Stabiler Langzeitbetrieb rückt näher

WEST-Tokamak bricht Plasma-Rekord mit 1337 Sekunden

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The plasma record reached a temperature of 50 million degrees
Der Plasmarekord im WEST-Tokamak erreichte eine Temperatur von 50 Millionen Grad

Am 12. Februar 2025 hat der WEST-Tokamak in Frankreich einen neuen Weltrekord aufgestellt: Ein Plasma wurde 1337 Sekunden lang stabil gehalten. Dies übertrifft den bisherigen Rekord um rund 25 %.

In der Gaming-Sprache ist die Zahl 1337 ein bedeutsamer Begriff, der seinen Ursprung in der Leetspeak hat, einer Form der Internetsprache, die Buchstaben durch Zahlen und Sonderzeichen ersetzt. Die Zahl 1337 steht für das Wort "Elite" und symbolisiert die Fähigkeiten und den Status von Spielern in der Online-Gaming-Kultur. Warum ich das schreibe? Zur Elite der Fusionsforschung dürfen sich aktuell auch die Mitwirkenden am WEST-Tokamak im französischen Cadarache zählen.

Welchen Rekord hat der WEST-Tokamak aufgestellt?

Am 12. Februar 2025 haben die Forscher am französischen Fusionsreaktor WEST (Wolfram Environment in Steady-state Tokamak) einen neuen Weltrekord in der Plasmalaufzeit aufgestellt. Sie hielten ein Plasma eben jene 1337 Sekunden lang, also mehr als 22 Minuten, stabil. Dieser Wert liegt etwa 25 % über dem bisherigen Rekord, der erst im Januar 2025 von Chinas EAST-Tokamak (Experimental Advanced Superconducting Tokamak) mit 1066 Sekunden aufgestellt wurde. Die Heizleistung betrug dabei 2 Megawatt.

Was ist daran so besonders?

Die Plasmalaufzeit ist eine der zentralen Herausforderungen der Kernfusionsforschung. WEST demonstrierte mit diesem Rekord die Fähigkeit, ein Plasma über einen außergewöhnlich langen Zeitraum zu stabilisieren, was für zukünftige (auch deutsche) Reaktoren essenziell ist. Während hohe Temperaturen und kurzzeitige Plasmaerhaltung bereits in anderen Experimenten erreicht wurden, geht es bei WEST vor allem um die Erforschung von Langzeitbetrieb und Materialien für ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor), der das erste Fusionskraftwerk im industriellen Maßstab darstellen soll. Dabei wäre der Weg des Technologietransfers nicht weit, denn ITER steht nur etwa einen Kilomenter von WEST entfernt. WEST baut dabei auf den Erfahrungen des Vorgängerreaktors Tore Supra auf, der fast 35 Jahre in Betrieb war und lange Zeit den Rekord für die Plasmalaufzeit hielt.

Was ist der WEST-Tokamak?

WEST ist ein in Cadarache, Südfrankreich, betriebener Tokamak-Fusionsreaktor, der aus dem früheren Tore Supra-Reaktor hervorgegangen ist. Er wurde speziell darauf ausgelegt, Materialien und Technologien für ITER zu testen. Ein besonderes Merkmal ist sein aktiv gekühlter Wolfram-Divertor, der hohe thermische Belastungen aushält und zur Stabilisierung des Plasmas beiträgt. Der Reaktor fokussiert sich auf den Steady-State-Betrieb, also den kontinuierlichen Plasmaeinschluss über längere Zeiträume.

Wie funktioniert der WEST-Tokamak genau?

Der Betrieb eines Tokamaks erfordert eine ausgefeilte technische Infrastruktur. WEST basiert auf dem Tokamak-Prinzip, bei dem Plasma durch starke Magnetfelder in einer ringförmigen Vakuumkammer gehalten wird. Die wichtigsten Prozesse dabei sind:

  • Magnetischer Einschluss: Supraleitende Spulen erzeugen ein starkes Magnetfeld, das das Plasma stabil hält.

  • Plasmabildung: Wasserstoffgas wird ionisiert, wodurch ein heißes Plasma entsteht.

  • Aufheizung: Durch elektromagnetische Wellen, Neutralteilchen-Einschuss und elektrischen Strom wird das Plasma auf mehrere Millionen Grad Celsius erhitzt.

  • Energieeinschluss: Der Wolfram-Divertor schützt die Reaktorwände vor Überhitzung und ermöglicht den kontinuierlichen Betrieb.

