dazu erfasst 3D-Lidar einen größeren Bereich, da mehrere Lichtstrahlen gleichzeitig eingesetzt werden, um ein 3D-Bild der Umgebung zu erstellen. Ein 3D-Lidar-System verwendet ein rotierendes oder schwenkbares System, um die Laserstrahlen in verschiedene Richtungen zu lenken. Dadurch kann ein Lidar-Sensor eine große Umgebung in 360° abtasten. Aktuelle Lidar-Systeme verfügen oft über mehrere Strahlenebenen (z. B. 16, 32 oder sogar 128 Strahlen), um eine detaillierte 3D-Karte der Umgebung zu erzeugen. Die Daten, die ein 3D-Lidar sammelt, werden in Form von Punktwolken dargestellt. Eine Punktwolke ist eine Sammlung von 3D-Koordinaten (X, Y, Z), die die Positionen der Objekte in der Umgebung darstellen. Je mehr Punkte pro Sekunde erfasst werden, desto höher ist die Auflösung der erzeugten 3D-Karte. Diese Punktwolken liefern präzise Informationen über die Form und die Abstände von Objekten. Die resultierende 3D-Karte kann zur Objekterkennung, Hindernisvermeidung oder zur Navigation verwendet werden. Häufig liefert 3D-Lidar auch Informationen wie die Intensität des reflektierten Lichts oder die Erfassung von Oberflächendetails.
Welche Lidar-Bauweisen gibt es und wo liegen die Unterschiede?
Bei Lidar-Varianten gibt es neben dem Messprinzip weitere Möglichkeiten der Unterscheidung, zum Beispiel nach Bauweisen. Die wichtigsten Bauweisen in der Industrie sind Scanning-, Flashing- und Solid-State-Lidar.
Beim Scanning-Lidar bewegen Schrittmotoren oder Galvanometern den Laserstrahl in verschiedenen Richtungen, um die Umgebung kontinuierlich zu scannen. Scanning-Lidar (Mechanisches Lidar) dient in der industriellen Autmotisierung und Robotik zur Navigation in großen, unstrukturierten Umgebungen, zur Hinderniserkennung in Lagerhäusern oder Produktionsstätten oder zur 3D-Kartierung und Umgebungswahrnehmung. Die Technik kann sehr genaue 3D-Modelle der Umgebung erstellen und ist in der Lage, über größere Distanzen zu arbeiten, was ideal für größere Produktionsanlagen ist. Durch das kontinuierliche Abtasten der Umgebung bietet sie eine hohe Detailgenauigkeit, die für präzise Robotik-Anwendungen benötigt wird. Allerdungs ist das System durch bewegliche Teile anfälliger für Verschleiß und Störungen. Die Mechanik macht Scanning-Lidar teurer, weshalb es für einfache oder kleinere Anwendungen weniger attraktiv ist. Aufgrund der Mechanik sind die Systeme oft größer und schwerer, was die Integration in kleinere Roboter erschwert.
Flashing-Lidar wird vor allem in schnell reagierenden Systemen eingesetzt. Hier beleuchtet der Lidar-Sensor die gesamte Szene mit einem einzigen Lichtblitz auf einmal, wodurch alle Entfernungsdaten gleichzeitig erfasst werden. Die schnelle Datenerfassung macht diese Methode geeignet für Echtzeit-Sicherheitsanwendungen, bei denen eine schnelle Reaktion erforderlich ist, z. B. bei der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine in enger Umgebung. In der Kurzstreckennavigation, der Objekterkennung und Kollisionsvermeidung bei schnellen Bewegungen und zur Gestensteuerung und Sicherheitsüberwachung von Robotern kommt Flashing-Lidar häufig zum Einsatz. Da keine beweglichen Teile vorhanden sind, ist so ein System kleiner und leichter, was es geeignet für mobile und kompakte Roboter macht. Es ist deshalb auch weniger anfällig für mechanische Störungen. Flash-Lidar ist am effektivsten bei kürzeren Distanzen, was allerdings seine Anwendung in großen Fabrikhallen einschränkt. Im Vergleich zu Scanning-Lidar bietet Flashing-Lidar oft eine niedrigere Detailgenauigkeit. Außerdem ist es anfällig für Störungen durch starke Lichtquellen, was zu Messfehlern führen kann.
