logo_Wolfspeed

Wolfspeed, führend in der Siliziumkarbid-Halbleitertechnik, steht laut einem Medienbericht vor einem möglichen Insolvenzantrag – mit weitreichenden Folgen für Industrie und Politik. (Bild: Wolfspeed)

Auf der erst kürzlich zu Ende gegangenen PCIM war Wolfspeed als großer Name in der Halbleiterbranche noch einer der Publikumsmagneten – im Gegensatz zu den ehemaligen SMT-Ausstellern. Doch nach Informationen des Wall Street Journal plant Wolfspeed einen Insolvenzantrag nach Chapter 11 des US-amerikanischen Insolvenzrechts, der von der Mehrheit der Gläubiger unterstützt werden soll. Diesen Schritt bereitet das Unternehmen vor, nachdem es zuvor mehrere außergerichtliche Restrukturierungsvorschläge von Gläubigern abgelehnt hatte. Eine offizielle Stellungnahme des Unternehmens steht bislang aus – Wolfspeed lehnte beispielsweise auf Anfrage von Reuters eine Kommentierung der Berichte ab.

Die finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens waren jedoch bereits zuvor erkennbar. Anfang Mai hatte der scheidende Finanzvorstand Neill Reynolds in einer Telefonkonferenz angedeutet, dass das Unternehmen möglicherweise gerichtliche Optionen zur Neuverhandlung seiner Schulden verfolgen müsse. Er kündigte zudem an, dass der Begriff "Fortführung des Unternehmens" in den kommenden Quartalsbericht aufgenommen würde – ein deutliches Warnsignal für Investoren.

Aktienkurs der Wolfspeed-Aktie zwischen 2020 und 2025 mit starkem Kursverfall von über 120 EUR auf 1,19 EUR
Der Aktienkurs von Wolfspeed in den letzten Jahren: Von himmelhoch jauchzend (120 Euro), Zum Tode betrübt (Etwa 1 Euro) (Bild: https://www.onvista.de/aktien/WOLFSPEED-Aktie-US9778521024)

Das sind Gründe für die wirtschaftliche Schieflage bei Wolfspeed

Der dramatische Niedergang von Wolfspeed hat sowohl interne als auch externe Ursachen:

  • Übermäßige Expansion: Wolfspeeds Ambitionen übertrafen seine Umsetzungsfähigkeit. Das Unternehmen setzte stark auf das Wachstum im SiC-Markt und investierte massiv in neue Produktionsanlagen, darunter die weltweit erste 200mm-SiC-Fabrik, während es gleichzeitig einen Schuldenberg von über 6 Milliarden Dollar anhäufte.

  • Produktionsprobleme: Unterauslastung der Fabriken, langsamer Produktionshochlauf und negative Margen haben die finanzielle Situation dramatisch verschlechtert.

  • Marktentwicklung: Die Nachfrage in den Schlüsselmärkten – insbesondere bei Elektrofahrzeugen und im industriellen Bereich – entwickelte sich deutlich langsamer als erwartet.

  • Wettbewerbsdruck: Während Konkurrenten wie STMicroelectronics, onsemi und Infineon ihre Expansion kontrollierter gestalteten und ihr Geschäft diversifizierten, setzte Wolfspeed "alles auf eine Karte" – und steht nun ohne ausreichende finanzielle Reserven da.

  • Negativer Cashflow: Im letzten Quartal verzeichnete das Unternehmen einen negativen Cashflow von 168 Millionen US-Dollar.

  • Die Folgen sind dramatisch: Die Wolfspeed-Aktie ist um fast 97% von ihrem Höchststand gefallen. Für das Geschäftsjahr 2026 prognostizierte das Unternehmen zuletzt einen Umsatz von lediglich 850 Millionen US-Dollar – deutlich unter den Analystenerwartungen von 958,7 Millionen US-Dollar.