Diese Prozesse müssen unter extremen Bedingungen ablaufen. Die 18 supraleitenden Spulen von WEST erzeugen ein Magnetfeld von 3,7 Tesla auf der Achse des Reaktors. Damit die Spulen effizient arbeiten, müssen sie auf eine Temperatur von 1,73 Kelvin gekühlt werden – fast den absoluten Nullpunkt. Das Plasma wird in einer Vakuumkammer erzeugt, deren Druck nur einen Bruchteil des Atmosphärendrucks beträgt.

Überblick über ausgewählte Fusionsreaktoren: Wo sie stehen, was sie machen und wie weit sie sind.

Das deutsche Start-up Proxima Fusion mit Sitz in München entwickelt innovative Stellaratoren als Fusionskraftwerke. Mit rund 30 Mitarbeitern, KI-gestützten Designs und Hochtemperatursupraleitern will das Unternehmen bis 2031 einen energiepositiven Prototyp fertigstellen.
Das deutsche Start-up Proxima Fusion mit Sitz in Münchenentwickelt innovative Stellaratoren als Fusionskraftwerke. Mit rund 30 Mitarbeitern, KI-gestützten Designs und Hochtemperatursupraleitern will das Unternehmen bis 2031 einen energiepositiven Prototyp fertigstellen.
Proxima Fusion befindet sich aktuell in der Entwicklungsphase. Mithilfe von 27 Millionen Euro privater Investitionen und öffentlichen Mitteln wird der erste Prototyp vorangetrieben. Die Technologie basiert auf dem Wendelstein 7-X-Experiment in Greifswald, das bereits mehrere Rekorde in der Fusionsforschung aufgestellt hat. Der Einsatz von KI und Hochtemperatursupraleitern optimiert den Designprozess und beschleunigt die Realisierung.
Proxima Fusion befindet sich aktuell in der Entwicklungsphase. Mithilfe von 27 Millionen Euro privater Investitionen und öffentlichen Mitteln wird der erste Prototyp vorangetrieben. Die Technologie basiert auf dem Wendelstein 7-X-Experiment in Greifswald, das bereits mehrere Rekorde in der Fusionsforschung aufgestellt hat. Der Einsatz von KI und Hochtemperatursupraleitern optimiert den Designprozess und beschleunigt die Realisierung.
ITER ist ein internationaler Tokamak-Fusionsreaktor, der den Ansatz der magnetischen Einkapselung verfolgt. Der Reaktor befindet sich in Cadarache, Frankreich, und rund 2.000 Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern sind am Projekt beteiligt.
ITER ist ein internationaler Tokamak-Fusionsreaktor, der den Ansatz der magnetischen Einkapselung verfolgt. Der Reaktor befindet sich in Cadarache, Frankreich, und rund 2.000 Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern sind am Projekt beteiligt.
Der aktuelle Projektstatus von ITER sieht vor, dass der erste Plasma-Versuch im Jahr 2025 stattfinden soll. Ein bedeutender Meilenstein wurde kürzlich mit dem erfolgreichen Einbau der kryogenen Abschirmung erreicht.
Der aktuelle Projektstatus von ITER sah eigentlich vor, dass der erste Plasma-Versuch im Jahr 2025 stattfinden soll. Allerdings wird sich der Plan aufgrund von Problemen mit Schweißnähten und Rissen in der Fusionskammer verzögern.
Die letzte Naht an der stählernen Außenhaut von Wendelstein 7-X wurde im Mai 2013 geschlossen. Der Kern der Anlage ist im Rohbau fertig.
Der – im Vergleich zu Iter deutlich kleinere – Stellarator Wendelstein 7-X nutzt einen innovativen Ansatz zur magnetischen Einkapselung und Stabilisierung von Plasmen. Er befindet sich in Greifswald, Deutschland, und wird von etwa 400 Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik betrieben.
Blick in das Plasmagefäß von Wendelstein 7X nach Umbauarbeiten im November 2021
