Ingenieur:innen sind ein gefragtes Gut
Nachdem die Zahl der Stellenausschreibungen in den vergangenen drei Quartalen leicht rückläufig war, stehen die Zeichen nun wieder deutlich auf Personalausbau: Im ersten Jahresviertel 2023 klettert der Fachkräfte-Index (FKI) der Personalberatung Hays um ganze 24 Prozentpunkte auf +152 Prozent (Q4: 128 Prozent) und nähert sich damit dem Vorjahresniveau (Q1/2022: 163 Prozent).
Die Anzahl der Stellenausschreibungen für Ingenieure erreichte im 1. Quartal 2023 sogar neue Höchstwerte: Mit 48.500 absolut ausgeschriebenen Stellen stieg der Index um 19 Prozentpunkte (PP) im Vergleich zum Vorquartal (97 PP) und übertrifft damit den bisherigen Höchststand freier Positionen aus dem Vorjahresquartal (Q1/2022: + 111 P, Q1/2023: + 116 P).
Bei Ingenieuren und Ingenieurinnen bleibt der Nachwuchs aus
Die Automatisierungsbranche sucht dringend Nachwuchs - aber die Zahl der Studenten in technischen Studiengängen sinkt rapide. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) von 2022 gab es zwischen dem Jahr 2000 und 2020 zwar einen Anstieg der Studierenden in Deutschland von gut 1,5 Millionen auf knapp 3 Millionen.
Bei den StudienanfängerInnen hingegen zeigt sich ein ganz anderes Bild: Nach einem Anstieg von gut 250.000 (2000) auf rund 500.000 zu Beginn der 2010er Jahre stagniert die Zahl seitdem auf diesem Niveau und sinkt tendenziell eher leicht ab (2020: 490.204).
Allerdings sind je nach Studiengang ganz unterschiedliche Entwicklungen zu beobachten: Während nämlich in Bereichen wie Psychologie, Sozialwesen sowie Verwaltungs- und Gesundheitswissenschaften die Zahl der Studienanfänger:innen zwischen 2011 und 2020 prozentual stark gestiegen sind, gab es bei Elektrotechnik und Maschinenbau entsprechend deutliche Rückgänge, wie folgende Grafik des HIS-HE zeigt:
Die sinkende Zahl der Studienanfänger:innen in den Ingenieurswissenschaften „ist ein großes Problem“, warnt Prof. Jens Wulfsberg, Präsident der WGP (Wissenschaftliche Gesellschaft für Produktionstechnik), dem Zusammenschluss führender Professor:innen der Produktionswissenschaft. „Denn das trifft nicht nur unsere Universitätsinstitute, von denen – sollte der Trend anhalten – manche in einigen Jahren nur noch halb so groß sein werden und nur noch halb so viel Forschung betreiben können. Das betrifft natürlich auch unsere Industrie, die schon heute große Schwierigkeiten hat, gut ausgebildeten Nachwuchs zu finden."
Für Ingenieure macht sich der Jobwechsel bezahlt
Ein Jobwechsel macht sich vor allem dann bezahlt, wenn Arbeitnehmer:innen in verwandte Tätigkeiten wechseln. Je mehr Wissen aus dem alten Beruf auch in der neuen Tätigkeit genutzt werden kann, desto größer ist die Aussicht auf einen erfolgreichen Jobwechsel. Das Lohnplus kann dann um bis zu 3.500 Euro brutto pro Jahr höher ausfallen als bei einem Wechsel in nicht verwandte Berufe. Daher profitieren in erster Linie spezialisierte Fachkräfte wie Ingenieur:innen von einem Jobwechsel. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung mit dem Titel "Bessere Perspektiven bei Jobwechseln".
Ein erfolgreicher Wechsel erhöht zugleich auch die Produktivität. Wer in einem eng verwandten Job neu startet, ist im Schnitt 6,2 Tage pro Jahr mehr an seinem Arbeitsplatz als Beschäftigte, die in einen komplett fremden Beruf wechseln. "Wenn mit dem Wechsel in einen nahen Beruf auch der Aufstieg gelingt, ist das sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer:innen ein Gewinn: Arbeitgeber profitieren von produktiveren Beschäftigten und die Arbeitnehmer:innen von besser entlohnten Tätigkeiten. Eine höhere Erwerbsbeteiligung ist außerdem ein entscheidender Faktor im Kampf gegen den massiven Fachkräftemangel“, sagt Tobias Ortmann, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung.
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Wenn der Wirtschaftsmotor stottert, wechseln Ingenieure besonders oft
Aktuell befindet sich die deutsche Wirtschaft in einer leichten Rezession. Doch eine sich verschlechternde Wirtschaftslage beeinträchtigt nicht automatisch das Interesse für eine berufliche Veränderung - tatsächlich ist überwiegend sogar das Gegenteil der Fall.
"In der Tat besteht ein direkter Zusammenhang zwischen einer schlechten Wirtschaftsleistung und dem Wunsch, einen neuen Arbeitsplatz zu suchen", konstatieren die Autoren der PageGroup-Arbeitsmarktstudie "Talent Trends" mit mehr als 28.000 Teilnehmers aus ganz Europa. Rund 58 % der europäischen Arbeitskräfte würden sich bei einem verschlechternden wirtschaftlichen Umfeld lieber einen neuen Job suchen, als mit konservativer Vorsicht zu reagieren. Im Bereich Engineering & Manufacturing ist diese Haltung mit 63 % der Studienteilnehmenden sogar überproportional vertreten.