    Chapter 11 im US-Insolvenzrecht: Sanierung statt Pleite für Unternehmen

    Chapter 11 des US-Insolvenzrechts ermöglicht es Unternehmen, sich unter gerichtlichem Schutz zu reorganisieren, statt liquidiert zu werden. Während des Verfahrens bleibt das Unternehmen als „Debtor in Possession“ unter gerichtlicher Aufsicht in eigener Kontrolle. Gläubiger dürfen in dieser Zeit keine Zwangsmaßnahmen ergreifen, da ein automatischer Zahlungsstopp („automatic stay“) gilt. Der Schuldner erstellt einen Reorganisationsplan, über den die Gläubiger abstimmen und den das Gericht genehmigen muss. Das Ziel besteht darin, das Unternehmen zu sanieren und es anschließend gestärkt weiterzuführen.

    Im Gegensatz dazu führt ein Verfahren nach Chapter 7 zur vollständigen Liquidation des Unternehmens. Ein gerichtlich bestellter Treuhänder verkauft die nicht geschützten Vermögenswerte, um die Gläubiger zu befriedigen, und das Unternehmen wird aufgelöst. Chapter 7 wird in der Regel gewählt, wenn eine Reorganisation nicht mehr realistisch erscheint und keine tragfähige Fortführungsstrategie existiert.

    Führungswechsel in turbulenten Zeiten

    Begleitet wird die Krise bei Wolfspeed wird durch einen kürzlich erfolgten Führungswechsel an der Unternehmensspitze. Erst vor wenigen Wochen wurde CEO Gregg Lowe, der das Unternehmen seit 2017 leitete, mit sofortiger Wirkung von seinem Amt entbunden. Unter seiner Führung war das Unternehmen 2021 von Cree zu Wolfspeed umfirmiert worden, nachdem die LED-Sparte verkauft wurde. Lowe hatte Wolfspeed als reinen Anbieter von SiC-Chips positioniert.

    Nach einer kurzen Interimsphase unter Thomas Werner, dem Vorstandsvorsitzenden, wurde Robert Feurle zum neuen Chief Executive Officer ernannt. Feurle bringt mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung in der Halbleiterindustrie mit und war zuletzt für die Business Unit Opto Semiconductors bei ams-OSRAM verantwortlich. In seiner ersten Videobotschaft als CEO betonte er das "enorme Potenzial" von Wolfspeed und kündigte an, die operative Exzellenz ausbauen, die Profitabilität steigern und die langfristige strategische Vision des Unternehmens weiterentwickeln zu wollen.

    Gescheiterte Chipfabrik im Saarland

    Die aktuelle Krise bei Wolfspeed hatte auch schon früher Auswirkungen auf internationale Projekte. Ein prominentes Beispiel ist die geplante Siliziumkarbid-Halbleiterfabrik im saarländischen Ensdorf, die als Kooperation mit dem deutschen Autozulieferer ZF entstehen sollte. Das ambitionierte 2,75 Milliarden Euro schwere Vorhaben, das als eines der größten Projekte zur Stärkung der europäischen Halbleiterproduktion galt, steht inzwischen vor dem Aus.

    Wolfspeed und ZF hatten das Projekt im Februar 2023 mit großem politischen Rückhalt präsentiert. Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger sprachen bei der Vorstellung von einem „Meilenstein" für die europäische Chipproduktion. Die Chipfabrik sollte mit rund 1000 Mitarbeitern betrieben werden und erhebliche staatliche Fördermittel erhalten: Der Bund hatte 360 Millionen Euro zugesagt, das Saarland wollte 155 Millionen Euro beisteuern.

    Im Oktober 2024 zog sich ZF jedoch aus dem Projekt zurück. Der Autozulieferer, der selbst in einer tiefen Krise steckt und bis zu 14.000 Stellen in Deutschland abbauen will, hatte ursprünglich eine Beteiligung von 170 Millionen Euro geplant. Für das Saarland bedeutet das wahrscheinliche Scheitern der Chipfabrik einen herben Rückschlag im Strukturwandel.