2018 gelang es Wendelstein 7-X, ein Plasma für 100 Sekunden stabil zu halten, was als Durchbruch für die Stellarator-Technologie gilt. Nach einer Wartungsphase nahm der Kernfusions-Reaktor im September 2024 den Versuchsbetrieb mit deutlichen Verbesserungen wieder auf. Im Februar 2023 erreichte Wendelstein 7-X dann einen neuen Rekord: Ein Energieumsatz von 1,3 Gigajoule wurde für 480 Sekunden (8 Minuten) aufrechterhalten.Dies übertraf den vorherigen Bestwert um das 17-fache. Die Wissenschaftler planen, den Energieumsatz in den kommenden Jahren auf 18 Gigajoule zu steigern und das Plasma für eine halbe Stunde stabil zu halten.
National Ignition Facility
Die National Ignition Facility (NIF) nutzt den Trägheitseinschluss-Ansatz mit Hochleistungslasern, um Brennstoffpellets zur Fusion zu komprimieren. Die Anlage steht in Livermore, Kalifornien, USA, und beschäftigt über 1.000 Mitarbeiter.
Die Targetkammer der National Ignition Facility des LLNL, in der 192 Laserstrahlen mehr als 2 Millionen Joule ultravioletter Energie auf ein winziges Brennstoffpellet lieferten, um am 5. Dezember 2022 eine Fusionszündung zu erzeugen.
Im Bild: Die Targetkammer, in der 192 Laserstrahlen mehr als 2 Millionen Joule ultravioletter Energie auf ein winziges Brennstoffpellet lieferten, um am 5. Dezember 2022 eine Fusionszündung in der NIF zu erzeugen. Dabei wurde mehr Energie durch die Fusion erzeugt, als durch die Laser eingebracht wurde.
Das Large Helical Device (LHD) ist ein Stellarator, der zur Erforschung der Plasmaphysik und Fusionsenergie dient. Der Reaktor befindet sich in Toki, Gifu, Japan, und etwa 300 Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten daran.
Das Large Helical Device (LHD) ist ein Stellarator, der seit 1998 zur Erforschung der Plasmaphysik und Fusionsenergie dient. Der Reaktor befindet sich in Toki, Gifu, Japan, und etwa 300 Wissenschaftler und Ingenieure arbeiten daran.
Large Helical Device (LHD)
2023 konnte im Large Helical Device (LHD) in Japan erstmals die Kernfusion von Wasserstoff und Bor in einem Magneteinschluss-Plasma erfolgreich nachgewiesen werden, ein bedeutender Schritt in Richtung sauberer, nicht-radioaktiver Fusionskraftwerke. Durch das Einbringen von Borkörnchen ins Plasma und das Beschießen mit energiereichen Protonen gelang es, eine signifikante Menge an Heliumkernen zu erzeugen, was die Fusionsreaktion bestätigte. Die Forscher sehen in diesen Ergebnissen eine Basis für die Entwicklung sichererer und umweltfreundlicherer Fusionsreaktoren. TAE Technologies plant bis 2030, Prototypen für Reaktoren zu entwickeln, die auf diesem Konzept basieren und möglicherweise mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen.
Das Omega Laser Facility am Laboratory for Laser Energetics (LLE) der Universität Rochester
Der OMEGA-Laser, der zur Erforschung der Trägheitsfusion verwendet wird, steht in Rochester, New York, USA. Über 1.000 Mitarbeiter, darunter 450 Wissenschaftler und Ingenieure, arbeiten an diesem Projekt des Laboratory for Laser Energetics (LLE).
Das Omega Laser Facility am Laboratory for Laser Energetics (LLE) der Universität Rochester
Das OMEGA-Lasersystem der University of Rochester hat erfolgreich neue Fortschritte in der Trägheitsfusion erzielt und damit als potenzieller "Zündfunke" für größere Fusionsreaktionen gedient. Mit nur 28 Kilojoule Laserenergie wurden winzige Kapseln mit Deuterium und Tritium so komprimiert, dass ein Plasma entstand, das Fusionsreaktionen ermöglichte.
Der Korea Superconducting Tokamak Advanced Research (KSTAR)
Der Korea Superconducting Tokamak Advanced Research (KSTAR) verfolgt den supraleitenden Tokamak-Ansatz zur Untersuchung der Plasmaphysik und Fusionsenergie. Die Anlage befindet sich in Daejeon, Südkorea, und es sind rund 150 Wissenschaftler und Ingenieure beteiligt.
Der Korea Superconducting Tokamak Advanced Research (KSTAR)