Fachkräftemangel in der Automatisierung
- Auf einen Blick Der Fachkräftemangel - erklärt in sieben Grafiken
- Innovationsindikator Deutschland tritt bei Innovationen auf der Stelle
- Mädchen und Mint Girls‘Day zeigt Wirkung im Kampf gegen Fachkräftemangel
- In technischen Disziplinen werden die Studenten knapp: Die Automatisierungsbranche sucht dringend Nachwuchs - aber die Zahl der Studenten in technischen Studiengängen sinkt rapide.
- Attraktivität für hochqualifizierte Migranten sinkt: Studium in Deutschland? Ja, bitte! Hier arbeiten? Nein, Danke!
- Hochschulen und Industrie rücken zusammen: Wie die Automatisierungsbranche den Fachkräftemangel kontert
- Interview mit Kuka-Bildungsexperte Frank Zimmermann: "Vielfach ist das Maschinenbau-Image noch etwas verstaubt"
- Top 10 Ranking: Die besten Elektrotechnik-Unis in Deutschland 2022
- Zu gute Jobaussichten in Deutschland: Ingenieurstudierende wollen nur selten ins Ausland
- Kuka Zukunftsumfrage: Große Mehrheit sieht Nachwuchs schlecht gerüstet für digitale Arbeitswelt
Work-Life-Balance hat eine neue Bedeutung bekommen
Die Ausgewogenheit zwischen einer Zufriedenheit im Job und Zeit und Muße für Familie oder private Interessen hat im Zuge der Pandemie eine neue, viel stärkere Bedeutung bekommen. In der PageGroup-Arbeitsmarktstudie "Talent Trends" heißt es: Das Thema Work-Life-Balance hat sich von einer weitgehend ungreifbaren und hypothetischen Diskussion vor der Pandemie, zu einer plötzlich sehr realen, alltäglichen Erfahrung gewandelt. Für 56 % der europäischen Fachkräfte steht aktuell die Work-Life-Balance an erster Stelle beim Thema Arbeitszufriedenheit - nur 42 % bewerten das Gehalt als wichtigsten Faktor, ebenso viele die Beziehungen zu den Arbeitskolleg:innen. Ein Thema wie Karriereentwicklung kommt abgeschlagen mit 25 % erst auf dem fünften Platz.
Karriere in der Elektronik: Welche Möglichkeiten es gibt und was sich verdienen lässt
Entdecke die Welt der Elektronikkarriere! Für Berufsanfänger bieten sich vielfältige Chancen: Unser neuer Schwerpunkt zum Thema Karriere informiert über attraktive Berufsbilder, Bildungsmöglichkeiten, und Aufstiegsmöglichkeiten in der Elektronikbranche. Unsere umfassende Seite gibt wertvolle Einblicke und hilfreiche Ratschläge, um deine Karriere in der Elektronik erfolgreich zu starten. Egal ob du Interesse an der Elektronikentwicklung, der Systemintegration oder der Forschung hast, hier findest du die Informationen, die du benötigst, um in diesem dynamischen und zukunftsorientierten Bereich durchzustarten.
Weil der Bereich Automatisierung langfristig boomt
Getrieben durch allgemeine Megatrends wie Fachkräftemangel, Lieferkettenprobleme und Klimaneutralität schwimmt der Bereich der industriellen Automatisierung auf einer Erfolgswelle. Das belegen zum Beispiel folgende Zahlen:
- Die Zahl der weltweit installierten Industrieroboter hat 2021 rund 3,5 Millionen Systeme erreicht. Damit hat sich die Gesamtzahl der installierten Systeme innerhalb von sechs Jahren fast verdoppelt.
- Laut einer Studie des kanadischen Marktforschungsunternehmens Precedence Research wird sich der Weltmarkt für die industrielle Automatisierung von rund 197 Milliarden US-Dollar 2021 bis zum Jahr 2030 auf dann rund 413 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln. Das würde einem durchschnittlichen Wachstum pro Jahr (CAGR) von etwa 8,6 % entsprechen.
- Mit einem Jahresumsatz von 52,3 Milliarden Euro bei Automatisierungstechnik im Jahr 2021 und einem Exportwert von 46,5 Milliarden Euro stellt Deutschland international gesehen einen der wichtigsten Standorte für die Automatisierungsbranche dar. 2021 waren in Deutschland in der Automation rund 257.000 Menschen beschäftigt, so Zahlen von ZVEI, VDMA und statistischem Bundesamt.
Weil die Möglichkeiten für einen Jobwechsel immer vielfältiger werden
Die Möglichkeiten, sich quasi in Echtzeit über Stellenangebote zu informieren, sind in den vergangenen Jahren immer vielfältiger geworden. Nicht mehr nur allein durch E-Mail-Benachrichtigungen von Stellenportalen im Internet, sondern zum Beispiel auch durch Social Media oder Messaging Apps. Laut der PageGroup-Studie wurde dieser Trend zuletzt durch die Auswirkungen der Pandemie noch einmal massiv verstärkt: "Die Verbreitung hybrider Arbeitsformen bedeutet, dass es für Menschen einfacher ist, nach Stellen zu suchen - und von Personalvermittlern kontaktiert zu werden - während sie ihre Aufgaben in der Privatsphäre ihres Zuhauses erledigen." Von den insgesamt 28.000 Teilnehmern der Studie aus ganz Europa arbeiten zwei Drittel vollständig oder teilweise remote.
Der Autor: Peter Koller
Gelernter Politik-Journalist, heute News-Junkie, Robotik-Afficionado und Nerd-Versteher. Peter Koller liebt den Technik-Journalismus, weil es das einzige Themengebiet ist, wo wirklich ständig neue Dinge passieren. Treibstoff: Milchschaum mit Koffein, der ihn bei seiner neuen Aufgabe als Chefredakteur der IEE unterstützt.