Solid-State Lidar arbeitet ohne bewegliche Teile. Es nutzt elektronische Bauteile, um Laserstrahlen zu senden und reflektiertes Licht zu messen. Diese Technologie ist kompakter, robuster und zuverlässiger, da sie weniger anfällig für mechanische Verschleißerscheinungen und widerstandsfähiger gegenüber Vibrationen und Stößen ist. Sie bietet eine gute Balance zwischen Auflösung, Reichweite und Geschwindigkeit, was für Anwendungen mit strengen Sicherheitsanforderungen in der Industrie von Vorteil ist, wie etwa bei der Absicherung autonomer Systeme oder in Gefahrenzonen. Die Technik kommt bei der präzisen Navigation von mobilen Robotern (Automated Guided Vehicles, AGVs), in Sicherheits- und Kollisionsvermeidungssysteme und in der automatisierten Qualitätssicherung und Inspektion zum Einsatz. Solid-State-Lidar-Systeme sind kleiner und kosteneffizienter als mechanische Lidars und lassen sich leicht in verschiedene Roboter integrieren. Da sie einfacher in der Produktion sind, sind die Kosten niedriger als bei mechanischen Lidar-Systemen.
Allerdings hat Solid-State-Lidar oft eine kürzere Reichweite als Scanning-Lidar. Das schränkt die Anwendung auf weite Flächen oder große Industrieanlagen ein. Die Detailgenauigkeit kann niedriger sein, was die Präzision bei komplexen Aufgaben beeinflussen kann.
Ein Überblick über den aktuellen und zukünftigen Lidar-Markt
Die Nachfrage nach Lidar-Systemen für die Automobilindustrie treibt die enormen Investitionen und die rasante Entwicklung von Lidar-Systemen an, die durch Innovationen in der Strahlsteuerungstechnologie, Leistungsverbesserungen und Kostenreduzierungen bei Lidar-Transceiver-Komponenten ermöglicht werden. Diese Bemühungen können es ermöglichen, dass Lidars in einem breiteren Anwendungsszenario als nur in konventionellen Anwendungen und Automobilen eingesetzt werden.
Die Technologielandschaft ist unübersichtlich mit zahlreichen Optionen für jede Komponente eines Lidar-Systems. Bestimmte Komponenten eignen sich besser für eine bestimmte Technologie. So ist beispielsweise der oberflächenemittierende Laser mit vertikalem Resonator (VCSEL) im Vergleich zum kantenemittierenden Laser (EEL) eine beliebtere Wahl für 3D-Flashing-Lidar. Während der VCSEL mit einer Wellenlänge von 905 nm ausgereift ist, kann es sehr schwierig sein, ihn mit kurzwelligem Infrarot (SWIR) zu realisieren. Es gibt auch weniger gängige Kombinationen wie MEMS mit FMCW, da die technischen Herausforderungen größer sind.
Die heute getroffenen technologischen Entscheidungen werden immense Auswirkungen auf die Leistung, den Preis und die Skalierbarkeit von Lidar in der Zukunft haben. Eine stärkere Betonung der Sicherheit am Arbeitsplatz führen zu einem massiven Wachstum in den Märkten für autonome mobile Roboter (AMR) und automatisch geführte Fahrzeuge (AGV). Solche Faktoren werden die Nachfrage nach Lidar-Anwendungen in Roboterfahrzeugen steigern. (bs)
Die Autorin: Sabine Synkule
Durch ihr Elternhaus schon von Kindesbeinen an naturwissenschaftlich geprägt, war früh klar, dass Sabine Synkule auch beruflich einmal diese Richtung einschlagen würde. Nach einem Physikstudium und einer Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiterin entschied sie sich schließlich dafür, nicht mehr selbst zu forschen, sondern über die Ergebnisse der Forschung anderer zu berichten. So ist sie schließlich im Fachjournalismus gelandet und dort für die Bereich Messtechnik, Sensoren und Stromversorgung zuständig. Deshalb – und weil sowieso niemand ihren Nachnamen richtig ausspricht – wird sie auch gerne als die Power-Frau von Hüthig vorgestellt. Privat würde niemand auf die Idee kommen, dass ihr Beruf etwas mit Technik zu tun hat. So fragt sie keiner ihrer Bekannten jemals um Rat, wenn einmal ein Fernseher oder Computer kaputt ist. Ihre Expertise wird nur bei der Umsetzung aufwändiger Kochrezepte oder dem Erstellen neuer Strick- und Stickmuster eingeholt.