Im Jahr 2020 gelang es KSTAR – „Koreas künstliche Sonne“ – , ein Plasma für 20 Sekunden bei über 100 Millionen Grad Celsius aufrechtzuerhalten, was als großer Meilenstein in der Plasmaphysik gilt. Ende März 2024 brannte das Plasma im Reaktor sogar für 48 Sekunden bei 100 Millionen Grad Celsius.)
Der EAST-Tokamak für die Fusionsforschung am Institut für Plasmaphysik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (ASIPP) in Hefei, China
Der Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST) verwendet ebenfalls supraleitende Technologie, um Langzeit-Plasmaentladungen zu erforschen. Der Reaktor steht in Hefei, China, mit mehr als 200 Forschern und Technikern im Team.
Plasma im EAST
Im Mai 2023 erreichte EAST einen bedeutenden Durchbruch: Es gelang, ein Plasma für 403 Sekunden (etwa 6,7 Minuten) bei einer Temperatur von 120 Millionen °C aufrechtzuerhalten.. "Key issues for long-pulse high-βNoperation with theExperimental Advanced Superconducting Tokamak(EAST)". Nuclear Fusion 57 (5): 056021.DOI:10.1088/1741-4326/aa626c.ISSN0029-5515. Figure 5,CC BY 3.0,Link)
Erstes Plasma im SMART-Tokamak, aufgenommen mit einer superschnellen Kamera im sichtbaren Spektrum
SMART (SMall Aspect Ratio Tokamak) ist ein neu entwickelter, kompakter Tokamak-Fusionsreaktor an der Universität Sevilla in Spanien.Entwickelt und betrieben wird er vom Plasma Science and Fusion Technology Laboratory unter der Leitung von Professor Manuel García Muñoz und Professorin Eleonora Viezzer. Mit einem geringen Aspektverhältnis und den Abmessungen von nur 1,6 × 1,6 Metern stellt SMART eine innovative Plattform für die Erforschung neuer Plasmageometrien dar, insbesondere der negativen Triangularität.
Beispiele für verschiedene Gleichgewichte, die bei SMART erreicht werden können.
Im Januar 2025 gelang dem SMART-Tokamak erstmals die Erzeugung von Plasma, ein bedeutender Meilenstein in der Fusionsforschung. Durch den Einsatz negativer Triangularität testet der Reaktor ein neuartiges Design, das den Weg zu kleineren und effizienteren Fusionskraftwerken ebnen könnte. Die gewonnenen Daten aus den ersten Plasmatests werden mit Hochgeschwindigkeitskameras im sichtbaren Spektrum aufgezeichnet und analysiert, um die Stabilität und Leistungsfähigkeit des Plasmas zu bewerten.
Century hat sich zum Ziel gesetzt, drei Hauptaspekte des Zap-Energiekonzepts zu integrieren und zu testen: sich wiederholende gepulste Stromversorgungen, dem Plasma zugewandte zirkulierende Flüssigmetallwände und Technologie zur Abschwächung von Elektrodenschäden.
Zap Energy ist ein in Everett, Washington, ansässiges Unternehmen, das an einer kostengünstigen und kompakten Fusionslösung arbeitet. Das Team um die Gründer Benj Conway, Brian A. Nelson und Uri Shumlak setzt auf die Sheared-Flow-Stabilized Z-Pinch-Technologie, die ohne supraleitende Magnete auskommt und eine wirtschaftlich tragfähige Fusion ermöglichen soll.
Der Z-Pinch-Effekt ist ein elektromagnetisches Phänomen, bei dem elektrische Ströme Magnetfelder erzeugen, die so stark sind, dass sie Materie komprimieren. Zap will diesen Effekt nutzen, um die Fusionsforschung voranzutreiben und die Idee der Fusionsenergie Wirklichkeit werden zu lassen. Dabei ist das Unternehmen über die Theoriephase hinaus.
Der aktuelle Entwicklungsstand von Zap Energy sieht mit dem Century-Projekt die erste vollintegrierte Demonstration relevanter Fusionskraftwerk-Technologien vor. Während wichtige Meilensteine wie eine stabile Plasmaerzeugung und hohe Neutronenausbeuten erreicht wurden, stehen noch weitere Herausforderungen bevor, darunter die Skalierung der Technologie und die Entwicklung robuster Materialien für den Langzeitbetrieb.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Stabilisierung von Plasma?