    Welche Rettungsversuche gibt es und wie sind die Zukunftsaussichten?

    Trotz der düsteren Gesamtsituation gibt es vereinzelte Anzeichen für Rettungsversuche. Laut Medienberichten haben Hedgefonds und Investoren über das Wochenende einen Rettungsplan vorgelegt, der eine Finanzspritze von 600 Millionen Dollar vorsieht. Diese Mittel sollen vor allem eine fällige Wandelanleihe von 2026 refinanzieren und dringend benötigtes Betriebskapital bereitstellen.

    Parallel dazu treibt Wolfspeed einen radikalen Umbau voran. Geplant sind jährliche Einsparungen von 200 Millionen Dollar sowie zusätzliche 150 Millionen Dollar durch den Verkauf nicht-kerniger Assets. Konkrete Maßnahmen umfassen:

    • Schließung der 150-mm-Fabrik in Farmers Branch

    • Stilllegung des Durham 150-mm-Waferwerks bis Jahresende

    • Abbau von rund 25% der Belegschaft

    Ob diese Maßnahmen ausreichen werden, um das Unternehmen zu stabilisieren, bleibt abzuwarten. Die kommenden Wochen dürften entscheidend sein für die Zukunft des Siliziumkarbid-Spezialisten.

    Bedeutung für die Halbleiter-Branche

    Die Schwierigkeiten bei Wolfspeed werfen ein Schlaglicht auf die Herausforderungen der gesamten Halbleiterbranche, insbesondere im Bereich der Wide-Bandgap-Leistungshalbleiter. Siliziumkarbid gilt als Schlüsselmaterial für Hochspannungs- und Leistungshalbleiteranwendungen, besonders in der Automobilindustrie und bei erneuerbaren Energien. Die Technologie ermöglicht höhere Wirkungsgrade und ist damit zentral für die Energiewende.

    Eine mögliche Insolvenz von Wolfspeed könnte zu Versorgungsengpässen führen und den Wettbewerb in diesem strategisch wichtigen Marktsegment verändern. Gleichzeitig könnten Konkurrenten wie Infineon, STMicroelectronics oder ON Semiconductor von der Situation profitieren und Marktanteile gewinnen. Bei dem ein oder anderen werden vielleicht Erinnerung an 2016/17 wach, als der deutsche Chipkonzern Infineon weit vorgeschrittene Pläne hatte, Wolfspeed (damals noch unter dem Mutterkonzern Cree) für für rund 850 Millionen US-Dollar zu übernehmen. Ziel war es, gemeinsam die Führungsposition bei Leistungshalbleitern auf Basis von Siliziumkarbid auszubauen. Doch die US-Regierung blockierte die Transaktion aus Gründen der nationalen Sicherheit, da Wolfspeed auch militärische Kunden beliefert. Das Scheitern des Deals zwang das Unternehmen, seine ehrgeizigen Wachstumspläne im Alleingang zu verfolgen – was maßgeblich zum heutigen Schuldenstand beitrug. Infineon zahlte zwar eine Ausfallgebühr von 12,5 Millionen US-Dollar, fokussierte sich danach aber auf eigene SiC-Technologien und baute seine Marktposition ohne Wolfspeed erfolgreich aus.

    Die Entwicklungen bei Wolfspeed reihen sich ein in eine Serie von Rückschlägen für die europäische Halbleiterindustrie. Neben dem wahrscheinlichen Scheitern der Wolfspeed-Fabrik im Saarland hatte auch der angeschlagene Halbleiterriese Intel seine Pläne für ein milliardenschweres Chipwerk in Magdeburg auf Eis gelegt. Beide Projekte waren zentrale Elemente in Europas Strategie, sich in der Halbleiterproduktion unabhängiger zu positionieren.

    Der Autor: Dr. Martin Large

    Martin Large
    (Bild: Hüthig)

    Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

    Weitere Artikel von Martin Large

    Sie möchten gerne weiterlesen?