Wie bereits erwähnt, ist die Kontrolle von Plasma eine der größten technischen Hürden der Fusionsforschung. Die Hauptprobleme sind:

  • Temperaturkontrolle: Temperaturen von über 100 Millionen Grad Celsius müssen erreicht und konstant gehalten werden.

  • Plasma-Turbulenzen: Fluktuationen können das Plasma instabil machen und Energieverluste verursachen.

  • Materialbelastung: Die Wände des Reaktors müssen extremer Hitze und Neutronenstrahlung standhalten.

  • Energieeffizienz: Bisher benötigen Fusionsreaktoren mehr Energie zur Erhitzung des Plasmas, als sie erzeugen können.

Zusätzlich ist es eine Herausforderung, das Plasma so lange stabil zu halten, dass die Wände des Reaktors in einen thermischen Gleichgewichtszustand mit dem Plasma treten. Dabei spielt die Interaktion zwischen Plasma und den Plasmakontaktflächen eine entscheidende Rolle.

Wie unterscheidet sich der WEST-Tokamak von anderen Fusionsreaktoren?

WEST hebt sich insbesondere durch folgende Aspekte von anderen Tokamaks ab:

  • Wolfram-Divertor: Als Testplattform für ITER setzt WEST auf aktiv gekühlte Wolfram-Komponenten, die hohe thermische Belastungen überstehen.

  • Langzeitbetrieb: Während viele Fusionsreaktoren (leider) auf kurzzeitige Hochleistungsexperimente ausgelegt sind, konzentriert sich WEST auf die Untersuchung langfristiger Plasmazustände.

  • ITER-Relevanz: WEST dient als direkter Testreaktor für ITER-Technologien, insbesondere für den Einsatz von Wolfram im Plasmaeinschluss.

Darüber hinaus findet eine enge Zusammenarbeit mit ITER und Fusion for Energy (F4E) statt, um durch regelmäßige Treffen die Erkenntnisse aus WEST direkt für den Bau und Betrieb von ITER zu nutzen.

Welche Rolle spielt der Divertor im WEST-Tokamak?

Der Divertor ist ein essenzielles Bauteil des WEST-Tokamaks, das die Wärmeabfuhr und die Steuerung des Plasmas ermöglicht. Er befindet sich im unteren Bereich der Vakuumkammer und dient dazu, unerwünschte Partikel aus dem Plasma abzuleiten. Da das Plasma extrem hohe Temperaturen erreicht, muss der Divertor diesen Belastungen standhalten und gleichzeitig effizient gekühlt werden.

Seine Hauptfunktionen sind:

  • Wärme- und Ascheableitung: Während der Fusionsprozesse entstehen Helium und andere Nebenprodukte, die das Plasma stören könnten. Der Divertor fängt diese Partikel ab und leitet sie aus der Kammer heraus.

  • Plasma-Stabilisierung: Durch die gezielte Steuerung des Plasmarands hilft der Divertor, das Plasma stabil zu halten und Turbulenzen zu minimieren.

  • Materialforschung: WEST testet mit seinem Divertor verschiedene Materialkonzepte für zukünftige Fusionskraftwerke, insbesondere hinsichtlich der Beständigkeit gegen hohe thermische und mechanische Belastungen.

Der Divertor von WEST ist aus Wolfram gefertigt, da dieses Material hohe Temperaturen und Strahlenschäden besser verträgt als Alternativen. Die Struktur besteht aus drei Hauptkomponenten: dem äußeren Target, dem Dome und dem inneren Target. Diese sind auf einer stählernen Superstruktur montiert und aktiv gekühlt, um eine Überhitzung zu verhindern. Da ITER eine ähnliche Divertor-Technologie einsetzen wird, liefert WEST wertvolle Erkenntnisse für den zukünftigen Betrieb des internationalen Reaktors.

Wie geht es weiter mit der Forschung?

Die Forscher am WEST-Tokamak planen, die Plasmalaufzeit weiter auszudehnen und höhere Temperaturen zu erreichen. Ziel ist es, Plasma über mehrere Stunden stabil zu halten. Um die Beständigkeit der Plasma-facing Components (PFCs) zu testen, werden regelmäßig Experimente durchgeführt, bei denen die Hitze- und Partikellasten auf die Wandelemente beobachtet und analysiert werden. Mithilfe von Inspektionsarmen können die Komponenten zwischen den Experimenten genau untersucht werden.

Die Ergebnisse aus WEST fließen direkt in die Entwicklung von ITER ein, der als nächster Meilenstein auf dem Weg zu kommerziellen Fusionskraftwerken gilt. Langfristig soll die Fusion eine saubere, nahezu unerschöpfliche Energiequelle bieten – ein Ziel, das jedoch frühestens in den 2050er Jahren realistisch erscheint.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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